Entscheidungsstichwort (Thema)
Ordentliche Kündigung wegen Schlechtleistung. Darlegungslast des Arbeitgebers bei qualitativer Minderleistung. Fehlerquote, -häufigkeit des gekündigten Arbeitnehmers im Vergleich zu anderen Mitarbeitern. Weiterbeschäftigung
Leitsatz (redaktionell)
1. In der Rechtsprechung der Arbeitsgerichte ist anerkannt, dass auf Pflichtverletzungen beruhende Schlechtleistungen grundsätzlich geeignet sind, eine ordentliche Kündigung zu rechtfertigen.
2. Die Feststellung, ob eine Leistung als Schlechtleistung anzusehen ist, richtet sich einerseits nach dem vom Arbeitgeber durch Ausübung des Direktionsrechts festzulegenden Arbeitsinhalt und zum anderen nach dem persönlichen, subjektiven Leistungsvermögen des Arbeitnehmers. Der Arbeitnehmer muss tun, was er soll, und zwar so gut, wie er kann. Die Leistungspflicht des Arbeitnehmers ist nicht starr, sondern dynamisch und orientiert sich an der Leistungsfähigkeit des Arbeitnehmers. Ein objektiver Maßstab ist dabei nicht anzusetzen.
3. Es gelten die Regeln der abgestuften Darlegungs- und Beweislast und zwar nicht nur dann, wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer quantitative Minderleistungen vorwirft, sondern auch für den Fall der qualitativen Minderleistung.
Normenkette
KSchG § 1 Abs. 2; BGB §§ 611, 613, 242; GG Art. 1-2
Verfahrensgang
ArbG Münster (Urteil vom 12.03.2009; Aktenzeichen 1 Ca 57/09) |
Nachgehend
BAG (Aktenzeichen 9 AZN 1110/09) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Münster vom 12.03.2009 – 1 Ca 57/09 – wird zurückgewiesen.
Auf die Anschlussberufung des Klägers wird die Beklagte verurteilt, den Kläger bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den Feststellungsantrag zu den im Arbeitsvertrag vom 22.06.1998/21.12.2000 genannten Bedingungen als Einrichter in der Verpackung weiterzubeschäftigen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Beklagte zu tragen.
Die Revision zum Bundesarbeitsgericht wird nicht zugelassen.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren beträgt 19.264,– EUR.
Tatbestand
Die Parteien streiten in der Berufungsinstanz noch um die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung, um die Zahlung einer Jahresleistung sowie um die Weiterbeschäftigung des Klägers.
Der am 30.04.1972 geborene Kläger ist verheiratet und zwei Kindern zum Unterhalt verpflichtet, seit dem 01.07.1998 ist er bei der Beklagten, einem Betrieb der Pharmaindustrie mit ca. 630 Arbeitnehmern, aufgrund eines schriftlichen Arbeitsvertrages vom 22.06.1998 sowie einer Ergänzung vom 21.12.2000 (Bl. 7 ff. d. A.) als Einrichter in der Verpackungsabteilung zu einem monatlichen Bruttoverdienst von zuletzt 3.350,00 EUR beschäftigt.
Nachdem die Beklagte das mit dem Kläger bestehende Arbeitsverhältnis am 16.12.2005 fristlos gekündigt und die vom Kläger hiergegen erhobene Kündigungsschutzklage gemäß Urteil vom 16.05.2006 – 3 Ca 2958/05 Arbeitsgericht Münster – Erfolg gehabt hatte, wurde der Kläger, der von der Beklagten freigestellt worden war, seit dem 03.07.2006 wieder zu den bisherigen Arbeitsbedingungen weiterbeschäftigt.
Mit Schreiben vom 12.07.2006 (Bl. 111 d. A.) erteilte die Beklagte dem Kläger eine Abmahnung, weil der Kläger entgegen den Vorgaben aus der Verpackungsanweisung am 07.07.2006 ein falsches Verfallsdatum eingerichtet hatte, was dazu führte, dass auf den Faltschachteln das falsche Verfallsdatum aufgeprägt wurde.
Mit Schreiben vom 20.09.2007 (Bl. 118 d. A.) erhielt der Kläger eine weitere Abmahnung von der Beklagten, nachdem der Kläger am 13.09.2007 an einer Verpackungsmaschine Probleme in der Vereinzelung festgestellt, die Niederhalteplatte von der Blisterstanze ausgebaut, sie gesäubert und sie wieder eingebaut hatte. Der Wiedereinbau erfolgte jedoch fehlerhaft, sodass Blister zeitversetzt und unkorrekt ausgestanzt wurden.
Nach Erhalt der Abmahnung vom 20.09.2007 erhob der Kläger mit Schreiben vom 07.11.2007 (Bl. 182 d. A.) Gegenvorstellungen, auf die Bezug genommen wird.
Mit Schreiben vom 08.11.2007 (Bl. 120 d. A.) mahnte die Beklagte den Kläger erneut ab, weil der Kläger am 19.10.2007 seiner Dokumentationspflicht als Einrichter nicht hinreichend nachgekommen sei, indem er auf einem Verpackungsprotokoll die schriftliche Bestätigung unterlassen habe, dass er die Verpackungsanweisung gelesen und die dort enthaltenen Vorgaben während der Verpackung eingehalten habe.
Mit Schreiben vom 24.04.2008 (Bl. 131 f. d.A.) erhielt der Kläger eine weitere Abmahnung, weil in der Spätschicht vom 03.04.2008 ca. 24.000 Blister produziert wurden, bei denen in einem Vierertakt an einem Prägewerkzeug ein falsches Verfallsdatum eingebaut war. Ob der Kläger die Einrichtung dieser Maschine übernommen hatte und ob der Kläger bei ordnungsgemäßer Kontrollierung das fehlerhafte Verfallsdatum hätte feststellen müssen, ist zwischen den Parteien streitig.
Am 03.07.2008 war der Kläger in der Frühschicht verantwortlicher Einrichter für einen Verpackungsauftrag für das Produkt eines Kunden T1 G1 GmbH. Bei der Endkontrolle des Auftrages stellten Mitarbeiter der Beklagten fest, das...