Entscheidungsstichwort (Thema)
Gratifikation, tariflich Fälligkeit der tariflichen Gratifikation bei Kündigung und anschließendem Kündigungsschutzverfahren fristgerechte schriftliche und gerichtliche Geltendmachung der tariflichen Gratifikation nach BRTV-Bau
Leitsatz (amtlich)
Mit der Erhebung einer Kündigungsschutzklage macht ein Arbeitnehmer in aller Regel auch tarifliche Gratifikationsansprüche schriftlich geltend, die vom Ausgang eines Kündigungsschutzprozesses abhängen.
Die Erhebung einer Kündigungsschutzklage ersetzt bei einer zweistufigen Verfallklausel (hier § 16 BRTV-Bau) nicht die vorgeschriebene gerichtliche Geltendmachung für Zahlungsansprüche.
Nach § 16 Ziff. 2 und 3 BRTV-Bau braucht ein Arbeitnehmer, der fristgerecht Kündigungsschutzklage erhoben hat, jedoch nicht solche Gratifikationsansprüche während des laufenden Kündigungsschutzverfahrens gerichtlich geltend zu machen, die – nach Beendigung des Kündigungsschutzverfahrens – anteilig bis zum Beendigungszeitpunkt entstehen und zum Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses fällig werden. Auch für solche Ansprüche ist die Einhaltung der Frist zur gerichtlichen Geltendmachung von zwei Monaten nach Beendigung des Kündigungsschutzrechtsstreits ausreichend.
Normenkette
BGB § 611; BRTV-Bau § 16; TV § 2; TV 13. ME Baugewerbe § 6
Verfahrensgang
ArbG Bielefeld (Entscheidung vom 12.05.1999; Aktenzeichen 3 Ca 168/99) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bielefeld vom 12.05.1999 – 3 Ca 168/99 – wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Die Revision zum Bundesarbeitsgericht wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Zahlung eines anteiligen tariflichen 13. Monatseinkommens.
Der Kläger war seit längerer Zeit bei der Beklagten, die ein Tiefbauunternehmen betreibt, als Arbeitnehmer zu einem Stundenlohn von zuletzt 20,88 DM brutto tätig. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien fand kraft Allgemeinverbindlichkeitserklärung der Bundesrahmentarifvertrag für das Baugewerbe Anwendung. Darüber hinaus zahlte die Beklagte an ihre Mitarbeiter seit Jahren aufgrund betrieblicher Übung ein 13. Monatseinkommen nach den Bestimmungen des Tarifvertrages über die Gewährung eines 13. Monatseinkommens im Baugewerbe.
Am 13.02.1998 kündigte die Beklagte das mit dem Kläger bestehende Arbeitsverhältnis aus betriebsbedingten Gründen zum 31.03.1998. Der Kläger erhob hiergegen fristgerecht Kündigungsschutzklage zum Arbeitsgericht. Mit Schriftsatz vom 23.03.1998 beantragte die Beklagte im Kündigungsschutzverfahren Klageabweisung. Im Kammertermin vom 25.11.1998 schlossen die Parteien daraufhin einen gerichtlichen Vergleich, wonach unter anderem das Arbeitsverhältnis aus betriebsbedingten Gründen mit Ablauf des 31.03.1998 sein Ende gefunden hatte.
Mit Schreiben vom 18.12.1998 machte der Kläger die Zahlung eines anteiligen 13. Monatseinkommens nach den Bestimmungen des Tarifvertrages über die Gewährung eines 13. Monatseinkommens im Baugewerbe – TV 13. ME – geltend. Die Beklagte lehnte die begehrte Zahlung mit Schreiben vom 30.12.1998 ab. Daraufhin erhob der Kläger am 22.01.1999 die vorliegende Klage zum Arbeitsgericht.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, ihm stehe ein anteiliger Anspruch auf Zahlung des tariflichen 13. Monatseinkommens nach § 2 Abs. 3 TV 13. ME in Höhe von 4/12 zu. Der Anspruch sei auch nicht nach § 16 BRTV-Bau verfallen.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 904,80 DM brutto nebst 4 % Zinsen seit dem 01.01.1999 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat die Auffassung vertreten, der Anspruch sei verfallen. Zwar habe der Kläger seinen Anspruch rechtzeitig im Sinne des § 16 Ziffer 1 BRTV-Bau mit Erhebung der Kündigungsschutzklage schriftlich geltend gemacht; mit dem Antrag auf Abweisung der Kündigungsschutzklage vom 23.03.1998 habe die Beklagte die Forderung aber abgelehnt. Der Kläger sei daher gehalten gewesen, seinen vermeintlichen Zahlungsanspruch innerhalb von zwei Monaten nach dieser Ablehnung gerichtlich geltend zu machen. Diese Frist habe der Kläger nicht eingehalten.
Auf die Regelung in § 16 Ziffer 2 Satz 2 BRTV-Bau könne der Kläger sich nicht berufen, da der mit der Klage geltend gemachte Zahlungsanspruch gerade nicht vom Ausgang des Kündigungsschutzprozesses abhängig gewesen sei. Der Anspruch sei nach § 6 Abs. 2 TV 13. ME bereits bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses am 31.03.1998 fällig gewesen, nicht erst mit Abschluß des Vergleichs im Kündigungsschutzverfahren.
Durch Urteil vom 12.05.1999 hat das Arbeitsgericht der Klage stattgegeben und zur Begründung ausgeführt, der dem Grunde und der Höhe nach unstreitige Anspruch sei nicht nach § 16 BRTV-Bau verfallen. Der Kläger habe seinen Anspruch auf Gewährung der anteiligen tariflichen Leistung mit der Kündigungsschutzklage fristgerecht geltend gemacht. Zwar ersetze die Kündigungsschutzklage nicht die gerichtliche Geltendmachung, der Kläger habe aber den tariflichen Anspruch nach § 16 Ziff. 2 Satz 2 BRTV-Bau erst zwei Mona...