Entscheidungsstichwort (Thema)

Zuständigkeit der deutschen Gerichtsbarkeit für die Klage eines Angestellten eines italienischen Konsulats wegen Auflösung seines Arbeitsverhältnisses

 

Leitsatz (redaktionell)

Ob die deutsche Gerichtsbarkeit für eine Klage eines Angestellten eines ausländischen Konsulats gegen den ausländischen Staat wegen der Auflösung des Arbeitsverhältnisses gegeben ist, richtet sich nicht nach der rechtlichen Form der Rechtsbeziehung, sondern nach dem Inhalt der ausgeübten Tätigkeit und deren funktionalen Zusammenhang mit diplomatischen und konsularischen Aufgaben. Dementsprechend ist die deutsche Gerichtsbarkeit nicht eröffnet für die Klage eines Angestellten mit hoheitlichen konsularischen Aufgaben wie Maßnahmen zur Rückführung italienischer Staatsangehöriger, Beglaubigungen und Legalisierungen etc.

 

Normenkette

GVG § 20 Abs. 2

 

Verfahrensgang

ArbG Dortmund (Entscheidung vom 10.03.2016; Aktenzeichen 4 Ca 4214/14)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 29.06.2017; Aktenzeichen 2 AZR 759/16)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Dortmund - 4 Ca 4214/14 - wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten, ob das zwischen ihnen bestehende Vertragsverhältnis entsprechend einem Schreiben der beklagten Partei vom 04.09.2014 zum 31.10.2014 beendet worden ist, sowie über die Erteilung eines Arbeitszeugnisses.

Der 1948 geborene Kläger ist italienischer Staatsangehöriger. Er war seit dem 01.07.1982 für das italienische Konsulat in E tätig.

Der Arbeitsvertrag datiert vom 01.01.1985. Wegen des schriftlichen Arbeitsvertrages in italienischerer Sprache wird auf Bl. 21 - 39 GA verwiesen, wegen der von dem Kläger vorgelegten beglaubigten Übersetzung aus der italienischen Sprache auf Bl. 105 - 109 GA. Laut Art. I des Vertrages ist der Kläger als "Hilfskraft eingestellt um exekutive Aufgaben zu verrichten". Gemäß Artikel XIII des Vertrages sollte der Vertrag an dem ersten Tag des folgenden Monats nach dem 65. Geburtsjahr des Klägers enden. Diese Regelung wurde mit Zusatzvereinbarung vom 22.05.2013 dahingehend abgeändert, dass der Vertrag ab dem ersten Tag des nächsten Monats nach dem 67. Geburtsjahr des Klägers enden sollte (Bl. 137 GA). Der Kläger erzielte zuletzt ein Monatseinkommen in Höhe von 3.714,81 € (netto) (Bl. 19 GA).

In der Präambel des Arbeitsvertrags vom 01.01.1985 werden die Normen des D.P.R. vom 05.01.1967 Nr. 18 genannt (italienischer Text Bl. 231 ff GA). In der vom Kläger überreichten Übersetzung des Art. 154 des D.P.R. vom 05.01.1967 heißt es (Bl. 262 GA):

Artikel 154

Regelung der Verträge

Die unter dem hiesigen Titel geregelten Verträge, wenn sie nicht ausdrücklich anderweitig geregelt worden sind, sind nach dem Gesetz am Ort der Beschäftigung geregelt. Unter Vorbehalt der Allgemeinen Normen des internationalen und vertraglichen Rechte für etwaige Streitigkeiten bezüglich der Anwendung des vorliegenden Dekretes ist das Gericht am Ort der Beschäftigung zuständig.

Die diplomatischen Vertretungen oder die konsularische Einrichtung erster Klasse werden nach Anhörung der örtlichen die Vereinbarkeit des Vertrages mit der örtlichen Muss-Bestimmungen überprüfen und werden jedenfalls gewährleistet, dass die Anwendung der örtlichen Bestimmungen, welche zu Gunsten des Beschäftigten günstiger sind ihre Anwendung an Stelle der Bestimmungen des vorliegenden Titel finden.

Die vertraglichen Bestimmungen müssen jedenfalls gewährleisten, dass das Personal mit der besseren Qualifikation eingestellt wird.

In Art. XV des Arbeitsvertrags ist geregelt (Bl. 38/39 GA, Bl. 108 GA):

"In jedem Fall [Übersetzung wörtlich: "im jeden Fall"] gelten die Immunitäten der Gerichtsbarkeit der konsularischen und diplomatischen Vertretungen."

Am 06.03.1998 stellte der Ministerpräsident des Landes Nordrhein-Westfalens dem Kläger einen Dienstausweis aus, wonach der Kläger als Mitglied des Verwaltungspersonals des italienischen Konsulats zu E geführt wird (Bl. 246 GA). Mit "Beschluss zur Übertragung von Konsularfunktionen Nr. 10/99" vom 12.04.1999 wurde der Kläger durch den italienischen Konsul in E bevollmächtigt, Konsularfunktionen auszuüben, nämlich die Gewährung von Beihilfen und Geldauszahlungen, Maßnahmen im Bereich der Rückführung italienischer Staatsbürger, die Entgegennahme und Übermittlung von Urkunden betreffend Nachlassangelegenheiten, Erhaltungs-, Aufsichts-, und Verwaltungsakte, sowie die Ausstellung von Bescheinigungen, Beglaubigungen und Legalisierungen (vgl. Bl. 247 GA). Mit "Beschluss zur Übertragung von Konsularfunktionen Nr. 20/00" vom 18.07.2000 wurde der Kläger ebenfalls zur Ausübung von Konsularfunktionen bevollmächtigt. Auch wurde ihm das Recht eingeräumt, eigenständig als Vertragsangestellter tätig zu sein (vgl. Bl. 249 GA). Mit "Beschluss zur Übertragung von Konsularfunktionen Nr. 19/2000" vom 17.07.2000 wurde der Kläger als eigenständig arbeitender Vertragsangestellter bevollmächtigt, in Abwesenheit des Vertragsangestellten D eigenständig notari...

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