Entscheidungsstichwort (Thema)

Wirtschaftliche Lage des Versorgungsschuldners in Unternehmens- oder Konzernstrukturen mit Beherrschungsvertrag. Voraussetzungen eines Berechnungsdurchgriffs auf die Verhältnisse der herrschenden Gesellschaft

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Verlangen die Betriebsrentner der abhängigen Gesellschaft während des Bestehens eines Beherrschungsvertrags eine Anpassung ihrer Betriebsrente, kommt es zunächst auf deren wirtschaftliche Lage an, weil sie Versorgungsschuldnerin bleibt. Die Anpassungsprüfungspflicht nach § 16 Abs. 1 und Abs. 2 BetrAVG trifft dasjenige Unternehmen, welches als Arbeitgeber die entsprechende Versorgungszusage erteilt hat. Auf seine wirtschaftliche Lage kommt es an. Das gilt auch dann, wenn der Arbeitgeber in einen Konzern eingebunden ist. Die Konzernverbindung allein ändert weder etwas an der Selbstständigkeit der beteiligten juristischen Personen noch an der Trennung der jeweiligen Vermögensmassen.

2. Ein möglicher Berechnungsdurchgriff auf die Verhältnisse der herrschenden Gesellschaft setzt voraus, dass das Bestehen eines Beherrschungsvertrags eine Gefahrenlage für das durch § 16 Abs. 1 BetrAVG geschützte Interesse der Betriebsrentner am Werterhalt laufender Leistungen der betrieblichen Altersversorgung schafft. Ein Berechnungsdurchgriff auf die wirtschaftliche Lage des herrschenden Unternehmens ist dann gerechtfertigt, wenn sich die durch den Beherrschungsvertrag für die Versorgungsempfänger begründete Gefahrenlage verwirklicht hat.

 

Normenkette

BetrVG § 16 Abs. 1-2

 

Verfahrensgang

ArbG Herne (Entscheidung vom 09.01.2013; Aktenzeichen 5 Ca 2251/12)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Herne vom 09.01.2013, Az. 5 Ca 2251/12, wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens und des Revisionsverfahrens 3 AZR 739/13 werden dem Kläger auferlegt.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Erhöhung der Betriebsrente des Klägers.

Der am 19. März 1939 geborene Kläger war in der Zeit vom 01.04.1954 bis zum 31.05.1996 bei der A GmbH & Comp. in B als Schweißer tätig. Diese Arbeitgeberin sagte ihm eine Betriebsrente gemäß den "Richtlinien über die Gewährung von Leistungen aus der Unterstützungskasse" der "Unterstützungseinrichtung der Firma A & Comp. e. V. in B" zu. Die Arbeitgeberin des Klägers befasste sich mit der Herstellung und dem Handel lüftungstechnischer Apparate und Anlagen. Sie war ihrerseits Mutterunternehmen der C Apparatebau GmbH in D, der späteren F GmbH.

Am 25.10.1995 schlossen die A GmbH & Comp. und der in ihrem Betrieb bestehende Betriebsrat einen Interessenausgleich und einen Sozialplan ab. 1995 wurden zunächst 57 Arbeitsplätze abgebaut. Das Arbeitsverhältnis des Klägers wurde mit Schreiben vom 20.10.1995 zum 31.05.1996 gekündigt. Das Ergebnis der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit der A GmbH & Comp. betrug im Jahr 1995 minus 5.844.198,60 €. 1996 baute die A GmbH & Comp. weitere 76 Arbeitsplätze ab. Das Ergebnis der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit betrug in diesem Jahr minus 3.507.517,50 €. Durch formwechselnden Umwandlungsbeschluss der Gesellschafterversammlung vom 25.08.1997 wurde die A GmbH & Comp. in die Beklagte umgewandelt. Die Eintragung der Umwandlung in das Handelsregister des Amtsgerichts Mönchengladbach erfolgte am 27.10.1997. Hauptgesellschafterin der Beklagten ist die F AG , die vormalige Beklagte zu 2). Ebenfalls am 25.08.1997 hat die Beklagte als beherrschtes Unternehmen mit der H Klimatechnik GmbH in G als herrschendes Unternehmen einen Beherrschungs- und Ergebnisabführungsvertrag mit Wirkung ab Beginn des Geschäftsjahres 1997abgeschlossen. Erstmals ab 1997 stattete die Beklagte die Unterstützungskasse durch Zuführung von Kassenvermögen mit finanziellen Mitteln aus. In den Jahren 1997 bis 2006 war das Ergebnis der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit der Beklagten negativ. Seit 1999 erfolgte durch die Beklagte zu 1) keine Produktions- oder Vertriebsleistung mehr; die Beklagte zu 1) beschäftigt seitdem keine Arbeitnehmer mehr.

Ab dem 01.04.1999 erhielt der Kläger auf der Grundlage der ihm erteilten Versorgungszusage eine monatliche Betriebsrente in seitdem unveränderter Höhe von 298,59 €.

Durch Vereinbarung vom 22. März 2002 wurde der zwischen der Beklagten und der H Klimatechnik GmbH bestehende Beherrschungs- und Ergebnisabführungsvertrag mit Wirkung zum 1. Juni 2002 aufgehoben. Am 10. September 2002 schloss die Beklagte als beherrschtes Unternehmen mit der Rechtsvorgängerin der F AG, der H AG, als herrschendes Unternehmen einen Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag ab. Im Jahre 2007 erzielte die Beklagte einen Unternehmensgewinn in Höhe von 293.855,58 € und im Jahre 2008 in Höhe von 743.030,08 € aus der Ergebnisübernahme der H GmbH. 2009 war das Ergebnis der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit der Beklagten wieder negativ, nachdem in diesem Jahr die Umstellung der Pensionsbewertung von Teilwertverfahren auf das Anwartschaftsverfahren zum 31.12.2009 vorgenommen wurde. Im Jahre 2010 belief...

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