Entscheidungsstichwort (Thema)
Zusage von Zusatzgeldern durch nicht tarifgebundenen Arbeitgeber. Sonderzahlungen eigener Art durch Arbeitgeber. Anspruch auf Zusatzgeld aufgrund Zusatzvereinbarung. AGB-Kontrolle von Zusatzvereinbarungen über Sonderzahlungen
Leitsatz (amtlich)
Sagt ein nicht tarifgebundener Arbeitgeber seinen Arbeitnehmern die Weitergabe der tariflichen Lohnerhöhungen der Metall- und Elektroindustrie NRW zu, so umfasst diese Zusage grundsätzlich nicht das in § 2 TV T-ZUG geregelte tarifliche Zusatzgeld T-ZUG (A) und T-ZUG (B), da es sich hierbei um eine Sonderzahlung eigener Art handelt.
Jedoch kann die im Einzelfall vorzunehmende Auslegung nach den für allgemeine Geschäftsbedingung geltenden Grundsätzen auch die Einbeziehung der Sonderzahlung gemäß § 2 TV T-ZUG ergeben.
Normenkette
TV T-ZUG Metall- und Elektroindustrie NRW § 2 Fassung: 2018-02-14; TV T-ZUG Metall- und Elektroindustrie NRW Fassung: 2018-02-14; BGB § 305c Abs. 2, § 307
Verfahrensgang
ArbG Herford (Entscheidung vom 26.11.2020; Aktenzeichen 1 Ca 98/20) |
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Herford vom 26. November 2020 - 1 Ca 98/20 - abgeändert und die Beklagte verurteilt,
- an ihn ausstehende Vergütung nach dem TVT-Zug (A) in Höhe von 956,22 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz der EZB seit dem 1. August 2019 zu zahlen sowie
- an ihn ausstehende Vergütung nach dem TVT-Zug (B) in Höhe von 400,00 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz der EZB seit dem 1. August 2019 zu zahlen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über das Bestehen eines Anspruchs auf Zahlung des Zusatzgelds nach § 2 des Tarifvertrags "Tarifliches Zusatzgeld für die Metall- und Elektroindustrie Nordrhein-Westfalens" vom 14. Februar 2018 (im Folgenden TV-ZUG).
Der 1965 geborene Kläger ist seit dem 1. August 1982 bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin als gewerblicher Mitarbeiter, zuletzt zu einem durchschnittlichen Bruttomonatsentgelt von 3.477,16 € beschäftigt.
Ein schriftlicher Arbeitsvertrag bestand zwischen den Parteien zunächst nicht.
Im Jahr 2010 verhandelte die Beklagte erfolglos mit der IG Metall über eine (weitere) Vereinbarung zur Erhöhung der Wochenarbeitszeit um 3,5 Stunden ohne Entgeltausgleich. Ein Ergebnis ließ sich jedoch nicht erzielen. Vor diesem Hintergrund kündigte die Beklagte ihre Tarifmitgliedschaft zum 31. Dezember 2010. Sie ist seitdem nur noch Mitglied im Unternehmerverband ohne Tarifbindung.
Die angestrebte Arbeitszeiterhöhung um 3,5 Stunden ohne Lohnausgleich wollte die Beklagte ab dem 1. Januar 2011 durch Individualvereinbarungen erreichen.
Zu diesem Zweck fand am 3. Dezember 2010 eine Betriebsversammlung bei der Beklagten statt, in der der Geschäftsführer sein künftiges Konzept erläuterte. Die konkreten Einzelheiten bezüglich der dort getätigten Äußerungen sind zwischen den Parteien streitig. Jedenfalls aber erhielten sämtliche Mitarbeiter im Nachgang ein Informationsschreiben (vgl. Bl. 41,42 d. A.) nebst Mustervereinbarung, in welchem es - soweit hiervon Interesse - heißt:
"Unser Konzept ab dem 1. Januar 2011
...
- Erhöhung der Wochenarbeitszeit um 3,5 Stunden ohne Entgeltausgleich für Beschäftigte in der 35-Stunden-Woche
...
Personalleitung und Führungskräfte der einzelnen Abteilungen werden dazu in diesem Monat mit allen tariflich Beschäftigten persönliche Gespräche führen, um diese Vertragsänderungen zu vereinbaren.
Bei einer Zustimmungsquote und Gesamtbeteiligung von mindestens 85 % zur 38,5 Stunden-Woche sichert die Geschäftsführung der T GmbH & Co. diesen Beschäftigten eine jährliche Erfolgsbeteiligung bei positiver Umsatzrentabilität in Höhe einer Rückvergütung von bis 1,5 Stunden pro Woche zu!
...
Die Geschäftsleitung versichert darüber hinaus, dass bei Erreichung der notwendigen Beteiligungsquote mit Ausnahme der Regelung zur Wochenarbeitszeit alle Tarifverträge für die nordrheinwestfälische Metall- und Elektroindustrie, die mit der IG Metall abgeschlossen worden sind, weiterhin im Betrieb zur Anwendung kommen.
Insbesondere werden künftige tarifliche Entgelterhöhungen, aber auch Urlaub, Urlaubsgeld und die Jahressonderzahlung (das sogenannte Weihnachtsgeld) auch in der Zukunft weiter in vollem Umfang gewährt...."
Mehr als 90 % der bei der Beklagten beschäftigten Arbeitnehmer unterschrieb noch im Dezember 2010 die der Mitarbeiterinformation beigefügte Musterzusatzvereinbarung.
Auch der hiesige Kläger unterschrieb unter dem 10. Dezember 2010 die zweiseitige "Zusatzvereinbarung zum Arbeitsvertrag", die auszugsweise wie folgt vorformuliert war (zum vollständigen Wortlaut s. Bl. 14,15 d.A.):
"4. Alle sonstigen Vertragsbedingungen und Vertragsbestandteile (inklusive Betriebszugehörigkeitszeiten und Kündigungsfristen) des zwischen den Parteien bestehenden Arbeitsvertrages bleiben unverändert bestehen.
5. Mit Ausnahme der Regelung zur Wochenarbeits...