Entscheidungsstichwort (Thema)
Alleingesellschafter. Geschäftsführer. GmbH. Kündigung. Kündigungsgrund. Kündigungsrecht. Treu und Glauben. Verzicht. Verzeihen. widersprüchliches Verhalten. Zulässigkeit der fristlosen Kündigung 5 Monate nach Kenntnis des Nicht-Geschäftsführer-Alleingesellschafters von einem Diebstahl des Arbeitnehmers
Leitsatz (amtlich)
Überrascht der Alleingesellschafter einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung, der nicht zugleich ihr Geschäftsführer ist, einen Arbeitnehmer bei einem Diebstahl und lässt sich sodann auf dessen Bitte ein, hieraus keine Konsequenzen für das Arbeitsverhältnis zu ziehen, indem er die Geschäftsführerin der GmbH zunächst nicht unterrichtet, stellt es ein widersprüchliches Verhalten der GmbH als Arbeitgeberin dar, wenn sie rund fünf Monate später kündigt, nachdem der Alleingesellschafter die Geschäftsführerin erstmals über den Vorfall informiert hat.
Normenkette
BGB §§ 242, 626 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Iserlohn (Entscheidung vom 14.12.2011; Aktenzeichen 1 Ca 724/11) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Iserlohn vom 14. Dezember 2011 (1 Ca 724/11) wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen Kündigung sowie die Weiterbeschäftigung des Klägers.
Der am 22. Dezember 1962 geborene Kläger ist verheiratet und zwei Kindern zum Unterhalt verpflichtet. Er stand seit dem 26. April 2010 bei der Beklagten in einem Arbeitsverhältnis als Werkzeugmacher. Sein Verdienst betrug zuletzt 2.500,00 Euro brutto monatlich. Die Beklagte beschäftigt mehr als zehn Arbeitnehmer. Es handelt sich bei ihr um eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung. Alleingesellschafter war der während des vorliegenden Verfahrens zwischenzeitlich verstorbene Herr I1.
Mit dem am 30. März 2011 zugegangenen Schreiben vom Vortag kündigte die Beklagte dem Kläger "fristgerecht zum 15.04.2011", erteilte sechs Tage Urlaub und stellte ihn bis zum Ablauf der Kündigungsfrist von der Arbeit frei (wegen der Einzelheiten zum Kündigungsschreiben vgl. Anlage zur Klageschrift, Bl. 4 d.A.). Mit einem weiteren Schreiben des Prozessbevollmächtigten der Beklagten vom 12. April 2011, dem Kläger am selben Tag zugegangen, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis fristlos, hilfsweise fristgerecht unter Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist und erklärte darüber hinaus, dass die bereits vorliegende Kündigung vom 29. März 2011 nur noch hilfsweise gelte (wegen der weiteren Einzelheiten vgl. Anlage zum Schriftsatz des Klägers vom 18. April 2011, Bl. 11 d.A.).
Mit seiner am 6. April 2011 beim Arbeitsgericht eingegangenen und am 21. April 2011 erweiterten Klage hat sich der Kläger gegen die Wirksamkeit der beiden Kündigungen gewandt. Er hat bestritten, am 26. Oktober 2010 einen Diebstahl begangen zu haben und diesen gegenüber der Geschäftsführerin der Beklagten am 29. März 2011 gestanden zu haben.
Der Kläger hat beantragt,
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festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis nicht durch die Kündigung vom 29. März 2011, ihm zugegangen am 30. März 2011, aufgelöst worden ist;
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festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis auch nicht aufgrund außerordentlicher, hilfsweise ordentlicher Kündigung vom 12. April 2011 beendet worden ist;
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die Beklagte zu verurteilen, den Kläger zu unveränderten Bedingungen als Werkzeugmacher weiter zu beschäftigen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat behauptet, der Kläger habe am 26. Oktober 2010 um 03:00 Uhr auf dem Betriebsgelände der Beklagten Schrottteile, welche sie noch habe verwerten wollen, in den Kofferraum seines Fahrzeugs geladen. Dabei sei er von dem Alleingesellschafter der Beklagten beobachtet worden, der zufällig auf dem Rückweg vom Krankenhaus am Betrieb zu diesem Zeitpunkt vorbeigekommen sei. Dieser habe den Kläger zur Rede gestellt und gefragt, was er denn da treibe und was das solle. Darauf habe der Kläger eingeräumt, dass er die Gegenstände gestohlen habe bzw. habe stehlen wollen. Er habe den Alleingesellschafter jedoch um Verständnis gebeten und ihm sinngemäß mitgeteilt, es täte ihm leid, aber er bräuchte dringend Geld, weil er dringende Zahlungsverpflichtungen zu erfüllen habe. Des Weiteren habe er den Alleingesellschafter gebeten, aus diesem Geschehen keine rechtlichen Nachteile für das Arbeitsverhältnis zu ziehen und insbesondere Stillschweigen zu bewahren. Darauf habe sich der Alleingesellschafter eingelassen. Im Zusammenhang mit einem Einbruchdiebstahl in dem Betrieb der Beklagten am 26./27. März 2011 habe der Alleingesellschafter der Geschäftsführerin der Beklagten am 28. März 2011 mitgeteilt, dass er einen Verdacht gegen den Kläger hege. Er habe die Geschäftsführerin sodann von dem Vorfall am 26. Oktober 2010 unterrichtet. Am 29. März 2011 habe diese den Kläger auf die Beobachtungen des Alleingesellschafters im Oktober 2010 angesprochen. Der Kläger habe die Tat im Beisein des Betriebsleiters K1-D1 S1 unumwunden eing...