Entscheidungsstichwort (Thema)

Klage auf „equal pay”. Bezugnahmeklausel auf Tarifverträge zwischen dem AMP und CGZP. Berechnung von Ansprüchen. Erforderlichkeit einer Aussetzung des Verfahrens

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Nach § 10 Abs. 4 Satz 1 AÜG ist der Verleiher grundsätzlich verpflichtet, dem Leiharbeitnehmer für die Zeit der Überlassung an den Entleiher die im Betrieb des Entleihers für einen vergleichbaren Arbeitnehmer geltenden wesentlichen Arbeitsbedingungen einschließlich des Arbeitsentgelts zu gewähren. Dies gilt allerdings dann nicht, soweit ein auf das Arbeitsverhältnis anzuwendender Tarifvertrag abweichende Regelungen vorsieht, § 10 Abs. 4 S. 2 AÜG.

2. Rechtsfolge des Abschlusses eines Tarifvertrags durch eine Vereinigung ohne Tariffähigkeit ist die Unwirksamkeit und damit Nichtigkeit des entsprechenden Tarifvertrags.

3. Hängt die Entscheidung eines Rechtsstreits davon ab, ob eine Vereinigung tariffähig oder ob die Tarifzuständigkeit der Vereinigung gegeben ist, so hat das Gericht das Verfahren bis zur Erledigung des Beschlussverfahrens nach § 2a Abs. 1 Nr. 4 auszusetzen. Eine Aussetzung ist lediglich dann nicht erforderlich, wenn eine Entscheidungserheblichkeit offensichtlich nicht gegeben ist. Eine solche Entscheidungserheblichkeit liegt daher dann nicht vor, wenn die Klage aus anderen Gründen bereits abzuweisen ist, ohne dass es auf die Frage der Tariffähigkeit einer Vereinigung ankommt.

 

Normenkette

AÜG § 10 Abs. 4 S. 2

 

Verfahrensgang

ArbG Münster (Urteil vom 13.09.2011; Aktenzeichen 3 Ca 2527/10)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 13.03.2013; Aktenzeichen 5 AZR 294/12)

 

Tenor

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Münster vom 13.09.2011 – 3 Ca 2527/10 – teilweise abgeändert.

Der Tenor wird wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 7.010,61 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus

  • 5.421,64 EUR brutto seit 01.12.2010
  • weiteren 507,90 EUR brutto seit 01.01.2011
  • weiteren 337,78 EUR brutto seit 01.02.2011
  • weiteren 408,79 EUR brutto seit 01.03.2011
  • weiteren 153,92 EUR brutto seit 01.05.2011
  • weiteren 261,00 EUR brutto seit 01.06.2011

zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Im Übrigen wird die Berufung der Beklagten zurückgewiesen.

3. Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz tragen der Kläger zu 93,17 %, die Beklagte zu 6,83 %, die Kosten des Berufungsverfahrens tragen der Kläger zu 91,5 %, die Beklagte zu 8,5 %.

4. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um einen Anspruch des Klägers auf Gewährung von Arbeitsbedingungen nach dem Equal-Pay-Gebot des § 10 Abs. 4 Satz 1 AÜG.

Der am 12.12.1967 geborene Kläger, der über eine abgeschlossene Berufsausbildung als Kfz-Schlosser verfügt, war seit dem 30.10.2002 als Leiharbeitnehmer bei der Beklagten, die ein Unternehmen der Personaldienstleistung mit bundesweit ca. 1.000 Arbeitnehmern betreibt, beschäftigt.

Grundlage der Beschäftigung war zuletzt ein schriftlicher Arbeitsvertrag vom 18.02./17.05.2005, der u. a. folgende Regelungen vorsieht.

„…

1. Gegenstand und Bezugnahme auf Tarifvertrag

Der Mitarbeiter ist eingestellt als

Außendienstmitarbeiter,

Der Mitarbeiter wird aufgrund der notwendigen Qualifikation für die im Kundeneinsatz ausgeübte Tätigkeit entsprechend des nachfolgend genannten Entgeltrahmentarifvertrages wie folgt eingruppiert:

Entgeltgruppe: AWE5+

Die Rechte und Pflichten der Parteien, dieses Arbeitsvertrages bestimmen sich nach den nach stehenden Regelungen sowie nach den zwischen der Interessengemeinschaft Nordbayerischer Zeitarbeitsunternehmen e.V. (INZ) und der Tarifgemeinschaft Christliche Gewerkschaften Zeitarbeit und PSA (CGZP) geschlossenen Tarifverträgen in der jeweils gültigen Fassung, derzeit bestehend aus Manteltarifvertrag (MTV), Entgeltrahmentarifvertrag (ERTV), Entgeltrahmentarifvertrag (ETV) und Beschäftigungssicherungstarifvertrag (BeschSiTV).

Der Arbeitgeber ist berechtigt, durch schriftliche Erklärung gegenüber dem Mitarbeiter die vorgenannten Tarifverträge jeweils für die Zukunft durch solche zu ersetzen, die von einem anderen für den Arbeitgeber zuständigen Arbeitgeberverband geschlossen wurden (Tarifwechsel kraft Inbezugnahme). Dies gilt insbesondere bei einer Fusion der Interessengemeinschaft Nordbayerischer Zeitarbeitsunternehmen e.V. (INZ). In diesem Fall treten die von diesem anderen Arbeitgeberverband geschlossenen Tarifverträge hinsichtlich sämtlicher Regelungen dieses Arbeitsvertrages an die Stelle der vorgenannten Tarifverträge.

5. Arbeitszeit

Als regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit ausschließlich Pausen werden 35,00 Stunden vereinbart.

Lage, Beginn, Ende und Dauer der täglichen und wöchentlichen Arbeitszeit sowie die Lage und Dauer der Pausen richten sich nach den in dem Betrieb des jeweiligen Kunden geltenden betrieblichen Regelungen, im Übrigen nach den Bestimmungen der in 1. genannten Tarifverträge. Der jeweilige Arbeitszeitbeginn ist als Beginn der Verpflichtung zur Arbeitsleistung selbst zu verstehen und ni...

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