Entscheidungsstichwort (Thema)
Abmahnung
Leitsatz (redaktionell)
1. Durch die "Rücknahme" einer Abmahnung kann nicht erreicht werden, daß derjenige, der die unrichtige Behauptung aufgestellt oder die fehlerhafte Wertung vorgenommen hat, diese aus seinem Gedächtnis löscht, und es kann nicht sichergestellt werden, daß die "zurückgenommene" Abmahnung das Fortkommen des Arbeitnehmers nicht behindert. Die "Rücknahme" der Abmahnung führt somit nicht zur Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes und kann daher im Klagewege nicht verlangt werden.
2. Ein Rechtsschutzbedürfnis für eine Klage auf Entfernung einer Abmahnung aus der Personalakte besteht nur in Ausnahmefällen. Ein solcher ist gegeben, wenn die Arbeitsvertragsparteien darüber streiten, ob die Pflicht, deren Verletzung der Arbeitgeber durch die Abmahnung gerügt hat, überhaupt besteht, ob also der Arbeitnehmer sein Verhalten, wie von ihm gewünscht, ändern muß oder ob er weiterhin ohne Gefährdung seines Arbeitsplatzes an seinem bisherigen Tun festhalten kann. Das Rechtsschutzbedürfnis ist auch dann zu bejahen, wenn die Parteien darüber streiten, ob eine erteilte Abmahnung aufgrund eines tariflichen Maßregelungsverbot aus der Personalakte des Arbeitnehmers zu entfernen ist oder nicht.
3. Für die Frage, ob der Anspruch auf Entfernung einer Abmahnung aus der Personalakte begründet ist, kommt es allein darauf an, ob der erhobene Vorwurf objektiv gerechtfertigt ist, nicht aber, ob das beanstandete Verhalten dem Arbeitnehmer auch subjektiv vorgeworfen werden kann. Erst für die Beurteilung der Rechtswirksamkeit einer Kündigung kommt es auf die Qualität und Quantität der Pflichtverletzungen an. Ein Anspruch auf Entfernung einer Abmahnung aus der Personalakte kann daher nicht allein mit der Begründung zuerkannt werden, das Verhalten des Arbeitnehmers sei nicht "abmahnungswürdig" gewesen.
4. Gegenstand einer Abmahnung kann jede (wenn auch möglicherweise subjektiv nicht vorwerfbare) Verletzung der sich aus Gesetz, Tarifvertrag und Arbeitsvertrag ergebenden Pflichten sein. Ob bei einer verhaltensbedingten Kündigung, die den Vertrauens- oder betrieblichen Bereich berührt, eine Abmahnung in aller Regel nicht notwendig ist, kann dahingestellt bleiben. Es steht dem Arbeitgeber jedenfalls in Ausübung seines vertraglichen Rügerechts frei, dem Arbeitnehmer eine Abmahnung, dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entsprechend, als gebotenes milderes Mittel gegenüber der Kündigung quasi als deren Ersatz zu erteilen.
5. Ruft eine Gewerkschaft alle Mitglieder einer Region auf, während der Arbeitszeit an einem zentralen Ort an einem Warnstreik teilzunehmen, dann ist der einzelne Arbeitnehmer nicht von der Verpflichtung zur Betätigung der elektronischen Stechuhr beim Verlassen des Betriebes vor Teilnahme an dem Warnstreik und beim Betreten des Betriebes nach Rückkehr entbunden. Das Verlassen und Betreten eines Betriebes ohne Betätigung der elektronischen Stechuhr stellt einen Pflichtenverstoß dar, der dem Vertrauensbereich zuzuordnen ist. Das Nichtbenutzen eines Zeiterfassungsgerätes trotz entsprechender Verpflichtung hierzu berechtigt den Arbeitgeber dazu, einem Arbeitnehmer eine Abmahnung zu erteilen.
6. Bestimmt ein Maßregelungsverbot in einem Tarifvertrag, daß jede Maßregelung von Beschäftigten aus Anlaß der Teilnahme an Arbeitskampfmaßnahmen unterbleibt oder rückgängig gemacht wird, so ist der Arbeitgeber verpflichtet, ein Abmahnung wegen Nichtbetätigen des Zeiterfassungsgerätes nebst Gegendarstellung aus den Personalakten der streikteilnehmenden Arbeitnehmer jedenfalls dann zu entfernen, wenn er diese im Hinblick auf den angekündigten Warnstreik an allen elektronischen Stechuhren jeweils durch ein großes Schild auf die Verpflichtung zur Betätigung der Stechuhr hingewiesen und somit selbst die Verbindung zwischen der Verpflichtung zum Abstempeln vor Verlassen des Betriebes und dem Recht des Arbeitnehmers zur Arbeitsniederlegung zwecks Teilnahme am Warnstreik hergestellt hat.
Verfahrensgang
ArbG Detmold (Entscheidung vom 03.12.1992; Aktenzeichen 3 Ca 1108/92) |
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Verpflichtung der Beklagten zur Rücknahme und Entfernung einer von ihr erteilten Abmahnung sowie über die Entfernung der Gegendarstellung des Klägers aus dessen Personalakte.
Der Kläger ist bei der Beklagten als Lackierer gegen einen durchschnittlichen Monatslohn in Höhe von 3.100,00 DM brutto bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 37 Stunden beschäftigt.
Bei der Beklagten existiert eine elektronische Zeiterfassungsanlage. Die Arbeitnehmer sind verpflichtet, beim Betreten bzw. beim Verlassen des Betriebes die elektronische Stechuhr zu bedienen. Diese Verpflichtung wurde den Arbeitnehmern mit Betriebsvereinbarung vom 11.12.1989, die gleichzeitig die Art der Benutzung der Anlage erläutert, auferlegt. Der Kläger bestätigte durch Schreiben vom 19.12.1989, daß er ein Exemplar der Vereinbarung vom 11.12.1989 erhalten habe und sich an die darin beschriebene Handhabung halten werde.
Am 07.05.1992...