Entscheidungsstichwort (Thema)
Aufwendungsersatzansprüche. Fälligkeit. Verfallfrist. Einbeziehung des einschlägigen Tarifvertrages. vertragliche Bezugnahmeklausel. Inhaltskontrolle der Bezugnahmeklausel. Inhaltskontrolle der tariflichen Verfallfrist. Urteil ohne Gründe. Zulässigkeit der Berufung
Leitsatz (redaktionell)
1. Liegt zum Zeitpunkt des Ablaufs der Berufungsbegründungsfrist kein ordnungsgemäßes, mit Entscheidungsgründen versehenes Urteil vor, genügt insoweit die Auseinandersetzung mit den hypothetischen Entscheidungsgründen, um den Anforderungen des § 520 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 ZPO zu genügen. Ist dies nicht möglich, kann mit der Berufung auch angegriffen werden, dass das arbeitsgerichtliche Urteil nicht mit Gründen versehen ist.
2. Ist im Arbeitsvertrag ausdrücklich eine Nachwirkung der tariflichen Bestimmungen vereinbart worden, kann sich der Kläger nicht darauf berufen, dass der Tarifvertrag ohne Nachwirkung geendet hätte.
3. Die Inbezugnahme sämtlicher Bestimmungen eines Tarifvertrags im Arbeitsvertrag der Parteien unterliegt grundsätzlich der Vertragskontrolle nach §§ 305 ff. BGB. Die Einbeziehung der tariflichen Regelungen ist nicht deshalb unwirksam, weil der Kläger möglicherweise den Inhalt des MTV nur unzureichend zur Kenntnis nahmen konnte. Verweisungen auf einschlägige Tarifverträge sind im Arbeitsleben als Gestaltungsinstrument so verbreitet, dass ihre Aufnahme in Formularverträge nicht überraschend ist. Eine Bezugnahmeklausel ist auch nicht mehrdeutig oder unklar i.S.v. § 305c Abs. 2 BGB, wenn sie auf sämtliche Bestimmungen des MTV in der jeweils gültigen Fassung verweist. Eine Verweisungsklausel benachteiligt den Kläger auch nicht unangemessen i.S.v. § 307 Abs. 1 S. 2 BGB, denn eine Klausel, die umfassend auf einen bestimmten Tarifvertrag verweist, ist nicht unklar oder unverständlich. Eine Verweisung auf Vorschriften eines anderen Regelungswerks führt noch nicht zur Intransparenz.
4. Die Rechtsprechung, wonach eine Frist für die schriftliche Geltendmachung von weniger als drei Monaten im Rahmen einer einzelvertraglichen Ausschlussfrist unangemessen kurz ist, gilt nicht für tarifliche Ausschlussklauseln, die arbeitsvertraglich in Bezug genommen sind. Wird in einem vorformulierten Arbeitsvertrag vollständig auf einen Tarifvertrag Bezug genommen, der für den Arbeitgeber bei Tarifbindung gelten würde, unterliegt dieser Tarifvertrag auch dann keiner Transparenzkontrolle nach § 307 Abs. 1 S. 2 BGB, wenn der Arbeitnehmer nicht Mitglied der tarifschließenden Gewerkschaft ist und der Tarifvertrag nur kraft Bezugnahme gilt. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus § 307 Abs. 3 S. 2 BGB. Die durch § 310 Abs. 4 S. 1 BGB erzeugte Privilegierung entfällt lediglich dann, wenn sich die arbeitsvertragliche Inbezugnahme auf einzelne Vorschriften eines Tarifvertrags beschränkt.
Normenkette
BGB §§ 305 ff, 305 Abs. 2, §§ 305c, 307 Abs. 1, 3, § 310 Abs. 4 Sätze 1, 3, § 670; ArbGG § 66 Abs. 1 S. 2; ZPO § 520 Abs. 3; Manteltarifvertrag Zeitarbeit (IGZ) vom 29.05.2003 § 10
Verfahrensgang
ArbG Bochum (Urteil vom 22.06.2010; Aktenzeichen 2 Ca 3099/09) |
Nachgehend
BAG (Aktenzeichen 9 AZN 902/11) |
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bochum vom 22.06.2010 – 2 Ca 3099/09 – wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über Aufwendungsersatzansprüche des Klägers gegenüber der Beklagten.
Der am 13.03.1970 geborene Kläger war aufgrund eines schriftlichen Arbeitsvertrages vom 01.08.2008 (Bl. 5 ff. d. A.) seit dem 11.08.2008 bei der Beklagten, einem Personaldienstleistungsunternehmen, als Bauleiter Mobilfunk zu einem monatlichen Bruttoverdienst von 3.000,00 EUR tätig. In § 1 des Arbeitsvertrages vom 01.08.2008 war unter anderem folgendes vereinbart:
„§ 1 Inhalt/Einbeziehung des Tarifvertrages/Beginn/Probezeit
Der Arbeitgeber überlässt seinen Kunden als Personaldienstleistungsunternehmen Mitarbeiter im Rahmen der Arbeitnehmerüberlassung. Die Erlaubnis nach den Vorschriften des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes gemäß Art. 1 § 1 des AÜG wurde von der Bundesagentur für Arbeit, Regionaldirektion Niedersachsen-Bremen, am 14.02.2006 erteilt.
Die Rechte und Pflichten der Arbeitsvertragsparteien bestimmen sich nach den zwischen dem Arbeitgeberverband IGZ und den DGB Gewerkschaften geschlossenen Tarifverträgen für die Zeitarbeitsbranche, bestehend aus dem Mantel-, Entgelt-, Entgeltrahmen- und Beschäftigungssicherungsvertrag in ihrer jeweils gültigen Fassung.
Sollten die vorbezeichneten Tarifverträge gekündigt werden oder in sonstiger Weise ihre Gültigkeit verlieren, ohne dass neue Tarifverträge an ihre Stelle treten, bestimmen sich die Rechte und Pflichten der Arbeitsvertragsparteien jeweils nach den zuletzt zwischen den Tarifvertragsparteien vereinbarten Fassungen.
Der Mitarbeiter wird zum 11.08.2008 unbefristet als Bauleiter Mobilfunk mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 40,00 Stunden eingestellt. Eventuell anfallende Mehrarbeit ist mit dem monatlich...