Entscheidungsstichwort (Thema)
Auslegung einer formularmäßigen Vergütungsregelung "Arbeitnehmer erhält eine Vergütung nach der Entgeltgruppe 6/Stufe 2 des TVöD. Der Stundenlohn beläuft z. Z. 12,07 € brutto". Umfang einer solchen Bezugnahmeklausel. Zulässigkeit der Regelung der Arbeitsbedingungen in einer Betriebsvereinbarung durch Verweisung auf einzelne Tarifnormen (u.a. tarifliche Verfallfristen) und Regelungssperre zugunsten der Tarifautonomie, § 77 Abs. 3 BetrVG.. Auslegung einer formularmäßigen Vergütungsregelung. Voraussetzungen für die Annahme eienr statischen Verweisung
Leitsatz (redaktionell)
Enthält ein Arbeitsvertrag die Regelung, dass der Arbeitnehmer nach einer bestimmten Lohngruppe eines Tarifvertrags vergütet werden soll, liegt eine dynamische Verweisung vor, wenn kein bestimmter Tarifvertrag konkret nach Datum und Gegenstand eindeutig bezeichnet ist.
Normenkette
BetrVG § 73; BGB § 611 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Münster (Entscheidung vom 10.05.2011; Aktenzeichen 3 Ca 1571/10) |
Nachgehend
Tenor
1.
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Münster vom 10.05.2011 - 3 Ca 1571/10 - wird zurückgewiesen und das Urteil des Arbeitsgerichts Münster vom 10.05.2012 zur Klarstellung in der Hauptsache wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger
für das Jahr 2007 269,82 € brutto und 6,61 € an steuerfreien Zuschlägen nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.01.2008,
für das Jahr 2008 2.357,77 € brutto und 79,22 € steuerfreie Zuschläge nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.01.2009,
für das Jahr 2009 3.206,47 € brutto und 171,01 € an steuerfreien Zuschlägen nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.01.2010 und
für das Jahr 2010 3.445,75 € brutto und 22,57 € steuerfreie Zuschläge nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.01.2011 zu zahlen.
2.
Die Kosten des Rechtsstreits werden der Beklagten zu 61 % und dem Kläger zu 39 % auferlegt.
3.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um Restvergütungsansprüche des Klägers, wobei hauptsächlich die Frage streitig ist, ob die Beklagte zur Weitergabe der Tariflohnerhöhungen und zur Berücksichtigung der Stufenaufstiege bei der Berechnung der Vergütungshöhe verpflichtet ist.
Die Beklagte, bei der ein Betriebsrat existiert, ist mit der Durchführung von Veranstaltungsaufgaben, insbesondere Tagungen, Kongressen, öffentlichen Veranstaltungen und Festen, Märkten sowie Ausstellungen und Messen befasst. Sie könnte aufgrund der mehrheitlichen Beteiligung der Stadt M1 Mitglied im Kommunalen Arbeitgeberverband NRW (KAV NW) nach § 3 Nr. 1 b der Satzung des KAV NW sein.
Der Kläger, der mit Geburtsnamen S1 heißt, ist bei der Beklagten seit dem 01.09.2005 als Hausmeister bzw. Techniker im Geschäftsbereich Hallentechnik beschäftigt. Der ursprüngliche Arbeitsvertrag zwischen den Parteien vom 29.06.2005 (Bl. 242, 243 d.A.) enthielt hinsichtlich der Vergütung folgende Regelung:
"§ 3 Vergütung
Herr S1 erhält eine Vergütung nach Lohngruppe IV. Der Stundenlohn beläuft sich z. Z. auf 12,07 €."
Mit Schreiben vom 20.10.2005 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass der BMT-G mit Wirkung zum 01.10.2005 in den TVöD übergeleitet wurde, sodass er ab dem 01.10.2005 in Anlehnung an den TVöD in die Entgeltgruppe 6/Stufe 2 eingruppiert wird. Wegen der Einzelheiten dieses Schreibens nebst der Anlage dazu wird auf Bl. 127, 128 d. A. Bezug genommen.
In der Folgezeit schlossen die Parteien unter dem 22.03.2006 einen neuen Arbeitsvertrag ab, der u.a. folgende Regelungen enthält:
"§ 3 Vergütung
Herr S1 erhält eine Vergütung nach der Entgeltgruppe 6 / Stufe 2 des TVöD. Der umgerechnete Stundenlohn beläuft sich z. Z. auf 12,07 €."
§ 4 Rechte und Pflichten
Die vertragsschließenden Parteien sind sich darüber einig, dass sich sowohl alle übrigen Rechte als auch die Pflichten aus dem Beschäftigungsverhältnis nach den Bestimmungen der für die Halle M2 jeweils gültigen Betriebsvereinbarung richten, die somit Grundlage dieses Arbeitsvertrages ist."
Der Kläger war langjähriges Betriebsratsmitglied. Zwischen den Parteien war beim Arbeitsgericht Münster eine Reihe von Verfahren anhängig, unter anderem wegen Abmahnung und Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrats zur geplanten fristlosen Kündigung des Arbeitsverhältnisses mit dem Kläger. In diesem Zusammenhang war der Kläger vom 13.11.2009 bis zum 20.08.2010 von der Verpflichtung zur Erbringung der Arbeitsleistung freigestellt. Der Zustimmungsersetzungsantrag der Beklagten hatte keinen Erfolg bzw. erledigte sich durch das Ausscheiden des Klägers als aktives Betriebsratsmitglied.
Die in § 4 des Arbeitsvertrages erwähnten Betriebsvereinbarungen enthielten seit vielen Jahren Regelungen zum Inhalt der Arbeitsverhältnisse der bei der Beklagten beschäftigten Arbeitnehmer. Zuletzt schlossen die Betriebsparteien insoweit am 08.02.2001 eine Be...