Entscheidungsstichwort (Thema)

Grenzen inhaltlicher Vorgaben des Arbeitnehmers für ein Arbeitszeugnis

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Aus § 109 Abs. 1 GewO ergibt sich nicht nur die Pflicht des Arbeitgebers, dem Arbeitnehmer ein Zeugnis zu erteilen, sondern dieses auch wohlwollend abzufassen, damit es das berufliche Fortkommen des Arbeitnehmers nicht ungerechtfertigt erschwert.

2. § 109 Abs. 1 GewO sieht keinen Anspruch auf Erteilung eines Zeugnisses mit einem bestimmten Wortlaut vor. Vielmehr ist der Arbeitgeber frei in der Wahl seiner Formulierungen.

3. Hat der Arbeitgeber sich in einem gerichtlichen Vergleich verpflichtet, dem Arbeitnehmer ein Zeugnis zu erteilen, wobei dem Arbeitnehmer ein Vorschlagsrecht zustehen sollte, von dem der Arbeitgeber nur aus wichtigem Grund abweichen durfte, so stellt die Formulierung "aus wichtigem Grunde" klar, dass der Arbeitgeber nicht verpflichtet ist, inhaltlich Unwahres in den Zeugnistext zu übernehmen.

 

Normenkette

ZPO § 138; GewO § 109 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Hagen (Westfalen) (Entscheidung vom 17.09.2015; Aktenzeichen 4 Ca 435/15)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Hagen vom 17.09.2015 - 4 Ca 435/15 - dahin abgeändert, dass das Versäumnisurteil des Arbeitsgerichts Hagen vom 09.07.2015 aufgehoben und die Klage abgewiesen wird.

Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz tragen die Beklagte zu 80 % und der Kläger zu 20 %. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten in der Berufungsinstanz noch darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, folgenden Satz in das Zeugnis des Klägers aufzunehmen: "Wir betrachten es als besondere Leistung, dass er in seinem Verkaufsgebiet Umsatzzuwächse von bis zu 33 % generiert und unzufriedene Kunden als starke Umsatzträger wieder an das Haus gebunden hat".

Der Kläger war vom 01.07.2010 bis zum 31.10.2013 bei der Beklagten als Gebietsverkaufsleiter tätig. Die Beklagte sprach im Juli und August 2013 Kündigungen gegenüber dem Kläger aus. Der Kläger erhob Kündigungsschutzklage und nahm die Beklagte zudem auf Weiterbeschäftigung, Entfernung von Abmahnungsschreiben aus der Personalakte und auf Zeugniserteilung in Anspruch. Dieser Rechtsstreit, den die Parteien vor dem Arbeitsgericht Hagen unter dem Geschäftszeichen 4 Ca 1628/13 führten, wurde durch den Abschluss eines Vergleichs am 27.08.2013 erledigt. Der Vergleich sah unter anderem vor, dass das Arbeitsverhältnis zum 31.10.2013 endet und die Beklagte an den Kläger eine Abfindungszahlung leistet. Darüber hinaus heißt es in dem Vergleich: "Die Beklagte erteilt dem Kläger unter dem 31.10.2013 ein qualifiziertes Arbeitszeugnis. Die Parteien sind sich darüber einig, dass dem Kläger ein Vorschlagsrecht zusteht, von dem die Beklagte nur aus wichtigem Grunde abweichen darf."

Im September 2014 übersandte der Prozessbevollmächtigte des Klägers an den Prozessbevollmächtigten der Beklagten einen Zeugnisentwurf mit der Bitte um Übernahme und Erteilung. Die Beklagte erteilte dem Kläger ein Arbeitszeugnis, das von dem übersandten Zeugnisentwurf abwich. Der Kläger erhob daraufhin Klage mit dem Ziel, die Beklagte zur Erteilung eines Arbeitszeugnisses nach Maßgabe des Zeugnisentwurfs zu verpflichten. Nachdem die Beklagte dem Kläger im Laufe des Rechtsstreits ein neues Arbeitszeugnis erteilt hatte, das dem Zeugnisentwurf - mit Ausnahme des einleitend im Tatbestand wiedergegebenen Satzes - entsprach, haben die Parteien den Rechtsstreit insoweit erledigt erklärt.

Im Kammertermin vom 09.07.2015, den die Beklagte nicht wahrgenommen hat, ist ein Versäumnisurteil erlassen worden, durch das die Beklagte verpflichtet wurde, den noch fehlenden Satz aus dem Zeugnisentwurf in das Arbeitszeugnis des Klägers zu übernehmen. Gegen dieses Versäumnisurteil hat die Beklagte fristgerecht Einspruch eingelegt.

Der Kläger hat behauptet, dass er unzufriedene Kunden als starke Umsatzträger wieder an die Beklagte gebunden habe. Die Angaben zu den von dem Kläger getätigten Umsätzen basierten auf einer Auskunft des vormaligen Geschäftsführers der Beklagten, Herrn C. Die nach den Gebietsübernahmen erfolgten Umsatzrückgänge seien letztlich darauf zurückzuführen, dass die Lieferanten sehr lange auf ihre Bezahlung hätten warten müssen und dann nur schlechte Qualität geliefert hätten. Dies habe sich nachteilig auf die Umsätze ausgewirkt.

Der Kläger hat beantragt,

das Versäumnisurteil vom 09.07.2015 aufrecht zu erhalten.

Die Beklagte hat beantragt,

das Versäumnisurteil vom 09.07.2015 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat vorgetragen, dass der Kläger mit seinem Begehren die Grenze zum offenkundigen Rechtsmissbrauch überschritten habe, da oberster Grundsatz für die Zeugnisausstellung die Wahrheit des Zeugnisses sei. Weder habe er in seinem Verkaufsgebiet Umsatzzuwächse von bis zu 33 % generiert noch unzufriedene Kunden als starke Umsatzträger wieder an das Haus der Beklagten gebunden. Die Frage, ob in dem Verkaufsgebiet Umsatzzuwäch...

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