Die Revision gegen das Urteil wird zugelassen.
Entscheidungsstichwort (Thema)
Kündigung. personenbedingte Kündigung. Krankheit. mangelnde gesundheitliche Eignung. psychische Erkrankung. Sicherheitsbedenken. Zukunftsprognose. Beurteilungszeitpunkt. Therapieplan
Leitsatz (amtlich)
Für die bei der krankheitsbedingten Kündigung erforderliche Zukunftsprognose ist von den im Kündigungszeitpunkt maßgeblichen Verhältnissen auszugehen, weswegen nachträglich gewonnene Erkenntnisse aus einem gerichtlichen Sachverständigengutachten zu Krankheitsdiagnostik und weiteren Therapiemaßnahmen unberücksichtigt bleiben müssen.
Normenkette
KSchG § 1
Verfahrensgang
ArbG Gelsenkirchen (Urteil vom 05.11.2003; Aktenzeichen 4 Ca 2268/02) |
Nachgehend
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Gelsenkirchen vom 05.11.2003 – 4 Ca 2268/02 – wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
Tatbestand
Mit seiner Klage wendet sich der im Jahre 1964 geborene, ledige und mit einem GdB von 30 einem Schwerbehinderten gleichgestellte Kläger, welcher im Betrieb der Beklagten seit dem 01.09.1982 als technischer Angestellter und seit 1996 in der Funktion eines Main-Operaters (Industriemeister Chemie) gegen ein durchschnittliches Monatsentgelt von 3.701,– EUR beschäftigt war, in erster Linie gegen die Beendigung seines Arbeitsverhältnisses durch ordentliche arbeitgeberseitige Kündigung vom 27.09. zum 31.12.2002 und macht weiter Vergütungsansprüche unter dem Gesichtspunkt des Annahmeverzuges geltend. Widerklagend verlangt die Beklagte die Rückzahlung geleisteter Vergütung wegen irrtümlicher Überzahlung.
Die angegriffene Kündigung hat die Beklagte, welche in G4xxxxxxxxxxx einen Betrieb der chemischen Industrie mit ca. 565 Arbeitnehmern führt, unter dem Gesichtspunkt mangelnder gesundheitlicher Eignung des Klägers ausgesprochen. Hierzu hat die Beklagte vorgetragen, die unstreitig beim Kläger vorliegende psychische Erkrankung schließe nach werks-ärztlicher Feststellung sowohl eine Beschäftigung als Main-Operator mit Fahr- und Steuertätigkeiten als auch die zuletzt ab Januar 2002 probeweise übertragene Tätigkeit als Reparatur-Koordinator aus. Angesichts des hohen Gefährdungspotentials der Produktionsanlagen, wo ständig mit hochexplosiven und brennbaren Stoffen gearbeitet werde, sei ein Einsatz des Klägers insbesondere unter Sicherheitsgesichtspunkten nicht mehr zu vertreten. Hierzu hat die Beklagte auf vorangehende Konflikte am Arbeitsplatz verwiesen, bei welchen sich erhebliche Defizite in der Zusammenarbeit und Kommunikation mit Vorgesetzten und Mitarbeitern gezeigt hätten, wobei es bereits zu unkontrollierten Verhaltensweisen des Klägers und einer Notabschaltung der Produktionsanlagen gekommen sei.
Wie unstreitig ist, wurde der Kläger nach dem Auftreten innerbetrieblicher Konflikte im Zeitraum November/Dezember 1999 in der Abteilung für Psychiatrie und Psychotherapie des S4. A3xxxxxx-H3xxxxxxx K4xxxxxxx behandelt. Die anschließend beabsichtigte stufenweise Wiedereingliederung in den bisherigen Einsatzbereich scheiterte daran, dass der Werksarzt die erforderliche Unbedenklichkeitsbescheinigung für den Einsatz mit Fahr- und Steuertätigkeiten nicht erteilte, worauf der Kläger zunächst im Produktionsumfeld und ab Januar 2002 probeweise als Reparatur-Koordinator eingesetzt wurde. Nachdem der Werksarzt mit Wirkung vom 01.03.2002 auch für diese Tätigkeit eine Arbeitsunfähigkeit attestierte, stellte die Beklagte den Kläger ab dem 21.03.2002 von der Arbeit frei und leitete das Kündigungs-verfahren ein.
Zur Begründung der Kündigung hat die Beklagte ausgeführt, unter den vorliegenden Umständen sei die Fortführung des Arbeitsverhältnisses ausgeschlossen. Wegen der bestehenden Erkrankung bestehe die Gefahr, dass der Kläger in beruflich oder privat veranlassten Stresssituationen die Kontrolle verliere, woraus sich eine Gefährdung für Mitarbeiter, Nachbarschaft und Anlagen ergebe. Diese Einschätzung sei auch ärztlicherseits (Bl. 58 ff. d.A.) durch den vom Integrationsamt beauftragten Gutachter D1. S5xxxx bestätigt worden. Soweit demgegenüber der Kläger geltend mache, die vorliegende psychische Erkrankung beruhe auf einer langjährigen Exposition giftiger Stoffe sowie auf Betriebsunfällen in den Jahren 1997 und 1999 mit massivem Lösungsmittelkontakt, sei dieser Erklärungsansatz weder medizinisch überzeugend, noch werde hierdurch die festgestellte mangelnde gesundheitliche Eignung des Klägers in Frage gestellt. Mangels geeigneter anderweitiger Einsatzmöglichkeiten verbleibe allein die Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Nach schriftlicher Anhörung des Betriebsrats (Bl. 38 ff. d.A.) und Einholung der Zustimmung des Integrationsamtes gemäß Bescheid vom 24.09.2002 (Bl. 32 d.A.) sei das Arbeitsverhältnis mit Ablauf der tariflich vorgesehenen dreimonatigen Kündigungsfrist mit dem 31.12.2002 beendet.
Demgegenüber hat der Kläger zum einen die ordnungsgemäße Anhörung des Betriebsrats bestritten und im Übrigen ...