Entscheidungsstichwort (Thema)
PKH. Erfolgsaussicht
Leitsatz (amtlich)
– Maßstäbe für hinreichende Erfolgsaussicht
– Grundsätzlich keine Beweisantizipation im PKH-Verfahren
Normenkette
ZPO § 114; SGB IX § 81 Abs. 4
Verfahrensgang
ArbG Köln (Beschluss vom 10.05.2004; Aktenzeichen 22 (1) Ca 9006/03) |
Tenor
1. Auf die sofortige Beschwerde des Klägers wird der PKH Beschluss des Arbeitsgerichts Köln vom 10.05.2004 aufgehoben.
2. Dem Arbeitsgericht wird gemäß § 572 Abs. 3 ZPO übertragen, erneut über die Prozesskostenhilfe zu entscheiden und dabei die hinreichende Erfolgsaussicht zu bejahen.
Tatbestand
Die hinreichende Erfolgsaussicht der Klage konnte nicht verneint werden.
Bei der Entscheidung nach § 114 ZPO ist das verfassungsrechtliche Gebot der Rechtsschutzgleichheit zu beachten, so dass die Anforderungen an die Erfolgsaussicht nicht überspannt werden dürfen (z. B. BVerfG 14.10.2003 – 1 BVR 901/03 – NVwZ 2004, 334). Die Prüfung der Erfolgsaussicht soll nicht dazu dienen, die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung selbst in das Nebenverfahren der Prozesskostenhilfe vorzuverlagern und dieses an die Stelle des Hauptsacheverfahrens treten zu lassen. Das Prozesskostenhilfeverfahren will den Rechtsschutz, den der Rechtsstaatsgrundsatz erfordert, nicht selbst bieten, sondern nur zugänglich machen. Dem genügt das Gesetz in § 114 ZPO, indem es die Gewährung von Prozesskostenhilfe bereits dann vorsieht, wenn nur hinreichende Erfolgsaussichten für die beabsichtigte Rechtsverfolgung bestehen, ohne dass der Prozesserfolg schon gewiss sein muss (BVerfG 24. 7. 2002 NJW 2003, 576).
Dementsprechend verlangt § 114 ZPO auch nicht Erfolgsgewissheit, sondern lediglich eine hinreichende Aussicht auf Erfolg. Es reicht aus, wenn bei einer allein erlaubten vorläufigen Prüfung der Parteivertrag als vertretbar bezeichnet werden kann, wobei die Anforderung an die tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen nicht überspannt werden dürfen. Es genügt, wenn der Erfolg eine gewisse Wahrscheinlichkeit für sich hat, keineswegs ist eine überwiegende Wahrscheinlichkeit erforderlich (vgl. LAG Düsseldorf 29.11.1999 – 15 Ta 553/99 – LAGE § 114 ZPO Nr. 36).
Grundsätzlich gilt das Verbot der Beweisantizipation auch im PKH-Prüfungsverfahren. Es darf grundsätzlich das Ergebnis einer Beweisaufnahme nicht vorweggenommen werden. Davon können Ausnahmen gemacht werden, wenn ein Zeuge bereits vernommen ist oder sonst eine gerichtliche Beweiserhebung bereits erfolgt ist (vgl. z. B. Zöller/Philippi, § 114 Rn. 36).
Dieses ist vorliegend nicht der Fall.
Entscheidungsgründe
I. Beide Gutachten, auf die sich das Arbeitsgericht in der angefochtenen Entscheidung bezieht, sind zum einen keine gerichtlichen Gutachten, so dass anhand dieser Gutachten schon grundsätzlich die Erfolgsaussicht nicht verneint werden kann.
Davon abgesehen, befasst sich keines dieser Gutachten mit dem vom Kläger konkret angesprochenen Arbeitsplatz an der Sortiermaschine für Romanhefte (Blatt 3 d. A.) bzw. an dem Förderband, aus dem die entsprechenden Taschenbücher im Rahmen der Kommissionierung zu entnehmen waren, wo nach dem von der Beklagten bestrittenen Vortrag des Klägers jeweils mit Sitzhilfe gearbeitet werden kann. Durch gerichtlichen Hinweis nach § 139 ZPO wäre zu klären, ob es sich insoweit um zwei Arbeitsplätze oder um ein und demselben Arbeitsplatz handelt. Der Kläger hat bereits in der Klageschrift Sachverständigenbeweis angeboten.
Selbst dann, wenn man davon ausginge, dass allein Arbeitsunfähigkeitszeiten vor dem Verzugszeitraum ein Indiz für das Leistungsunvermögen darstellen könnten (das BAG spricht in der Entscheidung vom 05.11.2003 – 5 AZR 562/02 – von der indiziellen Wirkung von Krankheitszeiten des Arbeitnehmers „vor und nach” dem Verzugszeitraum), so hat der Kläger doch auch unter Berücksichtigung der vorliegenden Gutachten hinreichend substantiiert vorgetragen, an welchem Arbeitsplatz er noch beschäftigt werden kann. Sofern sich beide Parteien insoweit auf Sachverständigengutachten bezogen haben, werden die Sachverständigen darauf angewiesen sein, den Sachverhalt anhand von Dokumentationen und Aussagen von Ärzten für die damalige Zeit zu klären. Dementsprechend wird der Kläger gehalten sein, alle ihn behandelnden Ärzte und Sachverständigen von der Schweigepflicht zu entbinden. Die angebotenen Beweise sind sodann zu erheben (vgl. auch BAG a.a.O.).
Insbesondere darf nicht davon ausgegangen werden – wie es die Beklagte meint, dass es schlechterdings ausgeschlossen erscheine, durch Sachverständigengutachter die damalige Leistungsfähigkeit oder Leistungsunfähigkeit festzustellen. Allein auf Grund des Zeitablaufs kann nicht von der Erfolglosigkeit einer Beweisaufnahme durch ein Sachverständigen ausgegangen werden. Ob ein Sachverständigengutachter zum Leistungsvermögen des Klägers im Streitzeitraum (noch) Angaben machen kann, ggf. auf Grund von Krankenakten oder Ähnlichem, gehört zu den vom Sachverständigen zu beantwortenden Fragen und lässt sich erst nach Beweiserhebung beurteilen (so ausdr...