Die Revision wird zugelassen
Entscheidungsstichwort (Thema)
Ungleiche Kündigungsfristen für Arbeitnehmer- und Arbeitgeberkündigung. Geltung der längeren Frist
Leitsatz (amtlich)
Vereinbaren die Arbeitsvertragsparteien entgegen § 622 Abs. 6 BGB für die Kündigung durch den Arbeitnehmer eine längere Frist als für die Kündigung durch den Arbeitgeber, so tritt an die Stelle der unwirksamen Vereinbarung analog zu § 89 Abs. 2 HGB die längere Kündigungsfrist.
Normenkette
BGB § 622 Abs. 6, § 615
Verfahrensgang
ArbG Hamm (Urteil vom 31.10.2003; Aktenzeichen 1 Ca 2262/03) |
Nachgehend
Tenor
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hamm vom 31.10.2003 – 1Ca 2262/03 – wird auf Kosten des Beklagten zurückgewiesen.
Tatbestand
Mit ihrer Klage verlangt die Klägerin, welche aufgrund schriftlichen Arbeitsvertrages vom 01.07.2001 (Blatt 5 ff. d.A.) als Arzthelferin in der Arztpraxis des Beklagten beschäftigt war, im Zusammenhang mit einer arbeitgeberseitigen Kündigung vom 14.06. zum 31.07.2003 die Zahlung von Arbeitsvergütung für die Monate August und September 2003 unter dem Gesichtspunkt des Annahmeverzuges.
Zur Begründung führt die Klägerin aus, die im Arbeitsvertrag enthaltene unterschiedliche Regelung der Kündigungsfristen für Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite – die vereinbarte Kündigungsfrist für die arbeitnehmerseitige Kündigung ist länger als für die arbeitgeberseitige Kündigung – verstoße gegen die Vorschriften des § 622 Abs. 6 BGB. Entgegen der Auffassung des Beklagten führe die Unwirksamkeit der vertraglichen Regelung nicht dazu, dass für beide Seiten die kürzere Kündigungsfrist maßgeblich sei, vielmehr müsse der Beklagte die für die arbeitnehmerseitige Kündigung vorgesehene Frist von sechs Wochen zum Quartal einhalten, weshalb das Arbeitsverhältnis bis zum 30.09.2003 fortbestanden habe. Dementsprechend schulde der Beklagte unter dem Gesichtspunkt des Annahmeverzuges für die Monate August und September jeweils die vereinbarte Vergütung von 816,00 EUR brutto.
Durch Urteil vom 31.10.2003 (Blatt 25 ff. d.A.), auf welches wegen des weiteren erstinstanzlichen Parteivorbringens und der beiderseitigen Rechtsausführungen Bezug genommen wird, hat das Arbeitsgericht den Beklagten antragsgemäß zur Zahlung von 1.632,00 EUR nebst Zinsen verurteilt.
Mit seiner rechtzeitig eingelegten und begründeten Berufung begehrt der Beklagte weiterhin die Abweisung der Klage und beantragt,
in Abänderung des arbeitsgerichtlichen Urteils die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung des Beklagten bleibt ohne Erfolg.
I
Zutreffend hat das Arbeitsgericht erkannt, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis erst mit Ablauf des 30.09.2003 sein Ende gefunden hat, so dass der Klägerin unter dem Gesichtspunkt des Annahmeverzuges die vertragsgemäße Vergütung zusteht. Über die Höhe der Forderung besteht kein Streit.
1. Dass die im Arbeitsvertrag enthaltene unterschiedliche Regelung der Kündigungsfristen gegen die Vorschrift des § 622 Abs. 6 BGB verstößt und deshalb unwirksam ist, stellt auch der Beklagte nicht Abrede.
2. Entgegen der Auffassung des Beklagten folgt hieraus nicht, dass an die Stelle der unwirksamen vertraglichen Regelung die (kürzere) gesetzliche Kündigungsfrist tritt. Vielmehr war vom Beklagten dieselbe – längere – Kündigungsfrist einzuhalten, wie sie für eine Kündigung von Seiten der Klägerin vorgesehen war.
a) Das Arbeitsgericht hat seine Entscheidung vorrangig auf den Gesichtspunkt der ergänzenden Vertragsauslegung gestützt und hierbei darauf abgestellt, im Zweifel sei anzunehmen, dass bei ungleichen Kündigungsfristen zu Ungunsten des Arbeitnehmers für beide Teile die längere Frist gelte, sofern nicht eindeutige Anhaltspunkte dafür vorlägen, dass die beiderseitige Geltung der kürzeren Frist auch für den Arbeitnehmer vorteilhaft sei.
b) Die Feststellung des hypothetischen Vertragswillens stößt in Fällen der vorliegenden Art auf folgendes Problem: Unabhängig von der Arbeitgeberoder Arbeitnehmerrolle wird im Zweifel diejenige Partei, welche die Beendigung des Arbeitsverhältnisses anstrebt, auf eine kurze Kündigungsfrist Wert legen, wohingegen der Kündigungsempfänger an der Einhaltung einer längeren Kündigungsfrist interessiert sein wird. Das Merkmal des hypothetischen Parteiwillens erscheint deshalb als ambivalent. Wegen der situationsabhängigen Gegenläufigkeit der Interessenlage liegt deshalb aus der Sicht der Kammer ein Rückgriff auf den gesetzlichen Beurteilungsmaßstab des § 89 Abs. 2 Satz 2 HGB näher (so z. B. auch Stahlhacke/Preis/Vossen, Kündigung und Kündigungsschutz im Arbeitsverhältnis, 8. Aufl., Rz 522 m.w.N.; APS-Linck § 622 BGB Rz 185). Die genannte Vorschrift ordnet – unabhängig vom festgestellten oder hypothetischen Parteiwillen – für die Rechtsverhältnisse der Handelsvertreter in vergleichbaren Fällen die Geltung der längeren Kündigungsfrist an. Soweit im S...