Entscheidungsstichwort (Thema)
Tarifliche Vergütung von Bereitschaftsdienst in einem Pflegeheim bei Wechsel von Zeiten “regelmäßiger„ Arbeit mit Zeiten einer Bereitschaftspflicht
Leitsatz (redaktionell)
1. Gemäß § 13a Abs. 1 TV-AWO NRW üben Beschäftigte in Heimen, die überwiegend pflegerisch tätig sind oder denen überwiegend die Betreuung oder Erziehung untergebrachter Personen obliegt, Bereitschaftsdienst aus, wenn sie verpflichtet sind, sich auf Anordnung des Arbeitgebers außerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit an einer vom Arbeitgeber bestimmten Stelle aufzuhalten haben, um im Bedarfsfall die Arbeit aufzunehmen.
2. Bereitschaftsdienst gemäß § 13a Abs. 1 TV-AWO NRW wird nur in den Zeiten ausgeübt, für die keine Pflicht zur Ableistung von Vollarbeit besteht. Mit der Formulierung “außerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit„ wird kein bestimmter Aspekt zur zeitlichen Lage des Bereitschaftsdienstes angesprochen, insbesondere nicht in der Weise, dass der Bereitschaftsdienst vor oder hinter einem Block von Vollarbeit liegen muss, die innerhalb der “regelmäßigen„ Arbeitszeit zu erbringen ist.
3. Bereitschaftsdienst gemäß § 13a Abs. 1 TV-AWO NRW kann auch dann vorliegen, wenn sich Zeiten der “regelmäßigen„ Arbeit mit solchen des Bestehens lediglich einer Verpflichtung zur Bereitschaft abwechseln.
Normenkette
BGB § 611a Abs. 2; PflegeArbbV § 2 Abs. 1; TV-AWO NRW § 13a
Verfahrensgang
ArbG Bielefeld (Entscheidung vom 13.06.2017; Aktenzeichen 7 Ca 449/17) |
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bielefeld vom 13.06.2017 - AZ. 7 Ca 449/17 - wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Klägerin.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über Zahlungsansprüche aus einem zwischen ihnen begründeten Arbeitsverhältnis.
Die 1981 geborene Klägerin ist seit dem 08.03.2012 bei dem beklagten Verein als Nachtbereitschaft in Nebentätigkeit beschäftigt. Im Arbeitsvertrag vom 08.03.2012 vereinbarten die Parteien eine monatliche Vergütung in Höhe von 450,00 € brutto.
§ 4 des Arbeitsvertrages lautet:
"Dauer und Vergütung
Der Bereitschaftsdienst beginnt um 19:45 Uhr und endet am nächsten Morgen um 07:45 Uhr.
Drei Stunden des Bereitschaftsdienstes gelten arbeitsrechtlich als normale Arbeitszeit. Sie werden mit EG KR 7 a, Stufe 2 pro Stunde vergütet. Es erfolgt keine gesonderte Auszahlung von Zeitzuschlägen, da diese in die Berechnung des Stundensatzes mit eingeflossen sind.
Die übrigen neun Stunden gelten als reiner Bereitschaftsdienst und werden insgesamt pauschal mit je 45,00 € vergütet. (...)"
Wegen der weiteren Einzelheiten des Arbeitsvertrages wird auf Bl. 6 ff. der Akte verwiesen.
Auf das Arbeitsverhältnis finden der Tarifvertrag für die Arbeiterwohlfahrt in Nordrhein-Westfalen (TV AWO NRW) sowie die Pflegearbeitsbedingungenverordnung (in der Fassung vom 15.07.2010 für den Zeitraum von Juni 2014 bis Dezember 2014 sowie in der Fassung vom 27.11.2014 für Ansprüche aus den Jahren 2015 und 2016) Anwendung. Diese enthält in der Fassung vom 27.11.2014 in § 2 Abs. 3 folgende Regelung:
"(3)
Das nach Absatz 1 maßgebliche Mindestentgelt ist für Zeiten des Bereitschaftsdienstes gemäß nachstehender Grundsätze zu zahlen. Bereitschaftsdienste im Sinne dieser Verordnung leisten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die sich auf Anordnung des Arbeitgebers außerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit an einer vom Arbeitgeber bestimmten Stelle aufhalten, um im Bedarfsfall die Arbeit aufzunehmen, wenn zu erwarten ist, dass zwar Arbeit anfällt, erfahrungsgemäß aber die Zeit ohne Arbeitsleistung mindestens 75 Prozent beträgt. Sie sind im Dienstplan zu hinterlegen. Zum Zwecke der Entgeltberechnung kann die Zeit des Bereitschaftsdienstes einschließlich der geleisteten Arbeit auf der Grundlage einer kollektivrechtlichen oder einer schriftlichen einzelvertraglichen Regelung mit mindestens 25 Prozent als Arbeitszeit bewertet werden. "
Ab dem 01.07.2013 betrug das Mindestentgelt gemäß Pflegearbeitsbedingungenverordnung 9,00 Euro je Stunde, ab dem 01.01.2015 9,40 € je Stunde und ab dem 01.01.2016 9,75 € je Stunde.
Die Klägerin machte gegenüber dem beklagten Verein Ansprüche auf ein Mindestentgelt, beginnend mit dem Monat Juni 2014, erfolglos schriftlich geltend.
Mit ihrer am 27.02.2017 beim Arbeitsgericht erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihre Ansprüche weiter.
Sie hat die Ansicht vertreten, für den Zeitraum Juni 2014 bis Dezember 2014 Anspruch auf Vergütung gemäß den Bestimmungen der Pflegearbeitsbedingungenverordnung für insgesamt 161,5 Stunden Bereitschaftsdienst gegenüber dem beklagten Verein zu haben. Danach bestehe ein Anspruch in Höhe eines Differenzbetrages von 4,00 Euro je Bereitschaftsdienststunde, insgesamt also 646,00 € brutto. Für das Jahr 2015 habe sie demnach Anspruch auf weitere Vergütung für 342 Bereitschaftsdienststunden gegenüber dem beklagten Verein. Es ergebe sich insoweit eine Differenz i.H.v. 4,40 € je Stunde, insgesamt daher 1.504,80 € brutto. Für das Jahr 2016 bestehe ein Anspruch auf weitergeh...