Entscheidungsstichwort (Thema)

Urlaubsabgeltung bei fortbestehender Arbeitsunfähigkeit. krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit und Urlaubsabgeltung

 

Leitsatz (amtlich)

1. § 8 Nr. 1 Abs. 2 MTV Groß- und Außenhandel NRW enthält keine von § 7 Abs. 4 BUrlG abweichende Regelung zur Abgeltung des Urlaubs beim ausgeschiedenen Arbeitnehmer. Vielmehr regelt diese Tarifnorm lediglich die Voraussetzungen, unter denen der Urlaub ausnahmsweise im bestehenden Arbeitsverhältnis abzugelten ist.

2. Der Urlaubsanspruch ist grundsätzlich auf das Kalenderjahr bzw. den Übertragungszeitraum befristet und geht durch Zeitablauf nach § 275 Abs. 1 BGB unter. Der Urlaubsanspruch erlischt ausnahmsweise dann nicht, wenn der Arbeitnehmer den Urlaub wegen krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit gar nicht nehmen konnte (vgl. EuGH, Urteil vom 20.01.2009 – C-350/06, NZA 2009, 135; BAG, Urteil vom 24.03.2009 – 9 AZR 983/07, NZA 2009, 538).

3. Der Abgeltungsanspruch setzt die Wiedererlangung der Arbeitsfähigkeit und damit die Erfüllbarkeit des Urlaubsanspruchs im (fiktiv) fortbestehenden Arbeitsverhältnis nicht voraus (vgl. EuGH a. a. O.; LAG Düsseldorf Urt. v. 02.02.2009 – 12 Sa 486/06, NZA-RR 2009, 242 – Rev. 9 AZR 128/09).

4. Fehlt es für eine Unterscheidung zwischen dem gesetzlichen Mindesturlaub und dem „übergesetzlichen” Urlaub an einer eindeutigen einzelvertraglichen oder tariflichen Regelung, gelten für den übergesetzlichen Urlaub die Regelungen des BUlrG entsprechend (vgl. BAG a. a. O.; LAG Düsseldorf a. a. O.).

 

Normenkette

BUrlG § 7 Abs. 4; MTV Groß- und Außenhandel NRW § 8 Nr. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Hamm (Urteil vom 26.08.2008; Aktenzeichen 1 Ca 260/08)

 

Tenor

1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Hamm vom 26.08.2008 – 1 Ca 260/08 – abgeändert.

2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 2.845,15 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.02.2008 zu zahlen.

3. Die Kosten des Rechtsstreits werden der Beklagten auferlegt.

4. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über einen Urlaubsabgeltungsanspruch des Klägers.

Der Kläger war in der Zeit vom 01.09.2008 bis zum 15.01.2008 bei der Beklagten als Tischler im Kundendienst bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 38,5 Stunden und einem monatlichen Bruttoentgelt von zuletzt 2.367,26 EUR auf der Grundlage des schriftlichen Arbeitsvertrages vom 20. Juli 2001 beschäftigt.

Wegen der Einzelheiten dieses Arbeitsvertrages, nach dessen § 1 Nr. 3 die Tarifverträge für den Groß- und Außenhandel NRW in ihrer jeweils geltenden Fassung und deren Nachfolgeverträge Bestandteil des Arbeitsvertrages sind, wird auf Blatt 4 b bis 7 d.A. Bezug genommen.

Der Manteltarifvertrag für den Groß- und Außenhandel NRW vom 01.10.2007 (im Folgenden MTV Groß- und Außenhandel NRW) enthält u.a. folgende Regelungen:

§ 8 Urlaub

1. Das Urlaubsjahr ist das Kalenderjahr. In jedem Urlaubsjahr hat der Arbeitnehmer einen Anspruch auf Erholungsurlaub. Der Urlaub muss im laufenden Kalenderjahr gewährt und genommen werden. Eine Übertragung des Urlaubs auf das nächste Kalenderjahr ist nur statthaft, wenn dringende betriebliche oder in der Person des Arbeitnehmers liegende Gründe dies rechtfertigen. Im Falle der Übertragung muss der Urlaub in den ersten drei Monaten des folgenden Kalenderjahres gewährt und genommen werden.

Konnte der aus betrieblichen Gründen auf das Folgejahr übertragene Urlaub aus erneut dringenden betrieblichen Gründen oder in der Person des Arbeitnehmers liegenden Gründen bis zum 31.03. nicht genommen werden, ist er ausnahmsweise abzugelten.

§ 15 Fälligkeit und Erlöschen von Ansprüchen

  1. Der Urlaubsanspruch ist spätestens am 31.12. des Urlaubsjahres fällig.

Im Falle der tatsächlichen Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses während des Urlaubsjahres wird der Urlaub sofort fällig; § 15 Nr. 2. Abs. 2 Satz 2 gilt entsprechend. Der Urlaubsanspruch ist mit Ablauf des 31.03. des nachfolgenden Jahres ausgeschlossen.

Ist er ausnahmsweise abzugelten (§ 8 Nr. Abs. 2), verfällt der Urlaubsabgeltungsanspruch, wenn er nicht innerhalb einer Frist von drei Monaten durch Klage geltend gemacht wird. Ist der Arbeitnehmer ausgeschieden, so verkürzt sich die Klagefrist auf einen Monat.

Der Kläger war jedenfalls in der Zeit vom 30.05.2007 bis zum 14.01.2008 durchgehend arbeitsunfähig krank. Ob er danach die Arbeitsfähigkeit bis zum 31.03.2008 wieder erlangt hat, ist zwischen den Parteien streitig.

Das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien endete aufgrund einer schriftlichen Kündigung des Klägers vom 03.08.2008, in der der Kläger als Kündigungsgrund „gesundheitliche Gründe” angab und u.a. Abgeltung von 25 Urlaubstagen aus dem Jahr 2007 verlangte. Wegen der Einzelheiten des Kündigungsschreibens vom 03.08.2008 wird auf Blatt 17 d.A. Bezug genommen.

Nachdem auch die Geltendmachung des Urlaubsabgeltungsanspruchs mit Schreiben vom 09.01.2008 und der Fristsetzung zum 31.01.2008 ohne Erfolg blieb, hat der Kläger mit Schriftsatz vom 05. Februar 2008, der am 06. ...

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