Entscheidungsstichwort (Thema)
Anspruch eines schwerbehinderten Bewerbers auf Einladung zu einem Vorstellungsgespräch
Leitsatz (redaktionell)
Eine Einladung eines schwerbehinderten Bewerbers zu einem Vorstellungsgespräch ist gem. § 82 S. 3 SGB IX entbehrlich, wenn die fachliche Eignung offensichtlich fehlt. Hiervon ist auszugehen, wenn nach der Stellenausschreibung ein abgeschlossenes Hochschulstudium der Informatik, Wirtschaftsinformatik (Diplom oder Master) zwingende Voraussetzung war, der Bewerber aber lediglich ein BWL-Studium abgeschlossen hatte.
Normenkette
GG Art. 33 Abs. 2; SGB IX § 82 S. 2
Verfahrensgang
ArbG Herne (Aktenzeichen 3 Ga 13/14) |
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Herne vom 30.07.2014 abgeändert und der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.
Tatbestand
Die Parteien streiten im Wege der einstweiligen Verfügung über die Verpflichtung der Beklagten, die Besetzung einer Stelle vorläufig zu unterlassen.
Der 49-jährige Kläger ist schwerbehindert. 1995 schloss er ein BWL-Studium an der Universität St. H ab und promovierte 1998 an der Uni-GH L zum Thema "Werbung im Internet". Für den beruflichen Werdegang des Klägers wird auf dessen Lebenslauf (Bl. 13 - 15 d. A.) verwiesen.
Die Beklagte schrieb unter der Kennziffer 12/1234 die Stelle einer Abteilungsleiterin oder eines Abteilungsleiters für die Abteilung Informationsservice des Fachbereichs Personal und Zentraler Service aus (Bl. 9, 10 d. A.). Als fachliche Anforderung sieht diese Stellenausschreibung u. a. ein abgeschlossenes Hochschulstudium der Informatik, Wirtschaftsinformatik (Diplom oder Master) vor.
Innerhalb der Bewerbungsfrist bewarb sich der Kläger mit Schreiben vom 27.03.2014 auf die ausgeschriebene Stelle. Ohne zuvor zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen worden zu sein, erhielt er am 16.07.2014 eine Absage per E-Mail, in der die Beklagte dem Kläger mitteilte, dass das Auswahlverfahren zwischenzeitlich aus sachlichen Überlegungen abgebrochen worden sei. Eine vom Kläger erbetene Akteneinsicht lehnte die Beklagte unter Hinweis auf die Datenschutzinteressen der weiteren Bewerber ab. Darüber hinaus teilte sie dem Kläger mit, dass dieser die im Anforderungsprofil des Ausschreibungstextes festgelegten zwingenden Voraussetzungen nicht erfülle und er deshalb nicht in die engere Wahl gelangt sei.
Mit seinem am 25.07.2014 bei Gericht eingereichten Antrag hat der Kläger begehrt, es der Beklagten vorläufig zu untersagen, die ausgeschriebene Stelle zu besetzten.
Der Kläger hat die Ansicht vertreten, er erfülle die zwingenden Anforderungen des Ausschreibungsprofils und hätte als schwerbehinderter Mensch deshalb zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen werden müssen. Ohne Erlass einer einstweiligen Verfügung verlöre er seine Rechtsposition in Bezug auf den Bewerberverfahrensanspruch endgültig, sofern die Beklagte die Stelle neu ausschreibe.
Der Kläger hat sich zur Glaubhaftmachung seines Vortrags auf die eidesstattliche Versicherung vom 28.07.2014 (Bl. 59 d. A.) bezogen.
Der Kläger hat beantragt,
der Beklagten vorläufig, längstens jedoch bis zu einer erstinstanzlichen Entscheidung in der Hauptsache oder dem Abschluss eines unter Einbeziehung des Klägers neu durchzuführenden Bewerbungsverfahrens zu untersagen, die Stelle des Abteilungsleiters für die Abteilung "Informationsservice des Fachbereichs Personal und Zentraler Service" (Kennziffer 12/1234) zu besetzten.
Die Beklagte hat beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Sie hat die Auffassung vertreten, der Anspruch des Klägers sei wegen Abbruchs des Stellenbesetzungsverfahrens untergegangen. Zu einem Vorstellungsgespräch sei er nicht eingeladen worden, da er das mit der Stellenbeschreibung aufgestellte Anforderungsprofil nicht erfüllt habe. Die Vorgabe der Fachrichtung des geforderten Hochschulabschlusses sei Bestandteil des konstitutiven Merkmals, weil die eindeutige Ausschreibung eine Ausnahmeregelung nicht zulasse. Die Beklagte hat behauptet, es sei nunmehr ein Mitbestimmungsverfahren eingeleitet worden zur internen Neuorganisation der mit der ausgeschriebenen Stelle verbundenen Aufgaben.
Mit Urteil vom 30.07.2014 hat das Arbeitsgericht dem klägerischen Antrag entsprochen. Es hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:
Ein Verfügungsanspruch sei gegeben. Der Bewerberverfahrensanspruch des Klägers sei durch die Beklagte dadurch verletzt worden, dass sie dessen Bewerbung ohne vorheriges Vorstellungsgespräch abgelehnt habe. Dem Kläger fehle die fachliche Eignung für die ausgeschriebene Stelle jedenfalls nicht offensichtlich. Er verfüge über die durch ein abgeschlossenes Hochschulstudium in der Regel nachgewiesene Fähigkeit zum wissenschaftlichen Arbeiten, wie sich aus seinem BWL-Studium und seiner Promotion ergebe. Zudem könne bei dem Kläger zumindest nicht offensichtlich ausgeschlossen werden, dass dieser aufgrund seiner beruflichen Erfahrungen auch über die Fachkenntnisse verfüge, die durch...