Entscheidungsstichwort (Thema)

Deutsche Gerichtsbarkeit für Tätigkeiten im Inland mit Auslandsbezug. Strenge Anforderungen an eine außerordentliche Änderungskündigung zur Entgeltabsenkung

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Die deutschen Gerichte sind international nach Artikel 18, Artikel 19 Nr. 2 a Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22.12.2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuGVVO), nunmehr - inhaltsgleich - Artikel 20, 21 Abs. 1 b i) der durch die Verordnung Nr. 1215/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12.12.2012 neugefassten EuGVVO zuständig. Nach deren Artikel 66 Abs. 2 gilt die Verordnung (EG) Nr. 44/2001 für vor dem 10.01.2015 eingeleitete gerichtliche Verfahren weiter. Die Beklagte ist ein ausländischer Staat ohne "Sitz" im Inland. Gewöhnlicher Arbeitsort der Klägerin ist C. Der für die Anwendung der EuGVVO erforderliche Auslandsbezug ist gegeben.

2. Eine außerordentliche Änderungskündigung zur Entgeltabsenkung ist nur in Extremfällen zulässig. Der Arbeitgeber ist mit dem Ausschluss der ordentlichen Kündbarkeit eine weitreichende Verpflichtung und ein damit einhergehendes hohes Risiko eingegangen. Dieser Bindung muss er insbesondere bei der Prüfung der Frage, welche Vertragsänderung er dem Arbeitnehmer mit dem Änderungsangebot zumutet, gerecht werden. Ein zur außerordentlichen Änderungskündigung berechtigender Grund ist deshalb nur gegeben, wenn die Änderung der Arbeitsbedingungen für den Arbeitgeber unabweisbar notwendig ist, etwa die Änderung der Arbeitsbedingungen zum Ziel hat, der konkreten Gefahr einer Insolvenz des Arbeitgebers zu begegnen. In einer existenzbedrohenden Lage kann der Arbeitgeber grundsätzlich auch von seinen ordentlich unkündbaren Arbeitnehmern einen Sanierungsbeitrag verlangen und im Wege der außerordentlichen Änderungskündigung durchsetzen. Allerdings muss er hierfür darlegen, dass die Sanierung mit den Eingriffen in die Arbeitsverträge steht und fällt und alle gegenüber der beabsichtigten Änderungskündigung milderen Mittel ausgeschöpft sind (BAG 20.07.2017 a. a. O. Rdnr. 42).

 

Normenkette

EuGVVO Art. 20 Fassung: 2012-12-12, Art. 21 Abs. 1 Fassung: 2012-12-12; TV-L § 34 Abs. 2 S. 1; BGB §§ 623, 626 Abs. 1; KSchG §§ 2, 4 S. 2

 

Verfahrensgang

ArbG Bielefeld (Aktenzeichen 6 Ca 2936/10)

ArbG Bielefeld (Entscheidung vom 08.03.2011; Aktenzeichen 5 Ca 2910/10)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bielefeld vom 08.03.2011 - 5 Ca 2910/10 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungs- und Revisionsverfahrens trägt die Beklagte.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer von der Beklagten ausgesprochenen Änderungskündigung.

Die 1954 geborene Klägerin ist seit dem 13.12.1982 an dem griechischen Lyzeum in C als Lehrerin mit einem Bruttomonatsentgelt von 3.061,85 € teilzeitbeschäftigt. Zum Zeitpunkt ihrer Einstellung war sie griechische Staatsbürgerin.

Dem Arbeitsverhältnis liegt ein Arbeitsvertrag vom 03.11.1992 (Bl. 3 - 5 d. A.) zugrunde. Unter Nr. 3 des Arbeitsvertrages heißt es wie folgt:

Der/die Angestellte wird nach dem deutschen BAT und nach Absatz 1.13/53 der Sammlung der Schulvorschriften des deutschen Bildungsministeriums vom 20.11.81 (BASS 21-21, Nr. 53) bis zu den jeweils gültigen Versionen eingestuft und entlohnt, wie folgt:

...

Nr. 6 des Arbeitsvertrages enthält folgende Regelung:

Ebenfalls ist an den Arbeitnehmer ein Weihnachtsgeld in Höhe von 4.702,95 DM zu zahlen.

Der Lehrende, der diesen Vertrag unterzeichnet, akzeptiert und erkennt mit seiner Unterschrift an, dass dieses Weihnachtsgeld ihm freiwillig gezahlt wird und dass die Zahlung des Weihnachtsgeldes, auch wenn sie über mehrere Jahre hinweg erfolgte, ihm nicht das Recht erteilt Ansprüche auf dessen weitere obligatorische Zahlung zu erheben.

Erhöhte sich das Gehalt nach den Vergütungsverträgen zum BAT bzw. den Tabellen zum TV-L, erhielt auch die Klägerin eine Gehaltserhöhung, zuletzt zum 01.03.2010.

Unter dem 15.01.2010 (Bl. 8 d. A.) erteilte die Beklagte ihr eine Gehaltsmitteilung mit Wirkung ab dem 01.03.2010. Unter Zugrundelegung des TV-L errechnete sie für ihre Teilzeitbeschäftigung einen monatlichen Gehaltsbetrag von 3.061,85 €.

Mit Wirkung zum 01.01.2010 trat Artikel 1 des griechischen Gesetzes 3833/2010 - Schutz der nationalen Wirtschaft - dringende Maßnahmen zur Überwindung der Finanzkrise - in Kraft. Der Auftrag zur Veröffentlichung des Gesetzes und zu dessen Ausführung als Gesetz datiert vom 11.03.2010. Dem Gericht ist eine von dem Beklagtenvertreter gefertigte Übersetzung in die deutsche Sprache vorgelegt worden (Bl. 173 - 184 d. A.). Der Beklagtenvertreter ist durch den Präsidenten des Oberlandesgerichtes Köln ermächtigter und beeidigter Dolmetscher für die griechische Sprache. Die Richtigkeit seiner Übersetzung ist zwischen den Parteien unstreitig. Artikel 1 Nr. 4 des Gesetzes 3833/2010 lautet wie folgt:

4. Bedienstete mit privatrechtl...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge