Entscheidungsstichwort (Thema)
Ermäßigung der wöchentlichen Arbeitszeit. Teilzeitbeschäftigte und Altersdiskriminierung. Nach Altersstufen gestaffelte Reduzierung der Arbeitszeit. Folgen der Unwirksamkeit einer Arbeitszeitreduzierung
Leitsatz (amtlich)
1. Sieht eine Betriebsvereinbarung die Ermäßigung der wöchentlichen Arbeitszeit von 38 Std./Woche ab dem 40. Lebensjahr auf 36,5 Std./Woche und ab dem 50. Lebensjahr auf 35 Std./Woche vor, so kann die hierin begründete Differenzierung nach dem Lebensalter nicht als durch das gesteigerte Erholungsbedürfnis älterer Arbeitnehmer gerechtfertigt angesehen werden, wenn die Altersermäßigung (anteilig) auch auf Teilzeitbeschäftigte Anwendung findet. Das Motiv der Gleichbehandlung von Teilzeit- und Vollzeitbeschäftigten vermag hieran nichts zu ändern.
2. Die Unwirksamkeit der Regelung hat eine "Anpassung nach oben" in der Weise zur Folge, dass die Arbeitszeitverkürzung auf 35 Std./Wo bereits vor Vollendung des 50. Lebensjahres beansprucht werden kann.
3. Hat der AN danach wöchentlich mehr Stunden gearbeitet, als dies seiner reduzierten Arbeitsverpflichtung entsprach, steht ihm für die Vergangenheit ein Anspruch auf Schadensersatz in Geld zu.
Normenkette
AGG §§ 15, 7, 10; BetrVG § 77 Abs. 3; AGG § 1; TzBfG § 8
Verfahrensgang
ArbG Herford (Entscheidung vom 18.06.2013; Aktenzeichen 1 Ca 1445/12) |
Nachgehend
Tenor
Die Berufungen gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Herford vom 18.06.2013 - 1 Ca 1445/13 - werden mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Urteilstenor nach Neufassung des Klageantrages hinsichtlich des Feststellungsbegehrens wie folgt gefasst wird:
Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin Arbeitsvergütung zu zahlen in Höhe von 28,5/35 der den Vollzeitbeschäftigten gewährten Vergütung.
Von den Kosten des 2. Rechtszuges trägt die Klägerin 1/6, die Beklagte 5/6.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Mit ihrer Klage macht die 1964 geborene Klägerin, welche seit dem Jahre 1990 bei der beklagten Gewerkschaft bzw. deren Rechtsvorgängerin als Verwaltungsangestellte mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von derzeit 28,5 Stunden beschäftigt ist, einen Anspruch auf Schadensersatz wegen unzulässiger Altersdiskriminierung geltend.
Diesen Anspruch stützt die Klägerin auf den Standpunkt, die in § 9 der allgemeinen Arbeitsbedingungen (AAB) getroffene Regelung, nach welcher die wöchentliche Arbeitszeit der älteren Beschäftigten stufenweise ab dem 40. Lebensjahr und erneut ab dem 50. Lebensjahr um je 1,5 Std. abgesenkt werde, verstoße gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 i.V.m. § 1 AGG, da in unzulässiger Weise an das Merkmal des Alters angeknüpft werde. Entgegen der Auffassung der Beklagten liege keine zulässige unterschiedliche Behandlung wegen des Alters im Sinne des § 10 AGG vor. Insbesondere könne die Altersstaffelung nicht damit gerechtfertigt werden, dass hiermit dem altersbedingten Nachlassen der körperlichen und geistigen Kräfte und einem gesteigerten Erholungsbedürfnis älterer Arbeitnehmer Rechnung getragen werden soll. Zum einen sei nicht ersichtlich, dass bereits mit dem Lebensalter von 40 Jahren die Leistungsfähigkeit des Arbeitnehmers nachlasse und aus diesem Grunde eine Kompensation durch Arbeitszeitverkürzung geboten sei. Zum anderen stehe es mit dem angeblichen Ziel des Gesundheitsschutzes in Widerspruch, dass die Regelung auch auf Teilzeitkräfte Anwendung finde, welchen zusätzlich das Wahlrecht zugebilligt werde, anstelle einer anteiligen Arbeitszeitverkürzung eine entsprechende Vergütungserhöhung zu erhalten, wie dies anlässlich der Vollendung ihres 40. Lebensjahres auch bei der Klägerin selbst gehandhabt worden sei. Da im Falle der Unwirksamkeit einer Altersstaffelung allein eine Anpassung "nach oben" in Betracht komme, müsse sie - die Klägerin - so gestellt werden, als habe sie bereits das 50. Lebensjahr vollendet und die Voraussetzungen einer entsprechenden anteiligen Arbeitszeitverkürzung erreicht. Da ihr die zu beanspruchende Arbeitszeitverkürzung in der Vergangenheit nicht gewährt worden sei, stehe ihr hierfür ein Ausgleich in Geld, und zwar in rechnerisch unstreitiger Höhe von 104,-- € brutto/Monat nebst Zinsen zu. Für den weiteren Zeitraum bis zum Erreichen des 50. Lebensjahres begehrt die Klägerin eine Klärung der Rechtslage in Form eines Feststellungsbegehrens. Demgegenüber hat die Beklagte im Wesentlichen vorgetragen, die in § 9 AAB vorgesehene Altersstaffelung diene dem gesteigerten Erholungsbedürfnis älterer Arbeitnehmer und stelle danach eine nach § 10 Satz 1 AAG zulässige unterschiedliche Behandlung wegen Alters dar. Dass die Regelung auch auf Teilzeitkräfte Anwendung finde, rechtfertige sich unter dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung von Teilzeit- und Vollzeitbeschäftigten und könne danach nicht beanstandet werden.
Durch Urteil vom 18.06.2013 (Bl. 82 ff. d. A.), auf welches wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und der Fassung der Anträge - geric...