Entscheidungsstichwort (Thema)
Mehrarbeitsvergütung. Dauer des Jahresurlaubs, tarifliches Urlaubsgeld. Tarifbindung, OT-Mitgliedschaft. vertragliche Abänderung von Arbeitsvertragsbedingungen vor Beendigung der Tarifbindung nach § 3 Abs. 3 TVG, Nachwirkung. „andere Vereinbarung” nach § 4 Abs. 5 TVG
Leitsatz (amtlich)
Eine arbeitsvertragliche Regelung, die auf Abänderung einer tariflichen Regelung zu Ungunsten des Arbeitnehmers gerichtet ist und dahin ausgelegt werden kann, dass sie zumindest nach Ablauf der Tarifbindung die Nachwirkung beseitigen soll, ist nicht nach § 4 Abs. 3 TVG unwirksam, sondern wird lediglich bis zum Ablauf der Tarifbindung durch den Tarifvertrag verdrängt.
Normenkette
BGB § 611 Abs. 1; TVG § 3 Abs. 1, 3, § 4 Abs. 3, 5; MTV Einzelhandel NRW vom 25.07.2003; TV Sonderzahlung Einzelhandel NRW vom 20.09.1996
Verfahrensgang
ArbG Paderborn (Urteil vom 24.01.2007; Aktenzeichen 3 Ca 1279/06) |
Nachgehend
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Paderborn vom 24.01.2007 – 3 Ca 1279/06 – wird zurückgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um Vergütungsdifferenzansprüche für die Monate April bis Juni 2006 sowie über die Gutschrift zweier Urlaubstage für das Kalenderjahr 2006.
Der am 30.07.1973 geborene Kläger trat mit Wirkung ab 01.09.2003 als Einrichtungsberater in ein zunächst befristet abgeschlossenes Arbeitsverhältnis zur Beklagten. Nach § 2 Zif. 1 des am 18.08.2003 unterzeichneten Arbeitsvertrages betrug die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit 37,5 Stunden. Gemäß § 2 Zif. 3 Satz 3 war der Kläger verpflichtet, „entsprechend dem gesetzlich zulässigen Rahmen Spätöffnungs-, Samstags- bzw. Sonntagsarbeit zu leisten”. Nach § 4 Zif. 1a des Vertrages erhielt er eine Vergütung, bestehend aus einem monatlichem Fixum von 767,00 EUR brutto zuzüglich umsatzabhängiger Provisionen, wobei ihm gemäß § 16 des Vertrages monatlich 1.946,00 EUR brutto garantiert wurden. In § 8 Zif. 1 Satz 1 des Vertrages ist geregelt, dass sich der Urlaub „nach den gesetzlichen Bestimmungen” richtet. Hinsichtlich des weiteren Inhalts des Arbeitsvertrages wird verwiesen auf die mit Klageschriftsatz vom 22.09.2006 eingereichte Kopie (Bl. 6 ff. d. A.).
Die Beklagte als Mitglied des Einzelhandelsverbandes Ostwestfalen-Lippe erklärte diesem gegenüber mit Schreiben vom 20.09.2004 (Bl. 97 d. A.) den Ausschluss der Tarifbindung. Mit einem vom Vorstandsvorsitzenden des Verbandes unterzeichneten Schreiben vom 23.09.2004 (Bl. 98 d. A.) erklärte der Arbeitgeberverband die Annahme des Antrages. So wird die Beklagte mit Wirkung ab 01.11.2004 nur noch als Mitglied ohne Tarifbindung (OT-Mitglied) geführt.
Knapp drei Monate später am 20.01.2005 vereinbarten die Arbeitsvertragsparteien zum einem die Verlängerung des befristet bestehenden Arbeitsverhältnisses bis zum 31.08.2005 (Bl. 15 d. A.). Zum anderen schlossen sie eine „Vereinbarung zur Änderung des Arbeitsvertrages”, in der es unter anderem heißt:
Die wöchentliche Arbeitszeit wird ab dem 01.03.05 auf wöchentlich 40 Stunden erhöht. Eine Anpassung der monatlichen Gehaltszahlung findet ausdrücklich nicht statt.
…
Auf die Zahlung von evtl. anfallenden Spätöffnungs- und Mehrarbeitszuschlägen, sowie des Arbeitgeberzuschusses zu den vermögenswirksamen Leistungen, wird ab sofort verzichtet.
…
Der Urlaub beträgt ab dem 01.03.05 nach Lebensalter gestaffelt:
bis zum vollendeten 20. Lebensjahr 24 Arbeitstage je Kalenderjahr
nach dem vollendeten 20. Lebensjahr 26 Arbeitstage je Kalenderjahr
nach dem vollendeten 23. Lebensjahr 27 Arbeitstage je Kalenderjahr
nach dem vollendeten 30. Lebensjahr 28 Arbeitstage je Kalenderjahr.
Auf die Bindung an die verschiedenen Tarifverträge wird zukünftig, also ab Unterzeichnung dieser Vereinbarung, wechselseitig verzichtet. Im Übrigen gelten die Vereinbarungen aus dem Arbeitsvertrag.
Herr B1 erklärt, dass er diese Vereinbarung sorgfältig gelesen und nach reiflicher Überlegung freiwillig unterzeichnet hat.
Ab dem Monat März 2005 wurde der Kläger bei gleichbleibender Vergütung in der 40-Stunden-Woche eingesetzt.
Seit dem 01.09.2005 wird das Arbeitsverhältnis unbefristet fortgeführt. Zum selben Zeitpunkt trat der Kläger auch in die Gewerkschaft ver.di ein.
Mit der am 25.09.2006 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage begehrt er die Zahlung von Vergütungsdifferenzansprüchen sowie die Gutschrift zweier weiterer Tage Urlaub für das Kalenderjahr 2006. Er hat die Auffassung vertreten, die Beklagte sei verpflichtet, ihm für die Zeit von April bis Juni 2006 die über die 37,5 Wochenstunden hinaus geleisteten Stunden mit 413,49 EUR zu vergüten. Darüber hinaus müssten Zuschläge für Spätöffnungs- und Samstagsarbeit in Höhe von 134,19 EUR gezahlt werden. Schließlich habe die Gutschrift zweier weiterer Urlaubstage zu erfolgen, weil nach dem einschlägigen Manteltarifvertrag für den Einzelhandel NRW vom 25.07.2003 (im folgenden kurz: MTV)...