Die Revision wird nicht zugelassen.
Entscheidungsstichwort (Thema)
Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall. Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung. individuelle regelmäßige Arbeitszeit. verspätetes Vorbringen in der Berufungsinstanz
Leitsatz (redaktionell)
1. Für den Umfang des Anspruchs auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall nach § 4 Abs. 1, § 3 Abs. 1 EntgeltfortzG ist die Dauer der individuellen Arbeitszeit des erkrankten Arbeitnehmers maßgeblich.
2. § 67 Abs. 4 ArbGG bestimmt, das neue Angriffs- und Verteidigungsmittel spätestens vom Berufungskläger in der Berufungsbegründung und vom Berufungsbeklagten in der Berufungsbeantwortung vorzubringen sind. Werden sie später vorgebracht, sind sie nur zuzulassen, wenn sie nach der Berufungsbegründung oder der Berufungsbeantwortung entstanden sind oder das verspätete Vorbringen nach der freien Überzeugung des Berufungsgerichts die Erledigung des Rechtsstreits nicht verzögern würde oder nicht auf einem Verschulden der Partei beruht.
Normenkette
EFZG § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1; ArbGG § 67 Abs. 4
Verfahrensgang
ArbG Herford (Urteil vom 08.07.2003; Aktenzeichen 3 Ca 2110/02) |
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Herford vom 08.07.2003 – 3 Ca 2110/02 – unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen teilweise abgeändert.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.865,95 EUR brutto nebst 5 % Zinsen über den Basiszinssatz seit dem 01.12.2002 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Zahlungsklage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Kläger zu 23 % und der Beklagten zu 77 % auferlegt.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger begehrt von der Beklagten die Erteilung einer Abrechnung und die Zahlung restlichen Arbeitsentgelts sowie die Herausgabe der Lohnsteuerkarte für das Jahr 2002.
Der Kläger war in der Zeit vom 13.08.2002 bis zum 30.11.2002 bei der Beklagten als Versandarbeitnehmer beschäftigt. Sein Stundenlohn betrug 10,23 EUR. Grundlage des Arbeitsverhältnisses war ein schriftlicher Arbeitsvertrag, in dem u.a. Folgendes vereinbart wurde:
„Die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit beträgt derzeit 38,0 Stunden. Die Lage der Arbeitszeit wird vom Arbeitgeber festgelegt.”
Die Beklagte betreibt ein Unternehmen, das sich mit der Herstellung und dem Vertrieb von Fenstern beschäftigt. Bei ihr werden regelmäßig mehr als fünf Arbeitnehmer beschäftigt. Ein Betriebsrat ist nicht gewählt.
Am 21.10.2002 fand ein Gespräch zwischen dem Kläger und Herrn V1xxxxxxxx jun. statt. Für den Zeitraum 22.10.2002 bis 22.11.2002 überreichte der Kläger der Beklagten ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen.
Die Beklagte rechnete die Vergütung des Klägers bis zum 21.10.2002 ab.
Mit Schreiben vom 05.11.2002 teilte sie dem Kläger u.a. Folgendes mit:
„Des Weiteren möchten wir Ihnen mitteilen, dass wir nur die tatsächlich gearbeiteten Tage im Oktober bezahlen werden. Das heißt: Die Bezahlung erfolgt bis einschließlich 21.10.2002. Ab dem 22.10.2002 haben Sie sich krankschreiben lassen.
Wir haben Ihnen am 21.10.2002 die schriftliche Kündigung zum 31.11.2002 ausgehändigt. Sie haben daraufhin mehreren Kollegen im Versandbereich, in dem Sie tätig waren, mitgeteilt, dass Sie morgen nicht mehr kommen werden und sich krankschreiben lassen wollen. Die Kollegen können dies bezeugen.”
Die vorliegende Klage hat der Kläger am 28.11.2002 erhoben.
Mit Schreiben vom 22.07.2003 teilte die IKK Westfalen dem Arbeitsgericht Folgendes mit:
„Sehr geehrte Damen, sehr geehrte Herren,
in obiger Angelegenheit verfolgen wir Erstattungsansprüche gemäß § 115 SGB X (Sozialgesetzbuch X).
Es fand inzwischen eine Güteverhandlung beziehungsweise ein Kammertermin statt.
Wir bitten Sie, uns eine Kopie des Sitzungsprotokolls zuzusenden. Dafür vielen Dank im Voraus.”
Mit Schreiben vom 15.08.2003 teilte die IKK Westfalen den Prozessbevollmächtigten des Klägers Folgendes mit:
„Sehr geehrte Damen und Herren,
wir beziehen uns auf unser Schreiben vom 12.05.2003. Die Herrn M2xxxx übersandte Erklärung wurde von ihm nicht zurückgesandt, so dass eine Überweisung der Geldleistung nicht möglich war.
Sofern das Urteil jedoch mittlerweile rechtskräftig geworden ist und eine Verpflichtung zur Entgeltfortzahlung beschlossen wurde, kann Krankengeld nicht mehr gezahlt werden. Die Ansprüche sind dann beim Arbeitgeber geltend zu machen.”
Der Kläger hat zur Stützung der Klage vorgetragen:
Er habe mit Herrn V1xxxxxxxx jun. ein Gespräch über die ausstehende Abrechnung von Überstunden geführt. Die Bezahlung von Überstunden sei von Herrn V1xxxxxxxx jun. abgelehnt worden, worauf er angekündigt habe, für den Fall, dass die Überstunden nicht bezahlt werden, er auch zukünftig keine Überstunden mehr leisten werde. Herr V1xxxxxxxx jun. habe daraufhin angedeutet, dass er in diesem Fall nicht mehr zu kommen brauche und die Kündigung zugeschickt bekäme. Es sei nicht richtig, dass er – der Kläger – erklärt habe, dass er krankfeiern würde.
Er sei in der Zeit vom 22.10.2002 bis 22.11.2002 arbeitsunfähig krank gewesen. Er verweise insoweit auf ...