Entscheidungsstichwort (Thema)
Anforderungen an die Anhörung des Betriebsrats bei einer Kündigung innerhalb der Probezeit
Leitsatz (redaktionell)
Aus dem Grundsatz der subjektiven Determination folgt, dass die Substantiierungspflicht bei der Anhörung des Betriebsrats zu einer Kündigung innerhalb der Probezeit nicht an den objektiven Merkmalen des noch nicht anwendbaren § 1 KSchG zu messen ist, sondern allein an den Umständen, aus denen der Arbeitgeber subjektiv seinen Kündigungsentschluss herleitet.
Normenkette
BetrVG § 102
Verfahrensgang
ArbG Siegen (Entscheidung vom 03.12.2015; Aktenzeichen 3 Ca 1048/15 O) |
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Siegen vom 03.12.2015 - 3 Ca 1048/15 O - wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten noch über die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung während der Probezeit.
Die 1967 geborene und verheiratete Klägerin war seit dem 01.03.2015 als Verwaltungsfachkraft bei der Beklagten beschäftigt. Sie war in der Flüchtlingsunterkunft "S" in P tätig und erzielte einen monatlichen Bruttoverdienst in Höhe von 2.073,00 €. Die Beklagte beschäftigt mehr als 10 Arbeitnehmer. Bei ihr ist ein Betriebsrat eingerichtet.
Innerhalb der Flüchtlingsunterkunft hatte die Klägerin mehrfach ihre Meinung kundgetan und auf Missstände intern hingewiesen. Nach der Freistellung des ursprünglichen Einrichtungsleiters T Mitte Juni 2015 hatten die Klägerin und eine Kollegin nach entsprechender Aufforderung durch den Prokuristen der Beklagten für einen Zeitraum von einigen Tagen Verantwortung für die Unterkunft, bis der neue Leiter, Herr N, seine Stelle antrat. Dieser hatte die Klägerin am 21.06.2015 angerufen und gebeten, selbständig dafür Sorge zu tragen, dass ein Transfer mit Flüchtlingen ordnungsgemäß ablaufe. Die Klägerin arbeitete immer eng mit Polizeisicherheitsdiensten und der Bezirksregierung Arnsberg zusammen. Aufgrund massiver Verstöße gegen Vorschriften kam es zu erheblichen Beschwerden an die Bezirksregierung Arnsberg wie auch an das Innenministerium.
In der 26. Kalenderwoche des Jahres 2015 machte die Klägerin den Einrichtungsleiter darauf aufmerksam, dass sich ein Mitarbeiter aus dem Sozialdienst sein Auto von Bewohnern waschen ließ und diese Stunden über gemeinnützige Arbeit abgerechnet wurden.
In der 27. Kalenderwoche des Jahres 2015 machte die Klägerin den Einrichtungsleiter darauf aufmerksam, dass sich nachts auf Veranlassung der Sozialarbeiter Bewohner gemeinsam mit dem Sozialdienst in der Küche aufhielten und so die Gefahr von Hygienemängeln auftreten könnte.
Am 01.07.2015 bekam die Klägerin eine telefonische Meldung von einem Arzt in P, dass ein Bewohner bei ihm gewesen sei und der Patient die Windpocken hätte. Der Arzt bat die Klägerin, den Vorgang dem Gesundheitsamt zu melden. Nach Rücksprache mit dem Einrichtungsleiter erklärte dieser, dass sie das Gesundheitsamt nicht informieren solle, damit die Unterkunft nicht geschlossen werde. Die Klägerin rief dennoch den Arzt an und verblieb mit ihm so, dass er das Gesundheitsamt selbst informiere. Kurz darauf meldete sich das Gesundheitsamt bei der Klägerin und verlangte die Ausfertigung von Listen der Bewohner, darunter insbesondere Schwangere und Frauen, die gerade entbunden hatten. Herr N warf der Klägerin vor, dass sie es zu verantworten habe, dass man die Unterkunft für weitere Transfers sperren werde. Das Gesundheitsamt wies unter anderem an, infizierte Zimmerbewohner klar von anderen Bewohnern zu trennen. Herr N sperrte sich zunächst dagegen, die Bewohner im Hinblick auf durchzuführende Impfungen zu isolieren, gab dann aber widerwillig sein Einverständnis. Am 02.07.2015 arbeitete die Klägerin 16 Stunden. Der Einrichtungsleiter hatte die Unterkunft gegen 16 Uhr verlassen.
Am 03.07.2015 warf Herr N der Klägerin mit aufbrausender und lauter Stimme vor, was ihr einfalle, die Bewohner eigenmächtig zu isolieren. Er erklärte ihr, dass keine Zusammenarbeit mit dem Sicherheitsdienst und mit der Bezirksregierung gewünscht sei und dass er hoffe, dass das Gespräch nicht an die Bezirksregierung weitergegeben werde und sie darüber nachdenken solle, wann ihre Probezeit ende. Er machte ihr lautstark Vorwürfe, dass sie für die Situation verantwortlich sei, weil sie das Gesundheitsamt informiert hätte.
In der 28. Kalenderwoche des Jahres 2015 wies die Klägerin den Einrichtungsleiter darauf hin, dass Stundenzettel der Bewohner manipuliert worden seien.
Am 13.07.2015 fand eine Besprechung in der Einrichtung teil. Dazu war der Prokurist und Personalleiter I aus N1 in die Einrichtung gekommen. Der Inhalt des Gespräches ist zwischen den Parteien streitig.
In der 29. Kalenderwoche (=13.07.2015 - 19.07.2015) teilte sie dem Einrichtungsleiter mit, dass in der Küche bei der Essenausgabe eine Bewohnerin helfe, deren Tochter eine schwere und hochansteckende Pilzinfektion habe. Sie machte auf die Gefahr für andere Bewohner aufmerksam. Herr N erwiderte, dass dies nicht Aufgab...