Entscheidungsstichwort (Thema)
Leiharbeitnehmer. Anspruch auf Fahrtkostenersatz. Unwirksamkeit der tariflichen Ausschlussfrist gem. Manteltarifvertrag CGZP i.d.F. des Änderungstarifvertrages vom 09.07.2008. keine Notwendigkeit der Verfahrensaussetzung
Leitsatz (amtlich)
1. Der Leiharbeitnehmer, der arbeitsvertraglich verpflichtet ist, seine Arbeitsleistung an wechselnden Arbeitsorten zu erbringen, kann vom Arbeitgeber die Erstattung von Fahrtkosten gem. § 670 BGB verlangen.
2. Der so begründete Zahlungsanspruch ist nicht aufgrund der arbeitsvertraglich in Bezug genommenen tariflichen Regelungen zwischen der Tarifgemeinschaft CGZP und dem Arbeitgeberverband AMP verfallen. Die im Änderungstarifvertrag vom 09.07.2008 enthaltene neugefasste tarifliche Ausschlussfrist ist wegen fehlender Tariffähigkeit der CGZP als unwirksam anzusehen, ohne dass es nach Erlass der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 14.12.2010 (1 ABR 19/10) zu eines gesonderten Verfahrens gem. § 97 Abs. 5 ArbGG bedarf. Eine Auslegung der arbeitsvertraglichen Bezugnahmeklausel in dem Sinne, dass mit der Verweisung auf die „jeweils gültige” Fassung des Tarifvertrages auf den Manteltarifvertrag vom 29.11.2004 Bezug genommen wird, über dessen Wirksamkeit die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts keine Aussage zulässt, scheidet aus Gründen der Intransparenz aus.
Normenkette
BGB § 670; Änderungstarifvertrag zum MTV zwischen CGZP und AMP § 19; ArbGG § 97 Abs. 5
Verfahrensgang
ArbG Bochum (Urteil vom 28.01.2011; Aktenzeichen 1 Ca 204/10) |
ArbG Bochum (Aktenzeichen 1 Ca 104/10) |
Nachgehend
BAG (Aktenzeichen 9 AZR 672/11) |
Tenor
Unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen wird auf die Berufung des Klägers das Urteil des Arbeitsgerichts Bochum vom 28.01.2011 – 1 Ca 204/10 – teilweise abgeändert:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 2.220,88 EUR zu zahlen nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszins seit 14.04.2009.
Von den Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger ¾, die Beklagte ¼.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Frage, ob dem Kläger als Leiharbeitnehmer ein Anspruch auf Fahrtkostenerstattung zusteht.
Der im Jahre 1950 geborene Kläger war aufgrund schriftlicher Arbeitsverträge vom 12.01.2006 (Bl. 110 f. d. A.) und 12.01.2008 (Bl. 107 f. d. A.) in der Zeit vom 16.01.2006 bis zum 31.03.2009 bei dem beklagten Zeitarbeitsunternehmen als Staplerfahrer und Helfer beschäftigt und wurde von Beginn des Arbeitsverhältnisses an auf wechselnden Baustellen der Entleihunternehmen eingesetzt. Fahrtkosten wurden von der Beklagten nicht erstattet. Erstmals mit Schreiben vom 03.03.2009 hat der Kläger Fahrtkosten auf der Grundlage eines Kilometersatzes von 0,30 EUR mit einem Gesamtbetrag von 9.136,20 EUR geltend gemacht. Dies ist Gegenstand der Klageforderung. Die Beklagte hat hiergegen eingewandt, als Zeitarbeitnehmer müsse der Kläger Fahrtkosten grundsätzlich selbst tragen, im Übrigen seien etwaige Ansprüche jedenfalls aufgrund der im Arbeits- und Tarifvertrag vorgesehenen Ausschlussfristen verfallen.
Durch Urteil vom 28.01.2011 (Bl. 131 ff. d. A.), auf welches wegen des weiteren erstinstanzlichen Parteivorbringens und der Fassung der Anträge Bezug genommen wird, hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung ist im wesentlichen ausgeführt worden, grundsätzlich sei es Sache des Arbeitnehmers, wie er zur Arbeit komme und welche Beförderungsmittel er dabei benutze. Dies gelte auch bei wechselnden Einsatzorten und im Falle der Leiharbeit. Für einen Aufwendungsersatzanspruch gemäß § 670 BGB sei damit in Übereinstimmung mit den zitierten Entscheidungen des LAG Hamm und des LAG Rheinland-Pfalz kein Raum. Selbst wenn aber – der Rechtsprechung der Landesarbeitsgerichte Köln und Düsseldorf folgend – im Grundsatz ein Anspruch auf Aufwendungsersatz in Betracht komme, fehle es vorliegend an ausreichenden Angaben zur Höhe der entstandenen Aufwendungen. Der steuerrechtlich maßgebliche Betrag von 0,30 EUR/km sei für die Berechnung der entstandenen Aufwendungen nicht von Belang, mangels näherer Darlegung sei auch für eine Schätzung gemäß § 287 Abs. 2 ZPO kein Raum. Auf die Frage der Anwendbarkeit etwaiger Ausschlussfristen komme es unter diesen Umständen nicht an.
Mit seiner rechtzeitig eingelegten und begründeten Berufung verfolgt der Kläger sein Begehren auf Zahlung von Aufwendungsersatz unverändert weiter und führt aus, schon in Anbetracht des geringen Arbeitsverdienstes von 7,– EUR/Stunde könne es nicht zutreffen, dass mit der Zahlung der Arbeitsvergütung auch die Aufwendungen für die Fahrten zu entfernten Einsatzorten abgegolten seien. In Anbetracht der Tatsache, dass der Leiharbeitnehmer ohnehin nicht im Betrieb des Arbeitgebers, sondern stets auswärts eingesetzt werde, bestehe auch kein Grund dafür, die Fahrkosten für den Weg vom Wohnsitz zum Betrieb und zurück von den zu erstattenden Aufwendungen abzusetzen. Selbst wenn aber eine entsprechende Kürzung mit 18 km/Tag berücksichtigt werde, lasse dies den geltend ge...