Entscheidungsstichwort (Thema)
Tarifliche Vergütung von Bereitschaftsdienst in einem Pflegeheim bei Wechsel von Zeiten “regelmäßiger„ Arbeit mit Zeiten einer Bereitschaftspflicht
Leitsatz (redaktionell)
1. Gemäß § 13a Abs. 1 TV-AWO NRW üben Beschäftigte in Heimen, die überwiegend pflegerisch tätig sind oder denen überwiegend die Betreuung oder Erziehung untergebrachter Personen obliegt, Bereitschaftsdienst aus, wenn sie verpflichtet sind, sich auf Anordnung des Arbeitgebers außerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit an einer vom Arbeitgeber bestimmten Stelle aufzuhalten haben, um im Bedarfsfall die Arbeit aufzunehmen.
2. Bereitschaftsdienst gemäß § 13a Abs. 1 TV-AWO NRW wird nur in den Zeiten ausgeübt, für die keine Pflicht zur Ableistung von Vollarbeit besteht. Mit der Formulierung “außerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit„ wird kein bestimmter Aspekt zur zeitlichen Lage des Bereitschaftsdienstes angesprochen, insbesondere nicht in der Weise, dass der Bereitschaftsdienst vor oder hinter einem Block von Vollarbeit liegen muss, die innerhalb der “regelmäßigen„ Arbeitszeit zu erbringen ist.
3. Bereitschaftsdienst gemäß § 13a Abs. 1 TV-AWO NRW kann auch dann vorliegen, wenn sich Zeiten der “regelmäßigen„ Arbeit mit solchen des Bestehens lediglich einer Verpflichtung zur Bereitschaft abwechseln.
Normenkette
BGB § 611a Abs. 2; PflegeArbbV § 2 Abs. 1; TV-AWO NRW § 13a
Verfahrensgang
ArbG Bielefeld (Entscheidung vom 26.07.2017; Aktenzeichen 3 Ca 208/17) |
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bielefeld vom 26.07.2017 - AZ. 3 Ca 208/17 - wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über Vergütungsansprüche aus einem zwischen ihnen bestehenden Arbeitsverhältnis.
Der 1969 geborene Kläger ist bei dem beklagten Verein als Pflegefachkraft beschäftigt.
Grundlage des Beschäftigungsverhältnisses ist ein Anstellungsvertrag vom 29.11.2006.
§ 4 lautet zur Dauer und Vergütung:
"§ 4
Dauer und Vergütung
Der Bereitschaftsdienst beginnt um 19.45 Uhr und endet am nächsten Morgen um 07.45 Uhr.
Drei oder vier Stunden (nach Absprache mit der Teamleitung) des Bereitschaftsdienstes gelten arbeitsrechtlich als normale Arbeitszeit. Sie werden mit EG KR 7 a Stufe 2 pro Stunde vergütet. Es erfolgt keine gesonderte Auszahlung von Zeitzuschlägen, da diese in die Berechnung des Stundensatzes mit eingeflossen sind.
Die übrigen neun Stunden gelten als reiner Bereitschaftsdienst und werden pauschal mit je 5,00 € vergütet.
Die Stunden des Bereitschaftsdienstes werden nicht zur Berechnung von Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, Urlaubsanspruch, Vergütung während des Urlaubs oder Novemberzuwendung einbezogen.
Es wird vereinbart, dass irrtümlich zu viel gezahlte Vergütung zu erstatten ist."
Wegen weiterer Einzelheiten des Vertrages wird auf die Anlage zur Klageschrift (Bl. 7 ff d. A.) verwiesen.
Entsprechend zahlte der beklagte Verein für die tatsächliche aktive Arbeitszeit innerhalb eines Zeitraums von 19:45 Uhr und 22:50 Uhr und in den Morgenstunden von 6:00 Uhr bis 7:45 Uhr für danach insgesamt 3,5 Stunden den Tariflohn in Höhe von zuletzt 16,18 € brutto und für die übrigen Stunden des gesamten Zeitraums von 12 Stunden 5 Euro je Stunde.
Auf das Arbeitsverhältnis findet die Pflegearbeitsbedingungenverordnung (PflegeArbbV) in der Fassung vom 27.11.2014 für die Zeit ab dem 01.01.2015 Anwendung.
Nach § 2 Abs. 1 der Verordnung betrug das Mindestentgelt ab dem 1. Januar 2015 9,40 € und ab dem 1. Januar 2016 9,75 €.
Diese Verordnung enthält in § 2 Abs. 3 folgende Regelung:
"(3)
Das nach Absatz 1 maßgebliche Mindestentgelt ist für Zeiten des Bereitschaftsdienstes gemäß nachstehender Grundsätze zu zahlen. Bereitschaftsdienste im Sinne dieser Verordnung leisten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die sich auf Anordnung des Arbeitgebers außerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit an einer vom Arbeitgeber bestimmten Stelle aufhalten, um im Bedarfsfall die Arbeit aufzunehmen, wenn zu erwarten ist, dass zwar Arbeit anfällt, erfahrungsgemäß aber die Zeit ohne Arbeitsleistung mindestens 75 Prozent beträgt. Sie sind im Dienstplan zu hinterlegen. Zum Zwecke der Entgeltberechnung kann die Zeit des Bereitschaftsdienstes einschließlich der geleisteten Arbeit auf der Grundlage einer kollektivrechtlichen oder einer schriftlichen einzelvertraglichen Regelung mit mindestens 25 Prozent als Arbeitszeit bewertet werden.
..."
Wegen weiterer Einzelheiten dieser Verordnung wird auf die Anlage zur Klageschrift (Bl. 10 ff.) verwiesen.
Schließlich regelt § 13 a Abs. 1 1.1 des TV AWO, dessen Geltung zwischen den Parteien erstinstanzlich in Streit stand, dass Bereitschaftsdienst zum Zwecke der Entgeltberechnung zu 25 % als Arbeitszeit zu berücksichtigen ist, wenn die Zeit ohne Arbeitsleistung während des Bereitschaftsdienstes mindestens 75 Prozent beträgt.
Der beklagte Verein war am 20.10.2014 aus einer Vollmitgliedschaft beim Arbeitgeberverband AWO Deutschland ausgetreten.
Der Kläger machte mit Schreiben...