Entscheidungsstichwort (Thema)

Eingruppierung in die Entgeltgruppe 8 der AVR.DW-EKD. Erzieher mit speziellen Aufgaben und Kenntnissen

 

Leitsatz (amtlich)

Für die Auslegung von unbestimmten Rechtsbegriffen in Richtbeispielen können die in derselben Entgeltgruppe aufgeführten Richtbeispiele maßgeblich sein.

 

Normenkette

AVR.DW-EKD § 12 und Anlage 1 (Entgeltgruppe 8)

 

Verfahrensgang

ArbG Iserlohn (Urteil vom 09.04.2010; Aktenzeichen 6 Ca 300/10)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 04.07.2012; Aktenzeichen 4 AZR 694/10)

 

Tenor

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Iserlohn vom 09.04.2010 – 6 Ca 300/10 – teilweise abgeändert und zur Klarstellung insgesamt wie folgt neu gefasst:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden der Klägerin auferlegt.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die richtige Eingruppierung der Klägerin nach den Arbeitsvertragsrichtlinien für Einrichtungen, die dem Diakonischen Werk der Evangelischen Kirche in Deutschland angeschlossen sind (im Folgenden: AVR.DW-EKD).

Die am 08.09.1963 geborene und geschiedene Klägerin ist seit dem 01.10.1996 bei dem Beklagten als Erzieherin aufgrund des schriftlichen Arbeitsvertrags vom 22.10.1996 beschäftigt. Nach dem Inhalt des Arbeitsvertrags finden auf das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien die AVR.DW-EKD in der jeweils gültigen Fassung Anwendung.

Der Beklagte ist Träger von rund 70 rechtlich nicht selbstständigen diakonischen Einrichtungen der Alten- und Behindertenarbeit, der pädagogischen Arbeit und vier Krankenhäusern/Kliniken und Arbeitgeber von rund 6000 Mitarbeitern. Die Klägerin ist in der Einrichtung des Beklagten „Haus W3”, bei der es sich um eine Wohneinrichtung für Menschen mit geistigen Behinderungen handelt, tätig. In dieser Einrichtung wohnen in der Wohngruppe 1, in der die Klägerin bis März 2010 ausschließlich tätig war, neun Bewohner, die von vier Betreuern betreut werden. Die Klägerin ist ausgebildete Erzieherin. Ferner verfügt sie über eine sonderpädagogische Zusatzqualifikation, die der Beklagte bis September 1999 von allen Erziehern, die in Einrichtungen des Beklagten Behindertenarbeit ausüben wollten und keine behindertenspezifische Ausbildung nachweisen konnten, verlangte. Die Schulung für den Erwerb der sonderpädagogischen Zusatzqualifikation umfasste fünf Wochen und fünf Reflexionsstunden.

Unter dem 16.06.2008 erteilte der Beklagte der Klägerin ein Zwischenzeugnis, das eine Aufgabenbeschreibung enthält. Wegen der Einzelheiten des Zwischenzeugnisses wird auf die zu der Akte gereichte Kopie (Bl. 168 d.A.) Bezug genommen. Seit März 2010 ist die Klägerin zusätzlich als Springerin in verschiedenen Einrichtungen des „Hauses W3” eingesetzt.

Im Zuge der Novellierung der AVR.DW-EKD zum 01.07.2007 wurde die Vielzahl der Vergütungs- und Fallgruppen, die sich bisher an der Vergütungsordnung des BAT orientierten, auf 13 Entgeltgruppen reduziert. Der Beklagte gruppierte daraufhin alle Beschäftigten in die neuen Entgeltgruppen um. Mit Wirkung zum 01.07.2007 wurde die Klägerin in die Entgeltgruppe 7 der AVR.DW-EKD übergeleitet.

Die Eingruppierung der Beschäftigten, auf deren Arbeitsverhältnisse die AVR.DW-EKD Anwendung finden, richtet sich nach § 12 AVR.DW-EKD, dessen Abs. 1 S. 1 hinsichtlich der Entgeltgruppen auf die Anlage 1 verweist. Wegen der Einzelheiten der vorliegend einschlägigen Regelungen wird auf die Seiten 3 bis 7 des erstinstanzlichen Urteils (Bl. 218 – 222 d.A.) Bezug genommen.

Mit ihrer am 17.12.2008 erhobenen Klage hat die Klägerin ihre Eingruppierung in die Entgeltgruppe 9, hilfsweise Entgeltgruppe 8 seit dem 01.07.2007 begehrt und einen Zahlungsanspruch in Höhe von zunächst 9.423,80 EUR brutto verfolgt, den sie später teilweise zurückgenommen hat.

Die Klägerin hat behauptet, ihre Tätigkeiten würden sich aus einer Stellenbeschreibung aus Mai 1995 ergeben, die für sämtliche pädagogischen Mitarbeiter des „Hauses W3” gelte. Besonders hervorzuheben sei die ihr übertragene Aufgabe der Erstellung der Sozial- und Verlaufsberichte. Ihre Tätigkeit setze somit anwendungsbezogene wissenschaftliche Kenntnisse und die verantwortliche Wahrnehmung der Aufgaben voraus. Sie entspreche aufgrund der eigenverantwortlich wahrzunehmenden Befugnisse und Kompetenzen der eines Diplom-Pädagogen. Jedenfalls habe sie bei Ausübung ihrer Tätigkeit eigenständig schwierige Aufgaben wahrzunehmen. Denn die im „Haus W3” betreuten Bewohner wiesen eine Vielzahl unterschiedlicher psychischer Behinderungen, psychiatrischer Erkrankungen und Störungen auf. Bei Übernahme der Betreuung eines Bewohners müsse sie zunächst feststellen, welche verschiedenen Formen von Erkrankungen gegeben seien, und wie ausgehend von diesen Beobachtungen das Leben des Bewohners gestaltet werden müsse, damit er sein Leben eigenständiger gestalten könne. Hierfür benötige sie erhebliche medizinische, sozialtherapeutische und pädagogische Kenntnisse über die Erkrankungen, den Verlauf und etwaige Besserungsmöglichkeiten.

Die Klägerin hat be...

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