Verfahrensgang
ArbG Hagen (Westfalen) (Aktenzeichen 1 Ca 1477/76) |
Tenor
I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil der 1. Kammer des Arbeitsgerichts Hagen – 1 Ca 1477/76 – aufgehoben.
II. Die Sache wird zur weiteren Verhandlung an das Gericht des ersten Rechtszuges zurückverwiesen, das auch über die Kosten des Berufungsverfahrens zu entscheiden hat.
III. Der Wert des Streitgegenstandes beträgt unverändert 4.092,– DM.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die soziale Rechtfertigung einer Kündigung.
Der über 18 Jahre alte Kläger, der die spanische Nationalität besitzt, trat am 6.9.1973 gegen einen Stundenlohn von zuletzt 7,75 DM als Arbeiter in den Dienst der Beklagten, die ihn in ihrem Werk in W. beschäftigte, wo mehr als regelmäßig 5 Arbeitnehmer (ohne Lehrlinge) tätig sind. Am 25.8.1976 kündigte die Beklagte dem Kläger fristgerecht zum 15.9.1976.
Mit der am 13.9.1976 bei dem Arbeitsgericht Hagen eingereichten Klage macht der Kläger die Rechtsunwirksamkeit der Kündigung wegen Sozialwidrigkeit geltend.
Die vom 8. September datierte Klageschrift trägt die Unterschrift des L. E. P., der als Abteilungsleiter (Berater für Arbeits- und Sozialfragen) bei dem Sozialattaché der Spanischen Botschaft in Bonn-Bad G. angestellt ist und eine auf ihn lautende Prozeßvollmacht vorgelegt hat. Im Verlaufe des ersten Rechtszuges ist aufgrund einer entsprechenden Vollmacht des Klägers für diesen der Leiter der Spanischen Kommission in R., P. D., als Prozeßbevollmächtigter auf getreten.
Der Kläger hat zunächst beantragt,
festzustellen, daß sein Arbeitsverhältnis durch die Kündigung der Beklagten nicht aufgelöst worden ist.
In der letzten mündlichen Verhandlung erster Instanz hat der Kläger zusätzlich beantragt,
seine Klage nachträglich zuzulassen.
Die Beklagte, die ihre Kündigung als sozial gerechtfertigt darstellt und dementsprechend die
Abweisung der Klage
erstrebt, hat insoweit gebeten, den Zulassungsantrag zurückzuweisen.
Die 1. Kammer des Arbeitsgerichts Hagen hat durch am 22.6.1977 verkündetes Urteil – 1 Ca 1477/76 – die Klage auf Kosten des Klägers als unzulässig abgewiesen und den Streitwert auf 4.092,– DM bestimmt.
In seinen Entscheidungsgründen hat das Erstgericht ausgeführt, die Klage sei nicht rechtswirksam erhoben worden, weil der Kläger sich hierbei gemäß § 11 Abs. 1 ArbGG nicht durch einen Angehörigen seiner Botschaft habe vertreten lassen können. Über den Zulassungsantrag nach § 5 KSchG könne nicht entschieden werden, da er eine wirksame Feststellungsklage voraussetze, woran es vorliegend fehle.
Gegen das ihm am 1.7. zugestellte Urteil richtet sich die am 8.7. eingelegte und am 20.7.1977 begründete Berufung des Klägers, mit der er sich gegen die Abweisung seiner Klage durch Prozeßurteil wendet.
Der Kläger, der geltend macht, er habe sich bei der Klageerhebung durch einen Botschaftsangehörigen vertreten lassen können, beantragt,
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Wegen des sonstigen Sachverhalts und Parteivorbringens wird auf den übrigen Akteninhalt Bezug genommen.
Aufgrund der zustimmenden Erklärungen der Beklagten vom 12.8. und des Klägers vom 19.8. ist durch Beschluß vom 22.8.1977 gemäß § 128 Abs. 2 ZPO angeordnet worden, daß eine Entscheidung des Gerichts ohne mündliche Verhandlung getroffen werden soll.
Entscheidungsgründe
I. Die zulässige Berufung des Klägers muß zur Aufhebung des angefochtenen Urteils führen, da es die Zulässigkeit der Klage rechtsirrig verneint hat.
Die Klageerhebung durch den Botschaftsangehörigen Paradela als Prozeßbevollmächtigten ist nämlich rechtlich nicht zu beanstanden.
II. Gemäß § 11 Abs. 1 ArbGG kann vor dem Arbeitsgericht jede Partei den Rechtsstreit entweder selbst führen oder sich vertreten lassen.
1. Die in § 11 Abs. 1 ArbGG getroffene Regelung, die als Prozeßbevollmächtigte Vertreter von Gewerkschaften und Arbeitgebervereinigungen, Vertreter von selbständigen Arbeitnehmervereinigungen mit sozial- oder berufspolitischer Zielsetzung und Rechtsanwälte vorsieht, hat keinen ausschließlichen Charakter.
2. Daneben gilt auch für den (Partei-)Prozeß vor dem Arbeitsgericht die Vorschrift des § 79 ZPO, nach der die Parteien den Rechtsstreit durch jede prozeßfähige Person als Bevollmächtigten führen können. Denn nach § 46 Abs. 1 Satz 1 ArbGG sind für das Urteilsverfahren des ersten Rechtszuges die Bestimmungen der Zivilprozeßordnung über das Verfahren vor den Arbeitsgerichten entsprechend anzuwenden, soweit im ArbGG nichts anderes vorgeschrieben ist. Daß § 79 ZPO durch § 11 Abs. 1 ArbGG nicht verdrängt worden ist, ist im Schrifttum herrschende Meinung (vgl. z. B. Dietz-Nikisch, ArbGG, 1954, § 11 Anm. 29; Rohlfing-Rewolle, ArbGG, 1970, § 11 Anm. 12; Dersch-Volkmar, ArbGG, 6. Aufl. 1955, § 11 Anm. 19; Hueck-Nipperdey, Lehrbuch des Arbeitsrechts, Bd. I, 7. Aufl. 1963, § 98 II 2 a ...