Entscheidungsstichwort (Thema)
Anrechnung von Tätigkeiten als Ratsmitglied auf Arbeitszeitkonto. Klärungsbedürftigkeit der Anrechnung von Mandatstätigkeiten auf Arbeitszeit
Leitsatz (redaktionell)
Es gibt keinen Anspruch auf die Gutschrift der Hälfte der im Rahmen der Ausübung des Ratsmandats aufgewendeten Zeit als vergütete "Tag-Ist-Zeit", insbesondere nicht nach § 44 Abs. 2 S. 4 GO NRW.
Normenkette
BGB § 616; BBG § 90 Abs. 4; GO NRW § 44 Abs. 2 S. 4; TV-BA § 32 Abs. 2; ZPO § 91 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Gelsenkirchen (Entscheidung vom 05.12.2019; Aktenzeichen 1 Ca 991/19) |
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts C vom 5. Dezember 2019 - 1 Ca 991/19 - abgeändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Erteilung von Zeitgutschriften auf dem für die Klägerin geführten Arbeitszeitkonto.
Die am 10. September 19xx geborene Klägerin ist auf der Grundlage eines Arbeitsvertrags vom 30. Mai 2005 sowie Änderungsvereinbarungen vom 18. Oktober 2006 und 31. Mai 2011 seit dem 1. Juli 2005 bei der Beklagten in Vollzeit angestellt. Seit dem 1. Januar 2011 ist die Klägerin im Jobcenter Arbeit für A und seit dem 1. Mai 2013 dort als Fallmanagerin tätig. Das Bruttomonatsgehalt der Klägerin beträgt 4.864,86 Euro. Die Klägerin ist Mitglied des Rates der Stadt B und hier der Fraktion "Y".
Die Beklagte ist eine bundesunmittelbare Körperschaft des öffentlichen Rechts mit Selbstverwaltung (§§ 367 ff. SGB III). Sie betreibt als Trägerin der Grundsicherung für Arbeitssuchende über die Agentur für Arbeit C gemeinsam mit der kreisfreien Stadt A das Jobcenter Arbeit für A als eine gemeinsame Einrichtung gemäß § 44b SGB II.
Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet der Tarifvertrag für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer der Bundesagentur für Arbeit (TV-BA) vom 28. März 2006 in der Fassung des 23. Änderungstarifvertrages vom 28. Juni 2019 kraft arbeitsvertraglicher Inbezugnahme Anwendung. § 32 Abs. 2 TV-BA lautet auszugsweise:
"Bei Erfüllung allgemeiner staatsbürgerlicher Pflichten nach deutschem Recht, soweit die Arbeitsbefreiung gesetzlich vorgeschrieben ist und soweit die Pflichten nicht außerhalb der Arbeitszeit, gegebenenfalls nach ihrer Verlegung, wahrgenommen werden können, besteht der Anspruch auf Fortzahlung des Gehalts [...] nur insoweit, als Beschäftigte nicht Ansprüche auf Ersatz des Gehalts geltend machen können. [...]"
Für das Jobcenter Arbeit für A wurde am 7. Mai 2012 mit Wirkung zum 14. Mai 2012 eine "Dienstvereinbarung über die Arbeitszeit beim Jobcenter Arbeit für A (DV Arbeitszeit)" abgeschlossen. Diese lautet in der Fassung vom 17. Januar 2018 auszugsweise:
"[...]
2. Flexible Arbeitszeit
2.1 Allgemeine Grundsätze
Alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter können unter Beachtung der dienstlichen Notwendigkeiten für eine ordnungsgemäße und rechtzeitige Leistungserbringung durch das Jobcenter Arbeit für A und der Regelungen dieser Dienstvereinbarung Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit sowie die Pausen oder andere Arbeitsunterbrechungen weitgehen selbst bestimmen. [...]
2.2 Soll-Arbeitszeit
Die arbeitstägliche Soll-Arbeitszeit beträgt grundsätzlich ein Fünftel der regelmäßigen gesetzlichen, tariflichen oder individuell vereinbarten wöchentlichen Arbeitszeit.
2.3 Ist-Arbeitszeit
Ist-Arbeitszeit ist die tatsächlich geleistete Arbeitszeit zuzüglich anrechenbarer Zeiten (siehe Abschnitt 3).
2.4 Arbeitszeitrahmen
(1) Der Arbeitszeitrahmen wird wie folgt festgelegt:
Der Rahmen für die flexible Arbeitszeit (Arbeitszeitrahmen) erstreckt sich von Montag bis Mittwoch jeweils von 06.30 Uhr bis 18.00 Uhr, donnerstags von 6.30 Uhr bis 18.30 Uhr und freitags von 06.30 Uhr bis 17.30 Uhr.
[...]
3. Arbeitsbefreiungen, Dienstreisen und sonstige Abwesenheitszeiten
[...]
3.1 Arbeitsbefreiungen mit Anrechnung auf die Arbeitszeit
Arbeitsbefreiungen bzw. Sonderurlaub ist nach den geltenden tarifrechtlichen und gesetzlichen Bestimmungen sowie der Sonderurlaubsverordnung zu gewähren. [...]
[...]"
Sitzungen des Rates der Stadt B und der Fraktion "Y" im Rat der Stadt B finden in der Regel montags statt. Die Klägerin informiert die Beklagte vorab über die Lage der Sitzungen.
In der Zeit bis einschließlich 8. April 2019 wurden der Klägerin bei ganztägiger Abwesenheit infolge der Ausübung des Mandats laut dem für sie geführten Buchungsjournal zum Arbeitszeitkonto, das für die Zeit vom 1. August 2017 bis zum 26. August 2019 in Abschrift zur Gerichtsakte gereicht worden ist und auf das insoweit Bezug genommen wird, stets sieben Stunden und 48 Minuten als "Ist-Arbeitszeit" im Sinne der Ziffer 2.3 DV Arbeitszeit (laut Buchungsjournal: "Tag Ist-Zeit") gutgeschrieben. Diese Vorgehensweise erfolgte aufseiten der Beklagten vor dem Hintergrund der tarifvertraglichen Regelung in § 32 Abs. 2 TV-BA, der hierzu erlassenen Durchführungsanweisungen und einem zum insoweit inhaltsgleichen § 29 Abs. 2 TVöD ergangenen Rundschreiben des Bundesminister...