Entscheidungsstichwort (Thema)

Anfechtung eines Aufhebungsvertrags. Drohung mit Strafanzeige. Abschluss eines Aufhebungsvertrags. Drohung und Ausnutzen einer Zwangslage. Ernsthaftes in Betracht ziehen einer Kündigung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Nichtigkeit eines Aufhebungsvertrags kann nicht mit einem punktuellen Feststellungsantrag geltend gemacht werden.

2. Eine Drohung iSv. § 123 BGB ist von dem bloßen Ausnutzen einer Zwangslage abzugrenzen.

3. Eine Drohung iSv. § 123 BGB muss vorsätzlich erfolgen. Der Drohende muss bewusst den Zweck verfolgen, den Bedrohten zur Abgabe einer bestimmten Willenserklärung zu veranlassen.

4. Die Drohung mit einer Strafanzeige zum Zwecke des Abschlusses eines Aufhebungsvertrags kann auch dann rechtmäßig sein, wenn die anzuzeigende Straftat nicht gegen Rechtsgüter des Arbeitgebers gerichtet war, aber in einem inneren Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis stand. Das gilt jedenfalls dann, wenn ein verständiger Arbeitgeber zugleich eine den Regelungen des Aufhebungsvertrags entsprechende Kündigung ernsthaft in Betracht ziehen durfte.

 

Normenkette

BGB § 626; BtMG § 29; StGB § 229; ZPO § 286; BGB § 123; StGB §§ 70, 77, 223-224; StPO § 158; ZPO § 256; BGB § 142

 

Verfahrensgang

ArbG Iserlohn (Entscheidung vom 11.12.2012; Aktenzeichen 4 Ca 1201/12)

 

Tenor

  • 1.

    Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Iserlohn vom 11. Dezember 2012 - 4 Ca 1201/12 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

  • 2.

    Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit eines Aufhebungsvertrags.

Die Klägerin war seit Oktober 1991 als Krankenschwester bei der Beklagten beschäftigt.

Mitte März 2012 teilten die Schwesternschülerinnen K1 und P1 mit, dass die Klägerin, nachdem sie sich vergewissert hatte, dass der Stationsleiter nichts mitbekommt, am 5. März 2012 der Schwesternschülerin P1 eine Tablette des verschreibungspflichtigen Beruhigungsmittels Tavor (Wirkstoff Lorazepam; Wirkstoffklasse Benzodiazepine) mit der Bemerkung "Hier, gib ihm mal die Tablette, dann ist hier gleich Ruhe" zur Verabreichung an einen Patienten übergeben habe, der vermehrt geschellt hatte, weil er urinieren musste. Die Schwesternschülerin P1 habe nach Rücksprache mit der Schwesterschülerin K1 die Tablette nicht gegeben, weil - als solches unstreitig - in der Patientenkurve eine Bedarfsmedikation nicht angeordnet war. Die Schwesternschülerin K1 berichtete zudem, dass die Klägerin dem Patienten einige Tage vorher ohne ärztliche Anordnung einen Dauerkatheter gelegt habe, weil er so oft schellte, und die Schwesternschülerin P1 eröffnete, dass die Klägerin sie am 9. März 2012 angewiesen habe, das Bett einer "nervenden" Patientin außer Reichweite der Klingel zu schieben und ihr auch die Schelle nicht in die Hand zu geben, weil die Patientin sonst die ganze Zeit schellen würde. Ohne weitere Kenntnis der angeordneten Medikation habe die Klägerin dann eine Tablette aus der Kitteltasche geholt und sie der Patientin in die Wangentasche gesteckt. Nach Angabe der Klägerin habe es sich um ein Medikament gegen Durchfall gehandelt. Die Schwesterschülerin P1 sei sich jedoch sicher, dass es sich abermals um eine Tablette Tavor gehandelt habe. Unstreitig leerte die Klägerin an ihrem letzten Arbeitstag vor dem Urlaub ihre Kitteltaschen und bot die herausgenommenen Tabletten - laut der Schwesterschülerin K1 wiederum solche des Medikaments Tavor - spaßeshalber in der Runde der Pflegekräfte an. Zu diesen Vorwürfen existiert eine Notiz über ein Gespräch zwischen der Praxisanleitung und der Schwesternschülerin K1 vom 15. März 2012 (Bl. 62 d.A.), ein Protokoll über ein Gespräch zwischen der stellvertretenden Pflegedienstleiterin und der Schwesternschülerin K1 vom 19. März 2012 (Bl. 63 d.A.) und eine schriftliche Sachverhaltsschilderung der Schwesternschülerin P1 vom 20. März 2012 (Bl. 61 d.A.).

Mit einem von der Klägerin nach ihrer Urlaubsrückkehr am 31. März 2012 vorgefundenen Schreiben vom 21. März 2012 bat der Verwaltungsdirektor B1 der Beklagten um ein Gespräch und stellte die Klägerin widerruflich von der Verpflichtung frei, ihre Arbeitsleistung zu erbringen.

Das Gespräch fand am 3. April 2012 um 10:30 Uhr im Beisein des Betriebsratsvorsitzenden R1, des Pflegedienstleiters H1 und der stellvertretenden Pflegedienstleiterin E1 statt. Es wurde vereinbart, dass sich die Klägerin um 13:30 Uhr meldet, um mitzuteilen, ob sie einen Aufhebungsvertrag abschließt. Zum avisierten Zeitpunkt unterzeichneten die Parteien einen von der Beklagten zwischenzeitlich vorformulierten Aufhebungsvertrag (Bl. 26 - 27 d.A.), nach welchem das Arbeitsverhältnis mit Ablauf des 30. April 2012 endete.

Mit Anwaltsschreiben vom 25. Mai 2012 ließ die Klägerin die Anfechtung ihrer zum Abschluss des Aufhebungsvertrags führenden Annahmeerklärung wegen widerrechtlicher Drohung und arglistiger Täuschung erklären.

Mit der am 25. Mai 2012 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat die Klägerin zum einen die Feststellung begehrt, dass das Arbeitsverhältnis nicht du...

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