Leitsatz (amtlich)
1. Die in einem Sozialplan enthaltene, an keine weiteren tatbestandlichen Voraussetzungen gebundene Regelung „Alle betroffenen Mitarbeiter erhalten die Zusage der bevorzugten Wiedereinstellung” stellt eine Inhaltsnorm dar, welche zugunsten der entlassenen Arbeitnehmer einen unverzichtbaren Rechtsanspruch begründet, bei der künftigen Besetzung von Arbeitsplätzen vor externen Bewerbern berücksichtigt zu werden.
2. Die erteilte Zusage ist jedoch im Wege der Auslegung auf solche Arbeitsplätze zu beschränken, die mit der früheren Beschäftigung vergleichbar sind, so daß Arbeitsplätze einer geringeren tariflichen Wertigkeit unberücksichtigt bleiben.
Verfahrensgang
ArbG Siegen (Urteil vom 23.02.1996; Aktenzeichen 3 Ca 1623/95) |
Nachgehend
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Siegen vom 23.02.1996 – 3 Ca 1623/95 – wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
Die Revision gegen das Urteil wird zugelassen.
Tatbestand
Mit seiner Klage nimmt der Kläger, welcher seit dem Jahre 1980 bei der Beklagten als Werkzeugmacher (Lohngruppe 8) beschäftigt war und im Rahmen einer Sozialplanregelung (Bl. 11 ff d.A.) aus dem Unternehmen der Beklagten zum 31.05.1994 ausgeschieden ist, die Beklagte auf Wiedereinstellung und entgangene Arbeitsvergütung mit der Begründung in Anspruch, die Beklagte habe mit der im Sozialplan enthaltenen Formulierung
„Alle betroffenen Mitarbeiter erhalten die Zusage der bevorzugten Wiedereinstellung”
rechtsverbindlich eine Wiedereinstellungsverpflichtung übernommen. Entsprechend der erteilten Zusage sei die Beklagte verpflichtet, die – wegen Erziehungsurlaubs – befristet frei gewordene Stelle eines Maschinenschlossers (Lohngruppe 7) ihm – dem Kläger – zu übertragen.
Durch Urteil vom 23.02.1996, auf welches wegen des weiteren Sachverhaltes Bezug genommen wird, hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt, die im Sozialplan enthaltene Regelung finde zwar auf das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger unmittelbare und zwingende Anwendung. Unabhängig von der Frage der beschränkten Laufzeit des Sozialplanes bis zum 31.12.1994 und unabhängig von der Frage, ob der Kläger auf einen etwaigen Wiedereinstellungsanspruch habe wirksam verzichten können, ergebe die Auslegung der genannten Sozialplanregelung, daß die Beklagte keine rechtsverbindliche Verpflichtung zum Abschluß von neuen Arbeitsverträgen habe eingehen wollen. Die Wiedereinstellung sei nicht uneingeschränkt, sondern lediglich „bevorzugt” zugesagt worden. Hieraus ergebe sich, daß sich die Beklagte bei der Auswahl etwa einzustellender Mitarbeiter ein Auswahlermessen vorbehalten habe. Auch aus der Tatsache, daß der Sozialplan keine Regelung darüber enthalte, inwiefern im Falle einer Wiedereinstellung die empfangene Sozialplanabfindung zurückzuzahlen sei, müsse gefolgert werden, daß die genannte Zusage allein als Absichtserklärung ohne entsprechenden Verpflichtungswillen auszulegen sei.
Gegen das ihm am 24.06.1996 zugestellte Urteil richtet sich die am 24.07.1996 eingelegte und nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 30.09.1996 am 26.09.1996 begründete Berufung des Klägers.
Unter Wiederholung seines erstinstanzlichen Vorbringens wendet sich der Kläger gegen die Auffassung des Arbeitsgerichts, die Sozialplanregelung stelle sich allein als unverbindliche Absichtserklärung dar. Die vom Arbeitsgericht vorgenommene Auslegung gehe an der sprachlichen Wirklichkeit vorbei. Sowohl sprachwissenschaftlich als auch nach dem Verständnis des kaufmännischen Rechtsverkehrs bedeute das Wort „Zusage” eine verbindliche Erklärung mit verpflichtendem Charakter. Daß der Sozialplan keinerlei Modalitäten der Wiedereinstellung beinhalte und der Beklagten gegebenenfalls ein Auswahlermessen unter mehreren wiedereinzustellenden Bewerbern zustehe, schließe die Verbindlichkeit der Zusage nicht aus. Die Formulierung, daß die Wiedereinstellung „bevorzugt” erfolge, stelle entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts kein Indiz für eine fehlende Verbindlichkeit der Regelung dar, sondern bedeute allein, daß dem aufgrund des Sozialplanes ausgeschiedenen Arbeitnehmer unter allen Umständen der Vorzug vor externen Bewerbern zu geben sei.
Bei der im Sozialplan enthaltenen Wiedereinstellungszusage handele es sich damit um eine normative, zwingende Regelung zwischen den Betriebsparteien, welche den Inhalt der unterworfenen Arbeitsverhältnisse ergreife. Für einen Verzicht auf die so begründeten Rechte sei unter diesen Umständen kein Raum. Die Laufzeitbeschränkung des Sozialplanes bis zum 31.12.1994 betreffe allein die Entstehung des Wiedereinstellungsanspruchs, nicht hingegen dessen Erfüllung. Daß es sich bei der frei gewordenen Stelle allein um einen befristet zu besetzenden Arbeitsplatz handele, stehe dem Klagebegehren nicht entgegen. Für die Zukunftssicherung des Klägers sei auch die Beschäftigung aufgrund eines befristeten Arbeitsvertrages von Belang...