Die Revision wird nicht zugelassen
Entscheidungsstichwort (Thema)
Ordentliche Kündigung wegen Alkoholsucht des Arbeitnehmers
Normenkette
BetrVG § 102; KSchG § 1 Abs. 2
Verfahrensgang
ArbG Herne (Urteil vom 16.11.2005; Aktenzeichen 1 Ca 3561/04) |
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das (Schluss)Urteil des Arbeitsgerichts Herne vom 16.11.2005 – 1 Ca 3561/04 – abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden zu 3/4 der Beklagten und zu 1/4 dem Kläger auferlegt.
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob das zwischen ihnen begründete Arbeitsverhältnis durch die ordentliche Kündigung der Beklagten vom 30.09.2004 beendet wurde.
Die Beklagte stellt Kunststoffrohre her und beschäftigt insgesamt über 180 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Bei ihr besteht ein neunköpfiger Betriebsrat.
Der am 18.01.1948 geborene Kläger, der verwitwet und einem Kind zum Unterhalt verpflichtet ist, war seit dem 16.03.1982 bei der Beklagten als Kunststoffwerker in der Kunststoffrohrfertigung beschäftigt. Sein letztes Bruttomonatsentgelt betrug 2.100,00 EUR. Zu seinen arbeitsvertraglichen Aufgaben gehörte das Bedienen der Wickelautomaten zur Konfektionierung der produzierten Rohre gemäß Kundenauftrag.
Am 29.04.1992 wurde der Kläger in angetrunkenem Zustand an seinem Arbeitsplatz angetroffen und von der Beklagten wegen der hohen Unfallgefahr nach Hause geschickt. Diesen Vorfall mahnte die Beklagte mit Abmahnung vom 05.05.1992, wegen deren genauen Inhalts auf Bl. 28 der Gerichtsakte Bezug genommen wird, ab. In der Zeit von Januar 2001 bis April 2002 erschien der Kläger insgesamt fünfmal nicht an seinem Arbeitsplatz, da er Alkohol zu sich genommen und sich kurzfristig bei der Abteilungsleitung abgemeldet hatte. Der damalige Abteilungsleiter hatte dem Kläger in diesen Fällen jeweils antragsgemäß kurzfristig Urlaub gewährt. Im Anschluss an den Urlaub hatte jeweils ein klärendes Gespräch mit dem Kläger stattgefunden. In dem letzten Gespräch am 24.04.2002 hatte die Beklagte dem Kläger mitgeteilt, dass sie nicht weiter bereit sei, ihm im Falle eines Alkoholkonsums Urlaub zu gewähren.
Am 19.07.2002 erschien der Kläger wiederum alkoholisiert zur Arbeit. Er hatte Probleme mit seinem Sohn gehabt und geglaubt, nicht so viel getrunken zu haben, um seine Arbeit nicht mehr verrichten zu können. Er wurde sodann von Mitarbeitern der Beklagten nach Hause gebracht. Die Beklagte mahnte diesen Vorfall in der Folgezeit mit Abmahnung vom 25.07.2002, wegen deren genauen Inhalts auf Bl. 30 der Gerichtsakte Bezug genommen wird, ab.
Bereits am 22.07.2002 hatte der Kläger auf ein entsprechendes Angebot der Beklagten hin mit deren zuständiger Sanitätsschwester, Frau D5xxx M3xxxxxx, ein Beratungsgespräch geführt. Frau M3xxxxxx hatte den Kläger anlässlich dieses Gesprächs über Therapiemaßnahmen informiert, welche durch entsprechende Erfolgsquoten auch vom Arbeitgeber akzeptiert und unterstützt würden. Daraufhin stellte sich der Kläger bei der Suchthilfediakonie vor. Der zuständige Therapeut, Herr P3xx, riet ihm dazu, eine stationäre Entgiftung mit Langzeittherapie durchzuführen. Der Mitarbeiter R5xx der Beklagten bot dem Kläger in dem Zusammenhang an, für einen festgelegten Zeitraum im Anschluss an die stationäre Entgiftung nur die Frühschicht zu belegen, damit der Kläger regelmäßig an der Gesprächstherapie teilnehmen könne. Dieses Angebot wurde vom Kläger wegen möglicher finanzieller Einbußen (z.B. Verlust der Wechselschichtzulagen) abgelehnt. Noch im Jahre 2002, jedenfalls vor September 2002, begab sich der Kläger zum Zwecke einer stationären Entgiftung für drei Wochen ins Krankenhaus. Die Entgiftung selbst dauerte vier Tage, daran schloss sich eine stationäre Gesprächstherapie an. Im Anschluss daran nahm er seinen Angaben zufolge einmal wöchentlich an freiwilligen Gruppengesprächen beim „Blauen Kreuz” teil.
Im Jahre 2004 war der Kläger vom 15.05. bis 01.07.2004 arbeitsunfähig erkrankt. In der Zeit vom 15.05. bis 03.06.2004 hatte er wiederum an einer stationären Entgiftungsmaßnahme teilgenommen. Ab dem 04.06.2004 war er aufgrund einer Neuerkrankung, über die der Beklagten keine weiteren Erkenntnisse vorliegen, fortlaufend bis zum 01.07.2004 arbeitsunfähig krank.
Am 28.07.2004 trat der Kläger auf Drängen der Beklagten eine Langzeittherapiemaßnahme in der Paracelsus Berghof Klinik Bad Essen an. Diese Therapie wurde ausweislich des Entlassungsberichts der Klinik vom 09.08.2004 am 09.08.2004 mit dem Vermerk „sofort arbeitsfähig” beendet. Der Kläger war während seines Aufenthalts in der Paracelsus Berghofklinik Bad Essen beim Wasserballspielen auf den Beckenrand gefallen und hatte dies dem dort behandelnden Arzt mitgeteilt. Er wusste nicht, ob lediglich eine Prellung oder ein Bruch vorlag und wollte einen Arzt konsultieren. Dies hätte er zwar auch am Ort der Langzeittherapie tun können; er entschloss sich jedoch dazu, nach Hause zu fahren, um sich dort seinem Arzt vorzustellen. Der behandelnde Arzt der Paracelsus Berghofklini...