Entscheidungsstichwort (Thema)
Einigungsstelle. Beschwerde. offensichtliche Unzuständigkeit
Leitsatz (amtlich)
Die Einrichtung einer Einigungsstelle über die Berechtigung einer Beschwerde des Arbeitnehmers nach § 85 II 1 BetrVG kommt wegen offensichtlicher Unzuständigkeit der Einigungsstelle nicht in Betracht, wenn aus dem mit der Beschwerde gerügten Sachverhalt ein individualrechtlicher Anspruch des Arbeitnehmers hergeleitet werden kann (§ 85 II 3 BetrVG). Die Einigungsstelle hat auch nicht über vermeintliche Rechtsansprüche zu befinden.
Normenkette
BetrVG § 85 II; ArbGG § 98
Verfahrensgang
ArbG Köln (Beschluss vom 24.06.1999; Aktenzeichen 6 BV 120/99) |
ArbG Köln (Aktenzeichen 17 BVGa 37/98) |
Tenor
Auf die Beschwerde der Arbeitgeberin wird der am 24.06.1999 verkündete Beschluss des Arbeitsgerichts Köln – 6 BV 120/99 abgeändert:
Die Anträge des Betriebsrats werden zurückgewiesen.
Tatbestand
I.
Die Beteiligten streiten über die Bildung und Besetzung einer Einigungsstelle.
Antragsteller ist der Betriebsrat im Betrieb der Arbeitgeberin, die in der Einzelhandelsbranche Möbel und Einrichtungsgegenstände verkauft. Mit Schreiben vom 14.05.1999 beschwerte sich der Arbeitnehmer und stellvertretende Betriebsratsvorsitzende M bei der Arbeitgeberin und beim Betriebsrat mit der Begründung, der Mitarbeiter H , Gesamtprokurist und Leiter des Einkaufs der Arbeitgeberin, habe ihn am 15.04.1999 zunächst am Kopf und sodann in die Seite geschlagen und ihm dadurch nicht unerhebliche Verletzungen zugefügt; der Beschwerde solle dadurch abgeholfen werden, dass die Arbeitgeberin den Mitarbeiter H unverzüglich aus dem Betrieb entfernt.
Mit Schreiben vom 18.05. und 25.05.1999 teilte die Arbeitgeberin dem Beschwerdeführer und dem Betriebsrat mit, dass sie den von Herrn M beschuldigten Mitarbeiter H sowie den Zeugen Sch zu dem Vorfall am 15.04.1999 befragt habe mit dem Ergebnis, dass es nach deren Aussagen zu einer Tätlichkeit des Herrn H gegenüber Herrn M nicht gekommen sei. Der Forderung nach Abhilfe der Beschwerde in der Weise, dass der Angestellte H aus dem Betrieb entfernt wird, könne sie daher nicht nachkommen.
Am 11.06.1999 hat der Betriebsrat unter Berufung auf § 85 Abs. 2 Satz 1 BetrVG das vorliegende Bestellungsverfahren nach § 98 ArbGG eingeleitet. Am 24.06.1999 hat das Arbeitsgericht beschlossen:
- Zum Vorsitzenden einer Einigungsstelle wegen der Entscheidung über die Berechtigung der Beschwerde des Arbeitnehmers M vom 14.05.1999 wird Herr Richter am Arbeitsgericht Bonn R bestellt.
- Die Anzahl der von jeder Seite zu benennenden Beisitzer wird auf je zwei festgesetzt.”.
Gegen den am 01.07.1999 zugestellten Beschluss hat die Arbeitgeberin am 14.07.1999 Beschwerde eingelegt. Sie vertritt die Auffassung, die Einigungsstelle sei offensichtlich nicht zuständig, da ein Rechtsanspruch des Mitarbeiters M im Sinne des § 85 Abs. 2 Satz 3 BetrVG im Streit stehe. Diesem Mitarbeiter stehe die Möglichkeit offen, seine Ansprüche in einem Individualrechtsverfahren zu klären. Solche Ansprüche könnten nicht im Wege des Einigungsstellenverfahrens auf Kosten der Arbeitgeberin verfolgt werden.
Die Arbeitgeberin beantragt,
den angefochtenen Beschluss abzuändern und die Anträge des Betriebsrats zurückzuweisen.
Der Betriebsrat beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Er trägt vor, mit der Beschwerde werde die Entfernung des Arbeitnehmers H begehrt. Da Herr M aber tatsächlich keinen einklagbaren Anspruch auf Entfernung des Arbeitnehmers H habe, beinhalte seine Beschwerde keinen Rechtsanspruch im Sinne des § 85 Abs. 2 Satz 3 BetrVG.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der in beiden Instanzen gewechselten Schriftsätze und die eingereichten Unterlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
II.
Die statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde der Arbeitgeberin hat in der Sache Erfolg.
Die Anträge des Betriebsrats zur Einrichtung einer Einigungsstelle nach § 85 Abs. 2 Satz 1 BetrVG sind unbegründet, denn die Einigungsstelle ist nach § 98 Abs. 1 Satz 1 ArbGG i.V.m. § 85 Abs. 2 Satz 3 BetrVG offensichtlich unzuständig.
1. Nach § 98 Abs. 1 Satz 1 ArbGG können Anträge auf Bestellung des Vorsitzenden und Bestimmung der Anzahl der Beisitzer wegen fehlender Zuständigkeit nur zurückgewiesen werden, wenn die Einigungsstelle offensichtlich unzuständig ist. Offensichtlich unzuständig ist die Einigungsstelle dann, wenn sich die beizulegende Streitigkeit zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat bei fachkundiger Beurteilung durch das Gericht sofort erkennbar nicht unter einen mitbestimmungspflichtigen Tatbestand des Betriebsverfassungsgesetzes subsumieren lässt. Bei einer Beschwerde wie vorliegend ist dies der Fall, wenn es sich bei dem Gegenstand der Beschwerde um einen Rechtsanspruch im Sinne des § 85 Abs. 2 Satz 3 BetrVG handelt. Die Einigungsstelle kann über die Berechtigung der Beschwerde eines Arbeitnehmers nicht wirksam entscheiden, wenn mit der Beschwerde ein Rechtsanspruch geltend gemacht wird (BAG, Beschluss vom 28.06.1984 – 6 ABR 5/83 – AP Nr. 1 zu § 85...