Entscheidungsstichwort (Thema)
Rechtliche Einordnung einer Tätigkeit als Handelsvertreter. Abgrenzung von abhängiger und selbständiger Beschäftigung
Leitsatz (redaktionell)
Der für das Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses erforderliche Grad der persönlichen Abhängigkeit eines Mitarbeiters im Vertrieb ist nicht gegeben, wenn dieser keine festen Arbeitszeiten hat und eine hinreichend enge Einbindung in die betriebliche Organisation nicht feststellbar ist. Dass bei urlaubsbedingten Abwesenheitszeiten dafür Sorge zu tragen war, dass diese kompensiert wurden und dass der Mitarbeiter an betrieblichen Schulungen teilgenommen hat, spricht nicht entscheidend für eine Arbeitnehmereigenschaft.
Normenkette
HGB § 84 Abs. 1 S. 2; GewO § 106 S. 1; BGB § 611a
Verfahrensgang
ArbG Bochum (Entscheidung vom 13.01.2016; Aktenzeichen 3 Ca 1131/15) |
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Bochum vom 13.01.2016 - 3 Ca 1131/15 - abgeändert und die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um das Bestehen und die Beendigung eines Arbeitsverhältnisses sowie um Entgeltansprüche des Klägers.
Der Kläger ist seit 1997 bei der Beklagten als Verkäufer tätig; die Rechtsgrundlage dieser Tätigkeit steht zwischen den Parteien in Streit. Die Beklagte vertreibt mit regelmäßig mehr als zehn Arbeitnehmern Rollladen, Rolltore, Fenster und Garagentore. Neben dem Geschäftsführer H G sind bei der Beklagten auch seine Brüder W und N G tätig. Die Beklagte zahlte an den Kläger auf der Grundlage von dem Kläger gestellter Rechnungen monatlich durchschnittlich 4.300,00 EUR, wobei dem Kläger ein monatliches Fixum in Höhe von 2.400,00 EUR gezahlt wurde nebst entsprechendem variablem Anteil.
Der Kläger ist schwerbehindert mit einem Grad der Behinderung von 60.
Auf einer internen, aus einem Datenverarbeitungsprogramm ersichtlichen Mitarbeiterauflistung (Bl. 33 d. A.) geht hervor, dass unter dem Punkt "Vertrieb" folgende Namen aufgelistet sind: G H, G N, G W, F, X.
Der Kläger war, Urlaubs- und Krankheitszeiten ausgenommen, montags bis donnerstags von 8.00 Uhr bis 17.00 Uhr und freitags von 8.00 Uhr bis 16.00 Uhr entweder in seinem Büro bei der Beklagten oder bei Außenterminen tätig. In den letzten Jahren seiner Tätigkeit nahm er zu Beginn des jeweiligen Tages gegen 7.30 Uhr an den Besprechungen mit den Monteuren hinsichtlich der Durchführung der anstehenden Aufträge teil.
Dem Kläger stand bei der Beklagten ein eigenes Büro zur Verfügung, welches er sich mit dem angestellten Mitarbeiter F teilte. An einem Tag der Woche befand sich der Kläger ausschließlich in diesem Büro. Auch der Mitarbeiter F hatte einmal in der Woche einen sogenannten Bürotag. Sowohl der Kläger als auch der Mitarbeiter F nahmen an ihrem jeweiligen Bürotag im Zeitraum von 12.00 Uhr bis 13.30 Uhr ihre Mittagspause war. Der Kläger war für mindestens zwölf Stunden in der Woche in dem Büro tätig. Im Jahr 2014 nahm der Kläger 1.287 Termine wahr. Er nahm an insgesamt sieben Schulungen teil.
Die Wahrnehmung der Außentermine des Klägers wurde bei der Beklagten mit Hilfe eines computergestützten Datenverarbeitungsprogramms organisiert. In dieses trugen Mitarbeiter der Beklagten Kundentermine ein, die der Kläger sodann wahrnahm. Etwa 60 % der Termine wurden auf diese Weise für den Kläger eingetragen, etwa 40 % seiner Termine organisierte der Kläger eigenständig.
Außerhalb seines Büros bei der Beklagten hatte der Kläger keinen Zugriff auf das betriebsinterne Datenverarbeitungsprogramm. Im Wechsel mit den angestellten Mitarbeitern der Beklagten betreute der Kläger einmal monatlich samstags eine Produktausstellung. Der Kläger trat für die Beklagte bei Gerichtsterminen als Zeuge bei Mängelrügen auf und wurde von ihr als Mitarbeiter benannt. Durch ein entsprechendes Ausfüllen eines vorgedruckten Formulars nach jedem Kundenbesuch ließ sich die Beklagte von dem Kläger darüber informieren, durch welche Marketingmaßnahmen Kunden auf sie aufmerksam geworden und ob sie mit Leistung und Produkten zufrieden waren (Bl. 130p d. A.). Abwesenheitszeiten des Klägers, etwa aufgrund von Urlaub, wurden bei der Beklagten in eine Übersichtstafel eingetragen (für das Jahr 2012: Bl. 40 d. A.).
Der Kläger legte der Beklagten einen Urlaubsantrag vor (Bl. 39 d. A.), welcher durch N G gegengezeichnet wurde. Über dem entsprechenden Kürzel von N G befinden sich die Worte: "genehmigt durch". Auf dem Urlaubsantrag sind die beantragten Urlaubszeiten vom 11.03.2013 bis 15.03.2013 sowie vom 13.05.2013 bis zum 27.05.2013 ersichtlich. Zudem ist ersichtlich, dass von dem "Anspruch im laufenden Jahr" in Höhe von 31 Urlaubstagen noch 16 Tage "Resturlaub" verbleiben. Der Urlaubsantrag trägt das Antragsdatum 09.01.2013. Der Kläger übersandte mit E-Mail vom 10.02.2015 die Kopie einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (Bl. 252 d. A.). Auf vier Angebotsschreiben der Beklagten an Kunden (Bl. 242 bis 250 d. A.) ist jeweils unter "Sachbearbeite...