Entscheidungsstichwort (Thema)
Rechtsmissbräuchlichkeit der Berufung eines Arbeitnehmers auf die fehlende Schriftform einer Eigenkündigung
Leitsatz (redaktionell)
1. Auch für Eigenkündigung des Arbeitnehmers gilt das Schriftformerfordernis des § 623 BGB, das im Falle einer mündlichen Kündigung nicht eingehalten ist.
2. Die Berufung des Arbeitnehmers auf die fehlende Schriftform der Kündigung ist auch nicht treuwidrig, da der Arbeitgeber vorliegend keine besondere Veranlassung hatte, auf die Gültigkeit der Erklärung trotz des Formmangels zu vertrauen. Der Arbeitnehmer setzt sich mit der Berufung auf den Formmangel zu seinem eigenen vorhergehenden Verhalten auch nur dann in Widerspruch, wenn er seinen Willen mit ganz besonderer Verbindlichkeit und Endgültigkeit mehrfach zum Ausdruck gebracht und damit einen besonderen Vertrauenstatbestand geschaffen hat (hier: verneint).
Normenkette
BGB §§ 623, 125-126, 242, 125 S. 1, § 126 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Iserlohn (Entscheidung vom 23.11.2016; Aktenzeichen 3 Ca 889/16) |
Tenor
Auf die Anschlussberufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Iserlohn vom 23.11.2016 - 3 Ca 889/16 - unter Zurückweisung der Berufung der Beklagten teilweise abgeändert und klarstellend wie folgt gefasst:
Es wird festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis über den 22.04.2016 hinaus ungekündigt fortbesteht.
Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger als Fahrer bis zum rechtskräftigen Abschluss dieses Rechtsstreits weiter zu beschäftigen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Frage, ob das Arbeitsverhältnis zwischen Ihnen durch mündliche Eigenkündigungen des Klägers sein Ende gefunden hat.
Der 1952 geborene Kläger ist seit dem 08.09.2015 im Betrieb der Beklagten, die mehr als 10 Arbeitnehmer beschäftigt, in einem geringfügigen Umfang als Fahrer beschäftigt. Mit Schreiben vom 22.04.2016 teilte die Beklagte dem Kläger mit, sie bestätige dessen mündliche Kündigung vom 07.04.2016 zum 22.04.2016. Weiter führte sie aus, der Kläger habe mehrfach zu unterschiedlichen Anlässen die Kündigung ausgesprochen, zuletzt sei von diesem eine Eigenkündigung gegenüber ihren Mitarbeiter M bestätigt worden. Das Arbeitsverhältnis ende somit am 22.04.2016. Wegen des weiteren Inhalts des Schreibens wird auf Blatt 11 der Akten Bezug genommen.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, dass das Schreiben vom 22.04.2016 nicht zu einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses führe. Es enthalte keine eigenständige Willenserklärung. Mündliche Kündigungen - so seine Behauptung - habe er nicht ausgesprochen. Dies sei aber auch irrelevant. Eine mündliche Kündigung sei nicht wirksam.
Der Kläger hat beantragt,
- festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht durch die Erklärung der Beklagten vom 22.04.016 aufgelöst worden ist, sondern ungekündigt fortbesteht.
- die Beklagte zu verurteilen, ihn bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens weiterzubeschäftigen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
und behauptet, der Kläger habe zu mehreren Anlässen eine Eigenkündigung ausgesprochen. So habe er am 07.04.2016 das Arbeitsverhältnis in einem Telefonat mit der Zeugin T anlässlich einer Tourenorganisation gekündigt und diese Kündigung gegenüber der Zeugin einige Stunden später telefonisch wiederholt. Wenige Tage nach der zweifach ausgesprochenen Eigenkündigung habe der Kläger mit dem Zeugen M telefoniert und sich dahingehend geäußert, dass er nicht mehr arbeiten werden, weil er am 07.04.2016 gekündigt habe. Angesichts der mündlich ausgesprochenen Eigenkündigungen habe sie, die Beklagte, die Zeugen L und T1 beauftragt, das Fahrzeug beim Kläger abzuholen. Im Zusammenhang mit der Fahrzeugabholung habe der Kläger gegenüber dem Zeugen L geäußert, er würde gerne weiterbeschäftigt werden. Über diese Aussage habe der Zeuge L die Zeugin T informiert. Daraufhin habe der Zeuge M den Kläger angerufen und angesichts der erfolgten Eigenkündigung nachgefragt, was es mit dieser Aussage auf sich habe. Der Kläger habe die Eigenkündigung erneut bestätigt und sodann anschließend dem Zeugen L am 23.04.2016 das Fahrzeug übergeben. Bei Übergabe des Kündigungsbestätigungsschreibens habe der Kläger erneut erklärt, dass er gekündigt habe. Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, Die vom Kläger mehrfach ausgesprochene mündliche Eigenkündigung sei wirksam. Dem Kläger sei es nach Treu und Glauben verwehrt, sich darauf zu berufen, dass die Schriftform nicht eingehalten sei.
Mit Urteil vom 23.11.2016 hat das Arbeitsgericht unter Klageabweisung im Übrigen festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht durch die Erklärung der Beklagten vom 22.04.2016 aufgelöst worden ist. Im Wesentlichen hat das Arbeitsgericht seine Entscheidung damit begründet, die Kündigung sei, sofern sie denn gegenüber der Beklagten abgegeben worden sei, jedenfalls gemäß § 623, 125 S. 1, 126 BGB unwirks...