Revision zurückgewiesen
Entscheidungsstichwort (Thema)
Manipulation der Zeiterfassung. Außerordentliche Kündigung. Beteiligung des Personalrats
Leitsatz (redaktionell)
1. Die Kündigung eines Arbeitnehmers durch den öffentlichen Arbeitgeber ist gem. § 108 Abs. 2 BPersVG grundsätzlich auch dann unwirksam, wenn der öffentliche Arbeitgeber dem Personalrat im Rahmen dessen vorheriger Beteiligung zur arbeitgeberseitig beabsichtigten Kündigung eines Arbeitnehmers die Gründe, die die arbeitgeberseitig beabsichtigte Kündigung eines Arbeitnehmers rechtfertigen sollen, nicht „hinreichend” mitteilt.
2. Eine außerordentliche Kündigung kommt nach § 626 Abs. 1 BGB in Betracht, wenn alle anderen, nach den jeweiligen Umständen möglichen und milderen Mittel (z. B. Abmahnung, Versetzung, einverständliche Abänderung des Vertrags u.ä.) erschöpft sind, das in der bisherigen Form nicht mehr haltbare Arbeitsverhältnis fortzusetzen. Die außerordentliche Kündigung ist nur zulässig, wenn sie die unausweichlich letzte Maßnahme (ultima ratio) für den Kündigungsberechtigten ist.
3. Manipulationen eines Arbeitnehmers auf seiner Zeiterfassungskarte können unter Abwägung der Interessen des Arbeitnehmers sowie des Arbeitgebers im Einzelfall eine arbeitgeberseitige außerordentliche fristlose Kündigung rechtfertigen.
Normenkette
BGB § 626 Abs. 1, §§ 134, 140; SGB IX § 85; BPersVG § 108 Abs. 2
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Berufung des Beklagten werden das am 20.04.2004 verkündete Urteil des Arbeitsgerichts Hamm – 3 (3) Ca 2579/03 L – abgeändert und der jetzige zweitinstanzliche Kündigungsschutzklageantrag des Klägers insgesamt abgewiesen.
Die beidinstanzlichen Kosten des Rechtsstreits hat allein der Kläger zu tragen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien haben sich in beiden Instanzen ihres hier vorliegenden Rechtsstreits darüber gestritten, ob der Beklagte sein bisheriges Arbeitsverhältnis zum Kläger rechtswirksam außerordentlich fristlos, zumindest jedoch hilfsweise ordentlich fristgerecht aufgekündigt hat, wobei der Kläger seitens des Beklagten deswegen gekündigt worden ist, weil streitlos der Kläger am 02.10.2003 den Arbeitsbeginn auf seiner Zeiterfassungskarte durch das Zeiterfassungsgerät des Beklagten nicht selbst abstempeln, vielmehr von seinem damaligen Arbeitskollegen Herrn H1xxxxxx mitabstempeln gelassen hat.
Dabei ist im Hinblick auf die gerichtliche Entscheidung der vorstehenden beidinstanzlichen Streitfrage zwischen den Parteien von rechtlicher Bedeutung,
dass zum einen in dem bereits zum 01.01.1900 in Kraft getretenen Bürgerlichen Gesetzbuch – BGB – vom 18.08.1896 (RG Bl. S. 195) von Beginn an und auch weiterhin u. a. Folgendes aufgenommen ist:
„§ 134 Gesetzliches Verbot
Ein Rechtsgeschäft, das gegen ein gesetzliches Verbot verstößt, ist nichtig, wenn sich nicht aus dem Gesetz etwas anderes ergibt.
§ 140 Umdeutung
Entspricht ein nichtiges Rechtsgeschäft den Erfordernissen eines anderen Rechtsgeschäfts, so gilt das letztere, wenn anzunehmen ist, dass dessen Geltung bei Kenntnis der Nichtigkeit gewollt sein würde.
§ 626 Fristlose Kündigung aus wichtigem Grund
(1) Das Dienstverhältnis kann von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Dienstverhältnisses nicht zugemutet werden kann.
(2) Die Kündigung kann nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Der Kündigende muss dem anderen Teil auf Verlangen den Kündigungsgrund unverzüglich schriftlich mitteilen.”
Zum anderen war und ist im Kündigungsschutzgesetz – KSchG – in der Fassung der Bekanntmachung vom 25.08.1969 (BG Bl. I S. 1317) u.a. Folgendes bestimmt:
„§ 1 Sozial ungerechtfertigte Kündigungen
(1) Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses gegenüber einem Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis in demselben Betrieb
oder Unternehmen ohne Unterbrechung länger als sechs Monate bestanden hat, ist rechtsunwirksam, wenn sie sozial ungerechtfertigt ist.
(2) Sozial ungerechtfertigt ist die Kündigung, wenn sie nicht durch Gründe, die in der Person oder in dem Verhalten des Arbeitnehmers liegen, oder durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in diesem Betrieb entgegenstehen, bedingt ist. Die Kündigung ist auch sozial ungerechtfertigt, wenn
in Betrieben des privaten Rechts
…
in Betrieben und Verwaltungen des öffentlichen Rechts
- …
- der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in derselben Dienststelle oder in einer anderen Dienststelle desselben Verwaltungszweiges an demselben Dienstort einschließlich seines Einzugsgebiets weiter...