Verfahrensgang
ArbG Gelsenkirchen (Urteil vom 02.03.1992; Aktenzeichen 2 (6) Ca 2841/92) |
Nachgehend
Tenor
1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Gelsenkirchen vom 2. März 1992 – 2 (6) Ca 2841/92 – abgeändert:
Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Kläger auferlegt.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Höhe von Spesenansprüchen des Klägers aus dem Jahre 1992.
Die Beklagte betreibt ein Speditionsunternehmen. Der Kläger ist bei ihr seit dem 7. Oktober 1991 als Kraftfahrer beschäftigt.
Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet kraft einzelvertraglichen Einbezugs der Bezirksmanteltarifvertrag für die gewerblichen Arbeitnehmer im privaten Güterverkehrsgewerbe Nordrhein-Westfalens vom 30. Juni 1988 (Bezirks-MTV) Anwendung. Nach dessen § 8 Nr. 2 erhalten
„Kraftfahrer … im Güter- und Möbelfernverkehr… für die Zeit, in der sie vom Sitz des Betriebes oder vom Standort des Fahrzeugs abwesend sind, folgende Spesensätze:
…
bei einer Abwesenheit von über 7 – 12 Stunden DM 16,50
bei einer Abwesenheit von über 12-18 Stunden DM 28,00
…”
Gemäß § 8 Nr. 3 des Bezirks-MTV sind
„bei auswärtigen Arbeiten im Nahverkehr (50 km) von mehr als 5-stündiger Dauer täglich … folgende … Spesensätze zu zahlen:
für Mittagessen DM 8,00 nach 14.00 Uhr
für Abendessen DM 8.00 nach 21.00 Uhr
…”
Der Kläger fuhr im Jahre 1992 mit seinem LKW Touren, die täglich regelmäßig am Betriebssitz der Beklagten in G. begannen und ihn zum Beladen mit Kohle nach H. F. oder B. (E.) und von dort jeweils zum Entladen nach G führten.
Für die von ihr auf ihren Betriebssitz G. straßenverkehrsrechtlich zugelassenen LKW hatte die Beklagte von der Möglichkeit des § 6 a des Güterkraftverkehrsgesetzes vom 10. März 1993 (GüKG) Gebrauch gemacht, einen anderen Ort als den ihres Sitzes oder den einer geschäftlichen Niederlassung zum „Standort” ihrer Kraftfahrzeuge im Sinne des § 6 des Gesetzes zu bestimmen. Dieser sogenannte „angenommene” Standort der betreffenden LKW war im maßgeblichen Zeitraum D.
Gemäß §§ 2, 3 GüKG entscheidet die Länge des Radius eines Kreises um den „Mittelpunkt des Standortes des Kraftfahrzeuges” darüber, ob letzteres im Nahverkehr oder im Fernverkehr eingesetzt wird. Bis Ende Mai 1992 war gemäß § 2 Abs. 2 GüKG „Nahzone” das Gebiet innerhalb eines entsprechenden Umkreises von 50 km. Mit Wirkung vom 27. Mai 1992 wurde § 2 Abs. 2 GüKG dahin geändert, daß als Nahzone nunmehr das Gebiet innerhalb eines Umkreises von 75 km um den Mittelpunkt des Standortes gilt.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die gesetzliche Änderung des Nahzonenbereichs sei wegen der tariflich eigenständigen Definition von Nahverkehr als Verkehr innerhalb einer 50-Kilometer-Zone tarifrechtlich ohne Auswirkung. Mit Schreiben seiner Prozeßbevollmächtigten vom 7. Oktober 1992 hat er Anspruch auf die Zahlung von Fernverkehrsspesen für seine Touren in der Zeit vom 1. Juni bis 30. Oktober 1992 erhoben. Ausgezahlte Nahverkehrsspesen läßt er sich anrechnen. Die Beklagte ist diesem Ansinnen entgegengetreten.
Mit drei am 22. Oktober 1992, am 30. Oktober 1992 und am 18. Dezember 1992 bei Gericht eingegangenen, ursprünglich selbständigen Klagen verfolgt der Kläger sein – der Höhe nach unstreitiges – Zahlungsbegehren weiter.
Er hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 1.100,50 DM zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat die Ansicht vertreten, die gesetzliche Ausweitung der Nahverkehrszone habe unmittelbare tarifrechtliche Konsequenzen.
Mit Urteil vom 2. März 1993 hat das Arbeitsgericht der Klage stattgegeben. In § 8 des Bezirks-MTV fehle jeder Hinweis darauf, daß auf die jeweilige Fassung des Güterkraftverkehrsgesetzes abzuheben sei. Im übrigen liege jedenfalls G. außerhalb selbst der 75-Kilometer-Zone um den Betriebssitz der Beklagten. Dieser wiederum, und nicht der „angenommene” Standort D., sei mit Blick auf die tarifliche Spesenregelung der maßgebliche Ausgangspunkt.
Das Urteil wurde der Beklagten am 27. April 1993 zugestellt. Mit einem am 21. Mai 1993 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz hat sie dagegen Berufung eingelegt und diese zugleich begründet. Sie rügt, das Arbeitsgericht habe die Rechtslage verkannt.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Gelsenkirchen vom 2. März 1993 abzuändern und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er behauptet, alle von ihm angefahrenen Orte lägen außerhalb einer 75-Kilometer-Zone um den Betriebssitz der Beklagten. Dagegen ist nach einer zweitinstanzlich eingeholten amtlichen Auskunft zwischen den Parteien unstreitig, daß sämtliche Orte innerhalb der Nahzone um den „angenommenen” Standort D. liegen.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den mündlich vorgetragenen Inhalt der zwischen den Parteien in beiden Rechtszügen gewechselten Schriftsätze und die Sitzungsniederschrift vom 25. August 1995 verwiesen.
Ent...