Entscheidungsstichwort (Thema)
Wirksamkeit einer Versetzung
Leitsatz (redaktionell)
1. Auch wenn im Arbeitsvertrag und den darin in Bezug genommenen Beschäftigungsbedingungen zulässigerweise ein sog. Versetzungsvorbehalt vereinbar ist, ein Ortswechsel also einseitig vom Arbeitgeber angeordnet werden kann, hat der Arbeitgeber sich gleichwohl an mit dem Betriebsrat getroffene Absprachen zur Auswahl von zur Versetzung anstehenden Mitarbeitern zu halten.
2. Dabei ist es durchaus sachdienlich, dass bei der Auswahl der zu versetzenden Arbeitnehmer nach der Entfernung zum neuen Arbeitsort differenziert wird. Jedoch ist es unzulässig, wenn der Arbeitgeber solche Arbeitnehmer von der Versetzung ausnimmt, die zwar näher zum neuen Arbeitsort wohnen, aber über zusätzliche Qualifikationen verfügen. Das gilt jedenfalls dann, wenn solche Arbeitnehmer mit zusätzlichen Qualifikationen in der entsprechenden Betriebsvereinbarung nicht als von der Versetzung ausgenommen vereinbart sind.
Normenkette
GewO § 106 S. 1; BGB § 315 Abs. 3; BetrVG. § 95 Abs. 2; BetrVG § 95 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Herne (Entscheidung vom 28.01.2015; Aktenzeichen 1 Ca 1382/14) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Herne vom 28.01.2015 - 1 Ca 1382/14 - wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer Versetzung.
Die Beklagte ist ein Unternehmen der Automobilzulieferungsbranche. Sie unterhält u.a. ein Werk 5 in S und ein Werk 4 in C; in beiden besteht jeweils ein Betriebsrat.
Die 1981 geborene, verheiratete Klägerin, die zwei schulpflichtige Kinder hat, trat mit Wirkung ab 15.11.2011 als Montiererin in die Dienste der Beklagten. Ziffer 4 der Beschäftigungsbestimmungen der I KGaA, die gemäß Ziffer 3 des schriftlichen Arbeitsvertrages vom 31.10.2011 Vertragsinhalt geworden sind, lautet:
Änderung der Tätigkeit
I behält sich vor - unter Beachtung der gesetzlichen und tariflichen Bestimmungen - dem/der Mitarbeiter/-in eine der Vorbild und den Fähigkeiten entsprechende, zumutbare andere Aufgabe - auch an einem anderen Ort - zu übertragen, als im Arbeitsvertrag vorgesehen ist.
Die Klägerin übt ihre Tätigkeit bislang im Werk 5 in S aus.
Unter dem 15.01.2014 schloss der dortige Betriebsrat mit der Werkleitung eine Betriebsvereinbarung "Versetzungs-, Altersteilzeit- und Abfindungsprogramm 2014" (im Folgenden kurz: BV) ab. Darin finden sich u.a. folgende Regelungen:
II. Versetzungsprogramm
Die Betriebsparteien streben gemeinsam an, auf der Grundlage des nachfolgend dargestellten Versetzungsprogramms mindestens 35 Versetzungen vom Werk 5 (S) in das Werk 4 (C) durchzuführen. Die Versetzungen sollen möglichst im Einvernehmen mit den betroffenen Mitarbeitern bis zum 28.02.2014 umgesetzt werden. Sollte dieses gemeinsame Ziel nicht erreicht werden, kann der Arbeitgeber im Rahmen der rechtlichen Bestimmungen einseitig Versetzungen in das Werk 4 durchführen. Dabei zu beachtende, gesetzliche Bestimmungen bleiben unberührt.
Der Betriebsrat erkennt die Notwendigkeit von mindestens 35 Versetzungen von Mitarbeitern in das Werk 4 an, trägt auf dieser Basis die Versetzungen zur Vermeidung von Kündigungen mit und wird die Versetzungen im Rahmen der mitbestimmungsrelevanten Maßnahmen unterstützen.
1.) ...
2.) Auswahl
Die Personalabteilungen der Werke 4 und 5 werden sich wöchentlich über die im Werk 4 vakanten Arbeitsplätze (einschließlich der mit Leiharbeitnehmern besetzten Stellen) einerseits sowie für eine Versetzung in Frage kommende Beschäftigte im Werk 5 mit passender Qualifikation andererseits austauschen. Beschäftigten im Werk 5 mit passenden Qualifikationsprofilen werden die vakanten Positionen im Werk 4 angeboten. Bei der Auswahl der für die Versetzungen vorgesehenen Beschäftigten sind insbesondere die Entfernung zwischen dem Wohnort zu der Betriebsstätte Werk 4 in C heranzuziehen und es sind besondere persönliche Verhältnisse im Einzelfall (familiäre Situation, Alter, körperliche Einschränkungen, Schwerbehinderung etc.) in angemessener Weise zu berücksichtigen. Der Betriebsrat wird in die Auswahl proaktiv mit eingebunden und trägt die Auswahlentscheidung mit. Die Auswahl der betroffenen Beschäftigten wird gemeinsam mit dem Betriebsrat bis zum 28.02.2014 abgeschlossen, kommuniziert und es werden alle formellen Voraussetzungen für die Versetzungen geschaffen.
Mit Schreiben vom 29.04.2014 (Bl. 19 d.A.) teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass sie nach den Rahmenbedingungen der am 15.01.2014 geschlossenen BV in das Werk C versetzt werde, und zwar voraussichtlich zum 01.10.2014. Eine individuelle Versetzungsmeldung inkl. Versetzungstermin, Kostenstelle, Entgeltzusammensetzung usw. werde folgen.
Am 29.10.2014 händigte der Personalleiter des Werkes S der Beklagten, T, der Klägerin ein Schreiben mit Datum vom 08.10.2014 aus, überschrieben mit "Umsetzung", und zwar zum 01.12.2014 vom Werk 5 in S zum Werk 4 in C (Bl 49 d.A.).
Gegen die Wirk...