Entscheidungsstichwort (Thema)

Gesamtzusage als Anspruchsgrundlage. Auslegung einer Gesamtzusage. Unwirksame Kombination eines Freiwilligkeitsvorbehalts mit einem Widerrufsvorbehalt. Keine Mitbestimmung bei Formulierung eines Widerrufsvorbehalts bezüglich der Urlaubsgeldzahlung

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Die Gesamtzusage bindet den Arbeitgeber grundsätzlich dauerhaft als arbeitsvertraglicher Bestandteil der einzelnen Arbeitsverträge, soweit nichts anderes vereinbart ist. Sie bezieht auch später eintretende Beschäftigte ein und richtet sich auch an diese. Einer ausdrücklichen Annahmeerklärung bedarf es gem. § 151 BGB nicht. Diese erfolgt durch die Arbeitsaufnahme zu den bestehenden Bedingungen.

2. Bei einer Gesamtzusage handelt es sich um Allgemeine Geschäftsbedingungen im Sinne von § 305 Abs. 1 BGB. Daher gilt, dass diese nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen sind, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden, wobei nicht die Verständnismöglichkeiten des konkreten, sondern die des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zugrunde zu legen sind.

3. Wird in der Gesamtzusage ein Freiwilligkeitsvorbehalt mit einem Widerrufsvorbehalt kombiniert, stellt sich diese Regelung als intransparent dar und führt gem. § 307 Abs. 1 S. 2 i.V.m. Satz 1 BGB zur Unwirksamkeit der Klausel. Bei der Kombination von Freiwilligkeits- und Widerrufsvorbehalt wird nach dem Vertragstext auch für den um Verständnis bemühten Vertragspartner nicht deutlich, ob nun jegliche zukünftige Bindung ausgeschlossen oder lediglich eine Möglichkeit eröffnet werden soll, sich später wieder von einer vertraglichen Bindung loszusagen.

4. Die bloße Vereinbarung eines Widerrufsrechts für den Arbeitgeber bezüglich der Urlaubsgeldzahlung unterfällt nicht dem Mitbestimmungstatbestand des § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG. Denn ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats ist erst gegeben, wenn sich in Ausübung bestehender Widerrufsrechte Entlohnungsgrundsätze ändern.

 

Normenkette

BGB § 611a Abs. 2, §§ 151, 305, 307 Abs. 1 S. 2, §§ 305b, 308 Nr. 4; Eingangssatz BetrVG § 87 Abs. 1; BetrVG § 87 Abs. 1 Nr. 10

 

Verfahrensgang

ArbG Paderborn (Entscheidung vom 05.07.2021; Aktenzeichen 2 Ca 1587/20)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Paderborn vom 05.07.2021 AZ.: 2 Ca 1587/20 abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.

Die Revision wird für den Kläger zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger beansprucht von der Beklagten die Zahlung von Urlaubsgeld für das Jahr 2020.

Der Geschäftsgegenstand der Beklagten ist die Errichtung, Wartung und Instandsetzung von Windenergieanlagen, wobei sie ausschließlich für ihren einzigen Kunden, den deutschen Marktführer A, tätig ist. Bei der Beklagten ist seit dem Jahr 2013 ein Betriebsrat gebildet. Dieser wurde bei den jährlichen Urlaubsgeldregelungen nicht förmlich beteiligt, eine Betriebsvereinbarung hierzu liegt nicht vor.

Der Kläger ist seit dem 05.11.2018 als Monteur bei der Beklagten auf Grundlage des schriftlichen Arbeitsvertrags vom 14.09.2018 (Anlage K11) zu einem durchschnittlichen Bruttomonatseinkommen von zuletzt ca. 3.683,00 € beschäftigt. Der Arbeitsvertrag enthält unter Ziffer 16 "Verfall von Ansprüchen" folgende Regelungen:

(1) Alle Ansprüche der Vertragsparteien aus oder in Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis verfallen, wenn sie nicht innerhalb von drei Monaten in Textform gegenüber der anderen Vertragspartei geltend gemacht werden. Die Ausschlussfrist beginnt, wenn der Anspruch entstanden ist und der Anspruchsteller von den anspruchsbegründenden Umständen Kenntnis erlangt oder grob fahrlässig keine Kenntnis erlangt hat. Die Versäumung der Ausschlussfrist führt zum Verlust des Anspruchs.

(2) Lehnt der Anspruchsgegner den Anspruch ab oder äußert er sich nicht innerhalb von zwei Wochen nach Geltendmachung in Textform gemäß vorstehendem Absatz verfallen die Ansprüche, wenn sie nicht innerhalb von drei Monaten nach der Ablehnung oder nach dem Ablauf der Äußerungsfrist gerichtlich geltend gemacht werden.

(3) Hiervon unberührt bleiben Ansprüche, die auf Handlungen wegen Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit beruhen und Ansprüche wegen Verletzungen des Lebens, des Körpers oder der Gesundheit.

(4) Die Ausschlussfrist gilt nicht für den Anspruch des Arbeitnehmers auf den gesetzlichen Mindestlohn. Über den Mindestlohn hinausgehende Vergütungsansprüche des Arbeitnehmers unterliegen hingegen der vereinbarten Ausschlussfrist.

(5) Ebenfalls nicht umfasst sind Ansprüche aus Tarifverträgen, die kraft Tarifbindung oder wegen Aligemeinverbindlichkeitserklärung auf das Arbeitsverhältnis anwendbar sind oder Ansprüche aufgrund von Rechtsverordnungen.

Ziffer 19 "Betriebliche Regelungen und Schlussbestimmungen" regelt u. a. Folgendes:

(1) Im Übrigen gelten für das Arbeitsverhältnis die nachfolgenden Regelungen in der jeweils aktuellen Fassung. Der Arbe...

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