Entscheidungsstichwort (Thema)
Fristlose Kündigung des Arbeitsverhältnisses wegen Tätlichkeiten eines Arbeitnehmers gegenüber dem späteren Geschäftsführer
Leitsatz (redaktionell)
Die fristlose Kündigung des Arbeitsverhältnisses ist unwirksam, wenn der Arbeitgeber keinerlei Beweise für den behaupteten Hergang einer tätlichen Auseinandersetzung zwischen einem Arbeitnehmer und seinem jetzigen Geschäftsführer vorlegen kann und daher unklar bleibt, wie es zu den wechselseitigen Verletzungen der beteiligten Personen gekommen ist.
Normenkette
BGB § 626 Abs. 1; KSchG §§ 9-10; ZPO § 445 Abs. 1, § 447
Verfahrensgang
ArbG Iserlohn (Entscheidung vom 15.04.2015; Aktenzeichen 3 Ca 1964/14) |
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Iserlohn vom 15.04.2015 - 3 Ca 1964/14 - teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Es wird festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis weder durch die fristlose Kündigung vom 30.09.2014 noch durch die ordentliche Kündigung vom 26.11.2014 mit Ablauf des 31.05.2015 beendet wird.
Auf den Antrag der Beklagten wird das Arbeitsverhältnis zum 31.05.2015 gegen Zahlung einer Abfindung von 41.360,00 Euro brutto aufgelöst.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die rechtliche Wirksamkeit einer außerordentlichen fristlosen Kündigung sowie einer vorsorglich erklärten ordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses des Klägers sowie zuletzt einen hilfsweise gestellten Auflösungsantrag der Beklagten.
Der 51-jährige Kläger ist schwerbehindert mit einem Grad der Behinderung von 50. Seit Februar 1995 war er bei der Beklagten als Mitarbeiter im Bereich der Endkontrolle beschäftigt zu einem monatlichen Bruttoentgelt von etwa 3.520,00 Euro.
Am 29.08.2014 fand im Betrieb der Beklagten ab 17:00 Uhr ein Sommerfest statt.
Während des Festes kamen der Kläger und N, Schwiegersohn des (damaligen) Geschäftsführers und zwischenzeitlich selbst Geschäftsführer der Beklagten, miteinander ins Gespräch; sie unterhielten sich über die politische Lage in der Ukraine. Während der Unterredung verließen sie die Betriebskantine und begaben sich nach draußen. Vor dem Ausgang des Hauptgebäudes kam es zwischen beiden Personen kurz nach Mitternacht zu einer tätlichen Auseinandersetzung, deren genauer Hergang streitig ist.
Der Kläger erlitt einen Oberschenkelhalsbruch und eine Wunde am Kopf; er wurde ins Krankenhaus gebracht. Um 03:43 Uhr wurde bei dem Kläger eine Blutalkoholkonzentration von 1,6 Promille festgestellt.
Das Betriebsgelände der Beklagten wird im Bereich der Eingangstür von einer Kamera überwacht, die mit einem Bewegungsmelder ausgestattet ist. Im Rahmen einer angeordneten Durchsuchung der Geschäftsräume der Beklagten wurden die Aufzeichnungen der Kamera freiwillig an die Polizei übergeben. Über die tätliche Auseinandersetzung zwischen dem Kläger und dem Geschäftsführer der Beklagten liegen Kameraaufnahmen nicht vor.
Die Beklagte gab dem Kläger mit Schreiben vom 05.09.2014 (Bl. 47 d. A.) Gelegenheit, zu dem nächtlichen Vorfall vom 29.08./30.08.2014 bis zum 10.09.2014, 15:00 Uhr Stellung zu nehmen. Der Kläger antwortete mit Schreiben vom 09.09.2014, für dessen Einzelheiten verwiesen wird auf Bl. 48, 49 d. A.
Unter dem 16.09.2014 beantragte die Beklagte bei dem LWL-Integrationsamt Westfalen, Münster, die Zustimmung zur außerordentlichen und ordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses des Klägers. Das Integrationsamt erteilte unter dem 29.09.2014, der Beklagten durch Telefax am 30.09.2014 zugegangen (vgl. Bl. 115 d. A.), die Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung.
Mit Schreiben vom 30.09.2014 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis zu dem Kläger außerordentlich fristlos. Auf den Inhalt des Kündigungsschreibens, Bl. 7 d. A., wird verwiesen.
Nachdem das LWL-Integrationsamt durch Bescheid vom 04.11.2014 auch einer ordentlichen Kündigung zugestimmt hatte, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis des Klägers mit Schreiben vom 26.11.2014 vorsorglich ordentlich zum 31.05.2015.
Mit am 09.10.2014 beim Arbeitsgericht eingereichtem Feststellungsantrag hat sich der Kläger gegen die fristlose Kündigung vom 30.09.2014 zur Wehr gesetzt und seine Kündigungsschutzklage mit einem am 08.12.2014 beim Arbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz gegen die ordentliche Kündigung vom 26.11.2014 erweitert.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, dass die Beklagte die Kündigung nicht auf den dringenden Verdacht stützen könne, er habe den Geschäftsführer N zusammengeschlagen und mit Füßen getreten. Der Kläger hat behauptet, das Gespräch zwischen ihm und dem Geschäftsführer sei bereits beendet gewesen und er habe versucht, ein Taxi zu rufen, was ihm jedoch nicht gelungen sei. Dieses ergebe sich auch aus der Anrufliste seines Handys. Er habe sich dann in die Kantine begeben, um den Kollegen zu suchen, mit dem zusammen er habe nach Hause fahren wollen. Da er diesen Kollegen nicht gefunden habe, habe er die Kantine wie...