Leitsatz (amtlich)
Zur Auslegung des Rationalisierungsbegriffs in § 13 I MTV Chemische Industrie
Verfahrensgang
ArbG Dortmund (Urteil vom 17.05.1995; Aktenzeichen 2 Ca 4367/94) |
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Dortmund vom 17.05.1995 – 7 Ca 4367/94 – teilweise abgeändert:
Die Klage wird auch hinsichtlich des verfolgten Abfindungsanspruchs abgewiesen.
Die Anschlußberufung der Klägerin wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Der Streitwert für den Berufungsrechtszug wird auf 25.581,84 DM festgesetzt.
Die Revision gegen das Urteil wird zugelassen, soweit es den verfolgten Abfindungsanspruch betrifft.
Tatbestand
Die Parteien streiten im Berufungsrechtszuge in erster Linie um einen tariflichen Abfindungsanspruch wegen einer Rationalisierungsmaßnahme; ferner macht die im ersten Rechtszuge insoweit unterlegene Klägerin im Wege der Hilfsanschlußberufung Ansprüche auf Wiedereinstellung und Schadensersatz geltend.
Die Klägerin war seit dem Jahre 1982 bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin als Pharmaberaterin für den Bezirk S. gegen ein monatliches Bruttoentgelt von zuletzt 6.310,– DM beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien fanden nach dem Inhalt des Arbeitsvertrages die tariflichen Bestimmungen der chemischen Industrie Anwendung. Das Arbeitsverhältnis der Parteien endete aufgrund ordentlicher, betriebsbedingter Kündigung mit Ablauf des 31.12.1993, welche die Klägerin nicht gerichtlich angegriffen hat.
Mit ihrer Klage hat die Klägerin im ersten Rechtszuge vorrangig ihre Wiedereinstellung als Pharmaberaterin aufgrund einer entsprechenden Zusage ihres Vorgesetzten und unter dem Gesichtspunkt des Schadensersatzes geltend gemacht sowie entgangene Arbeitsvergütung eingeklagt. Hilfsweise hat sie von der Beklagten die Zahlung einer tariflichen Abfindung in Höhe eines Monatsverdienstes gemäß § 13 MTV Chemische Industrie verlangt.
Durch Urteil vom 17.05.1995 (Bl. 109 ff d.A.), auf welches wegen des weiteren erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes Bezug genommen wird, hat das Arbeitsgericht die Beklagte antragsgemäß zur Zahlung der tariflichen Abfindung verurteilt, das weitergehende Klagebegehren auf Wiedereinstellung und Schadensersatz hingegen abgewiesen. Zur Begründung ist im wesentlichen ausgeführt worden, der verfolgte Wiedereinstellungsanspruch könne weder auf eine vertragliche Zusage des Außendienstleiters R. noch auf den Gesichtspunkt des Schadensersatzes gestützt werden. Allein die – als wahr unterstellte – Erklärung des Herrn R. er rate der Klägerin von der Erhebung einer Kündigungsschutzklage ab, weil der Chef gesagt habe, die guten Leute würden, wenn sich die Lage bis zum Ende des Jahres bessere, wieder eingestellt, könne nicht als verbindliches Angebot zum Abschluß eines Vertrages angesehen werden. Ebensowenig könne davon ausgegangen werden, daß die Klägerin aufgrund dieser Äußerung von der Erhebung einer Kündigungsschutzklage abgehalten worden sei. Ein tariflicher Anspruch auf Wiedereinstellung gemäß § 13 des Manteltarifvertrages der chemischen Industrie scheitere schon daran, daß dieser eine Wiederbesetzung des Arbeitsplatzes voraussetze. Mangels Wiedereinstellungsanspruchs könne die Klägerin auch keinen Schadensersatz wegen unterbliebener Wiedereinstellung verlangen. Demgegenüber stehe der Klägerin ein Abfindungsanspruch gemäß § 13 MTV zu. Die Umorganisation des Außendienstes, welche zur Entlassung der Klägerin geführt habe, stelle sich als Rationalisierungsmaßnahme im Sinne der tariflichen Vorschrift dar. Soweit die tarifliche Vorschrift vom Begriff der abfindungspflichtigen Rationalisierungen solche Maßnahmen ausnehme, welche „unmittelbar durch Absatzrückgang bedingt” seien, greife dieser Ausnahmetatbestand hier nicht ein. Der von der Beklagten behauptete Absatzrückgang führe nämlich nicht ohne weiteres zur Reduzierung des Außendienstes, vielmehr beruhe die Umorganisation auf der Entscheidung, wegen der mit dem Absatzrückgang verbundenen Einnahmeverringerung die Kosten entscheidend zu senken. Aufgrund dessen bestehe zwar ein mittelbarer, nicht jedoch ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen Absatzrückgang und Umorganisation.
Gegen das ihr am 21.07.1995 zugestellte Urteil richtet sich die am 18.08.1995 eingelegte und am 29.08.1995 begründete Berufung der Beklagten, mit welcher sie die vollständige Klageabweisung begehrt. Unter Wiederholung ihres erstinstanzlichen Vorbringens wendet sie sich gegen die Auffassung des Arbeitsgerichts, die Umorganisation des Außendienstes stelle sich als abfindungspflichtige Rationalisierungsmaßnahme dar. Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts fehle es bereits an einer Rationalisierungsmaßnahme im Sinne des Tarifvertrages; erst recht könne nicht von einem bloß mittelbaren Zusammenhang zwischen Umorganisation und Entlassung der Klägerin ausgegangen werden.
Der – unstreitige – Sachverhalt, daß das bislang von der Klägerin bereiste Gebi...