Entscheidungsstichwort (Thema)
Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall. Abänderung des Geld- und Zeitfaktors durch eine tarifliche Regelung. Urlaubsentgelt. tarifliche Begrenzung der Urlaubsentgeltfortzahlung auf höchstens 48 Stunden wöchentlich
Leitsatz (amtlich)
Die Öffnungsklausel in § 4 Abs. 4 EFZG lässt zu, dass die Tarifvertragsparteien sowohl den Geld- als auch den Zeitfaktor der gesetzlichen Berechnungsweise des § 4 Abs. 1 EFZG abändern können.
Durch die Beschränkung der Entgeltfortzahlung auf den Vergütungsanspruch für höchstens 48 Stunden wöchentlich in § 7 Ziffer 4 des Manteltarifvertrags für die Arbeitnehmer in der Speditions-, Logistik- und Transportwirtschaft NRW vom 26.04.2005 wird der Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall nicht in seiner Substanz angetastet.
Die Begrenzung der Urlaubsentgeltzahlung auf höchstens 48 Stunden wöchentlich in § 9 Ziffer 9 Satz 2 MTV für gewerbliche Arbeitnehmer in der Speditions-, Logistik- und Trans-portwirtschaft NRW vom 26.04.2005 verstößt, soweit der gesetzliche Mindesturlaub beschränkt wird, gegen § 1 BUrlG.
Normenkette
EFZG § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1, 4, § 12; § 7 Ziff. 4 des Manteltarifvertrages für die Arbeitnehmer in der Speditions-, Logistik- und Transportwirtschaft NRW vom 26.04.2005; BGB § 611 Abs. 1; BUrlG §§ 1, 11 Abs. 1, § 13 Abs. 1; MTV vom 26.04.2005 für die gewerblichen Arbeitnehmer in der Speditions-, Logistik- und Transportwirtschaft NRW § 9 Ziff. 9 S. 2
Verfahrensgang
ArbG Bochum (Urteil vom 03.03.2006; Aktenzeichen 1 (3) Ca 2333/05) |
Nachgehend
BAG (Aktenzeichen 5 AZR 463/07) |
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Bochum vom 03.03.2006 – 1 (3) Ca 2333/05 – unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen teilweise abgeändert.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 687,83 EUR brutto zu zahlen nebst 5 % Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 31.07.2005.
Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Kläger zu ½ und der Beklagten zu ½ auferlegt.
Die Revision wird für beide Parteien zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall für die Zeit vom 01.07. bis 12.07.2005 und über Resturlaubsvergütungsansprüche für die Zeit vom 13.07. bis 29.07.2005 und für die Zeit vom 26.09. bis 30.09.2005.
Der am 04.10.1949 geborene Kläger ist seit dem 08.03.1977 bei der Beklagten als Kraftfahrer im Fernverkehr tätig. Die Beklagte betreibt ein Transportunternehmen und beschäftigt cirka 60 Arbeitnehmer, darunter 38 Kraftfahrer, von denen 25 im Fernverkehr tätig sind. Der Kläger ist Mitglied des für den Betrieb der Beklagten gewählten Betriebsrates.
Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien finden kraft beiderseitiger Tarifbindung die tariflichen Vorschriften für die gewerblichen Arbeitnehmer in der Speditions-, Logistik- und Transportwirtschaft NRW Anwendung, so auch der Manteltarifvertrag vom 26.04.2005 (MTV), in dem u.a. Folgendes geregelt ist:
§ 7
Freistellung und Entgeltfortzahlung
…
4. Arbeitnehmer haben Anspruch auf Entgeltfortzahlung nach den gesetzlichen Bestimmungen, höchstens jedoch für 48 Stunden wöchentlich.
…
§ 9
Urlaub
…
9. Die Urlaubsvergütung ist auf Verlangen bei Antritt des Urlaubs im Voraus zu zahlen. Das Urlaubsentgelt wird aufgrund der gesetzlichen Regelung, allerdings höchstens für 48 Stunden wöchentlich berechnet.
…
Die Beklagte zahlt an die Kraftfahrer im Fernverkehr pro Schicht einen Schichtlohn, der zum Zeitpunkt der Freistellung zu Urlaubszwecken, die Gegenstand des Rechtsstreits ist, 149,10 EUR betrug. Dieser Schichtlohn ist in der Betriebsvereinbarung vom 28.09.2002 festgehalten. Er basiert auf einer Arbeitszeit von 14,88 Stunden, die mit dem Tariflohn vergütet werden.
Mit Aushang vom 25.07.2005 teilte die Beklagte ihren Mitarbeitern u.a. Folgendes mit:
Als wesentliche Neuerung haben die Tarifvertragsparteien geregelt, dass der Anspruch der Arbeitnehmer auf Entgeltfortzahlung (z.B. im Krankheitsfall) und das Urlaubsentgelt entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen zu berechnen ist, allerdings höchstens für 48 Stunden wöchentlich. Dies entspricht bei fünf Arbeitstagen pro Woche einer maximalen Berechnungsgröße von 9,6 Stunden täglich. Diesen Grenzwert werden wir ab 01.07.2005 entsprechend anwenden, sofern die Durchschnittsberechnung nicht zu einem niedrigen Ergebnis führt. Von der Neuregelung sind sowohl die Mitarbeiter, deren Lohnabrechnungen auf Stundenbasis erfolgt als auch die Schichtlohnfernfahrer betroffen, da es sich beim Schichtlohn um die Vergütung einer pauschalen Stundenzahl auf Stundenlohnbasis handelt (15 Stunden bzw. seit der Kürzungsregelung aufgrund Betriebsvereinbarung vom 28.09.2002 noch 14,88 Stunden täglich.
Im Jahre 2005 erteilte die Beklagte dem Kläger insgesamt an folgenden Tagen Urlaub:
11.02.2005 |
1 Tag |
29.03.2005 bis 01.04.2005 |
4 Tage |
06.05.2005 |
1 Tag |
27.05.2005 |
1 Tag |
13.07.2005 bis 29.07.2005 |
13 Tage |
26.09.2005 bis 30.09.2005 |
5 Tage |
06.10.2005 bis 07.10.2005 |
2 Tage |
In der Zeit vom 01.07. bis 12.07.2005 war der Kläger arbeitsunfähig krank.
Die Beklagte rechnet...