Die Revision wird zugelassen.
Entscheidungsstichwort (Thema)
Kündigung / Rationalisierung / Vermeidbarkeit der Kündigung / Vorhersehbarkeit des künftigen Leiharbeitnehmereinsatzes / Sozialauswahl zwischen Angestellten und gewerblichen Arbeitnehmern
Leitsatz (amtlich)
1. Entfällt der Bedarf für die Beschäftigung des Arbeitnehmers am bisherigen Arbeitsplatz, so hat der Arbeitgeber zur Vermeidung einer Kündigung dem Arbeitnehmer auch geringerwertige Tätigkeiten anzubieten, sofern im Zeitpunkt der Kündigung bereits ein entsprechender Beschäftigungsbedarf absehbar ist. Die bloße Möglichkeit oder Wahrscheinlichkeit eines solchen künftigen Beschäftigungsbedarfs ist hierfür jedoch nicht ausreichend. Allein die Tatsache, dass der Arbeitgeber weiträumig die Zustimmung des Betriebsrats zum Einsatz von Leiharbeitnehmern einholt, genügt jedenfalls dann nicht für die Prognose einer künftigen Beschäftigungsmöglichkeit, wenn im Betrieb nicht auf Lager, sondern nur aufgrund kurzfristiger Zuweisung von Aufträgen innerhalb des Konzerns produziert wird.
2. Der unterschiedliche rechtliche Status von Angestellten und gewerblichen Arbeitnehmern steht einer (Austauschbarkeit) aufgrund des Direktionsrechts bei der Sozialauswahl entgegen.
Normenkette
KSchG § 1; BetrVG § 112
Verfahrensgang
ArbG Bochum (Urteil vom 30.08.2002; Aktenzeichen 1 Ca 2551/01) |
Nachgehend
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bochum vom 30.08.2002 – 1 Ca 2951/01 – wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer betriebsbedingten Kündigung vom 15.10. zum 30.11.2001.
Diese Kündigung stützt die Beklagte, welche am Standort B3xxxx Mobiltelefone produziert, auf den Vortrag, durch Stilllegung von 8 von vormals 17 Produktionslinien sei der Beschäftigungsbedarf für die in der Produktion eingesetzten Reparateure anteilig entfallen. Andere zumutbare Beschäftigungsmöglichkeiten seien nicht vorhanden, insbesondere sei im Kündigungszeitpunkt der Bedarf für den Einsatz von Leiharbeitnehmern im Bereich der Helfertätigkeiten für die Zeit nach Ablauf der Kündigungsfrist nicht absehbar gewesen. Die Sozialauswahl beschränke sich auf den Kreis der in der Produktion eingesetzten, als gewerbliche Arbeitnehmer eingestellten Reparateure, welche weder rechtlich noch nach den maßgeblichen Arbeitsplatzanforderungen mit den als Angestellten beschäftigten Mitarbeitern im Service-Center vergleichbar seien.
Durch Urteil vom 30.08.2002 (Bl. 253 d.A.), auf welches wegen des weiteren erstinstanzlich vorgetragenen Parteivorbringens Bezug genommen wird, hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung ist im Wesentlichen ausgeführt worden, die Kündigung scheitere weder an den Erfordernissen der Betriebsratsanhörung noch sei sie sozial ungerechtfertigt. In der Reduzierung der Produktionslinien liege eine hinzunehmende unternehmerische Entscheidung, welche den Bedarf für eine entsprechende Anzahl von Reparateuren entfallen lasse. Die Tatsache, dass die Beklagte für das Weihnachtsgeschäft befristete Leiharbeitnehmer eingestellt habe, stehe der Kündigung nicht entgegen, da diese nicht – wie der Kläger – auf -Arbeitsplätzen der Vergütungsgruppe HAFA 1 eingesetzt worden seien. Soweit es die vom Kläger behauptete Leistung von Überstunden betreffe, habe die Beklagte zutreffend auf die bestehen Arbeitszeitkonten hingewiesen. Ebenso wenig habe die Kündigung durch Weiterbeschäftigung des Klägers auf einem freien Arbeitsplatz vermieden werden können. Weder habe der Kläger einen solchen benannt, noch liege ein hierauf gestützter Widerspruch des Betriebsrats vor. Schließlich sei auch die getroffene Sozialauswahl nicht zu beanstanden. Mit dem Kläger vergleichbar seien allein die in den vier Produktionsbereichen eingesetzten Arbeitnehmer der Vergütungsgruppe HAFA 1. Demgegenüber sei der Kläger nach der arbeitsvertraglich vereinbarten Umsetzungsklausel nur im Bereich der Produktion, nicht hingegen ohne Vertragsänderung im Service-Center bei der Reparatur von Kundengeräten einzusetzen, zumal die dort tätigen Techniker im Angestelltenverhältnis stünden. Innerhalb der Gruppe der HAFA 1-Kräfte sei nach der erstellten Punktetabelle niemand weniger schutzwürdig als der Kläger.
Mit seiner rechtzeitig eingelegten und begründeten Berufung wendet sich der Kläger umfassend und mit vertiefter Begründung gegen den Standpunkt des arbeitsgerichtlichen Urteils und führt aus:
Zunächst stehe der Wirksamkeit der Kündigung schon die Tatsache entgegen, dass die Beklagte die in der zwischen der Beklagten und dem Gesamtbetriebsrat vereinbarten Gesamtbetriebsvereinbarung vom 10.07.2001 (Bl. 122 d.A.) vorgesehenen Maßnahmen zur Vermeidung von Kündigungen nicht ausgeschöpft habe. Dies betreffe zunächst den Abbau von Überstunden, den Einsatz von Leiharbeitnehmern und die Verlängerung befristeter Arbeitsverträge im Dezember 2001. Allein der Umstand, dass die örtlichen Betriebsparteien bei Absch...