Entscheidungsstichwort (Thema)

Zulässigkeit der Beschränkung der Leistungen gegenüber neu eintretenden Beschäftigten i.R.d. Gesamtzusage (hier: Urlaubsgeld)

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Ein Arbeitnehmer hat keinen Anspruch auf Urlaubsgeld, wenn zum Zeitpunkt der Begründung des Arbeitsverhältnisses eine geänderte Gesamtzusage galt, die einen Freiwilligkeitsvorbehalt hinsichtlich der Leistung beinhaltete.

2. Ein Freiwilligkeitsvorbehalt kann regelmäßig das Entstehen eines Rechtsanspruchs auf eine künftige Sonderzahlung wirksam verhindern.

 

Normenkette

BGB § 611 a Abs. 2, §§ 151, 305, 307 Abs. 1 S. 2, § 305 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Paderborn (Entscheidung vom 09.07.2021; Aktenzeichen 3 Ca 1559-20)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Paderborn vom 09.07.2021- 3 Ca 1559/20 - abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.

Die Revision wird für den Kläger zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger beansprucht von der Beklagten die Zahlung von Urlaubsgeld für das Jahr 2020.

Der Geschäftsgegenstand der Beklagten ist die Errichtung, Wartung und Instandsetzung von Windenergieanlagen, wobei sie ausschließlich für ihren einzigen Kunden, den deutschen Marktführer A, tätig ist. Bei der Beklagten ist ein Betriebsrat gebildet. Dieser besteht seit dem Jahr 2013.

Der Kläger ist seit dem 04.07.2016 als Monteur bei der Beklagten auf Grundlage eines schriftlichen Arbeitsvertrags vom 14.06.2016 (Anlage K11) zu einem durchschnittlichen Bruttomonatseinkommen von zuletzt ca. 3.400,00 € beschäftigt.

§ 3 des Arbeitsvertrages regelt:

Die Zahlung von Gratifikationen, Prämien, Zulagen oder sonstigen Leistungen liegt im freien Ermessen der Firma und begründet keinen Rechtsanspruch.

Ziffer 12 enthält folgende Ausschlussklausel:

Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und solche, die mit diesem in Verbindung stehen, sind innerhalb von drei Monaten nach Fälligkeit, spätestens jedoch innerhalb von drei Monaten nach Beendigung des Vertragsverhältnisses schriftlich gegenüber der anderen Vertragspartei geltend zu machen. Ansprüche, die nicht innerhalb dieser Frist geltend gemacht werden, sind verfallen. Lehnt die andere Partei den Anspruch ab oder erklärt sie sich nicht innerhalb von zwei Wochen nach der Geltendmachung des Anspruchs, so verfällt der Anspruch, wenn er nicht innerhalb von drei Monaten nach der Ablehnung oder dem Fristablauf gerichtlich geltend gemacht wird.

Seit Mitte der 1990er Jahre zahlt die Beklagte den bei ihr beschäftigten Arbeitnehmern ein jährliches Urlaubsgeld. Auch der Kläger erhielt bis zum Jahr 2019 jährliche Urlaubsgeldzahlungen von der Beklagten.

Im Zusammenhang mit der Auszahlung des Urlaubsgelds übersandte die Beklagte in den Jahren 2008 bis einschließlich 2013 ein jährliches Schreiben im Juni/ Juli des jeweiligen Jahres mit der Überschrift "Infos aus der Personalabteilung" (Anlage K3). Unter der Überschrift befand sich jeweils die weitere Überschrift "Urlaubsgeld (Angabe des jeweiligen Jahres) - Zahlung in voller Höhe, entsprechend der Urlaubsgeldregelung". Des Weiteren wurde den Mitarbeitern in den Schreiben Folgendes mitgeteilt:

"1. Die Zahlung der Urlaubsgratifikation erfolgt in Anerkennung der von den Mitarbeitern/innen geleisteten Arbeit, des Arbeitserfolges wie der in der Vergangenheit und in der Zukunft bewiesenen Betriebstreue.

2. Die Höhe einer vollen Urlaubszuwendung wird in Form einer ergänzenden Regelung jährlich entschieden und festgelegt. Die maximale Höhe ist abhängig von der Betriebszugehörigkeit und beträgt bei 6-monatiger Betriebszugehörigkeit 20 %, 8-monatiger Betriebszugehörigkeit 30 %, 20-monatiger Betriebszugehörigkeit 40 %, 32-monatiger Betriebszugehörigkeit 50 % des Monatsverdienstes Mai des laufenden Jahres.

Dabei werden Arbeitsstunden x Individuellem Stundenlohn (Grundlohn + Leistungszulage) bzw. das jeweilige Monatsgrundgehalt zugrunde gelegt.

3. Die Urlaubszuwendung wird allen Mitarbeitern/innen gewährt, die am Stichtag 1. Juni in einem ungekündigten, unbefristeten Dauerarbeitsverhältnis stehen. Sie wird mit der Juni-Abrechnung des laufenden Jahres zur Auszahlung gebracht.

4. Bei eigener Kündigung der Mitarbeiter/innen oder steht die Kündigung seitens des Betriebes im Zusammenhang mit einem wichtigen personen-, verhaltens- oder betriebsbedingten Grund, entsteht kein Anspruch auf Gewährung einer solchen Urlaubsgratifikation. Das gleiche gilt bei einem Ausscheiden mittels Aufhebungsvertrag.

5. Die Urlaubszuwendung wird unter dem Vorbehalt gewährt, dass das Arbeitsverhältnis nicht vor dem 01.10. des laufendes Jahres gekündigt wird; bei einer Kündigung bis zu diesem Zeitpunkt ist sie voll zurückzuzahlen.

6. In den Fällen, in denen das Arbeitsverhältnis im Laufe des Jahres ruhte oder am Stichtag 1. Juni noch ruht, z. B. durch Wehr- oder Ersatzdienste, Erziehungsurlaub, unbezahlter Urlaub von mindestens einem Monat, befristeter Zuerkennung einer Erwerbsunfähigkeitsrente, langfristige Erkrankungen mit Übertragung des Direktions- und Weisungsrechtes an di...

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