Entscheidungsstichwort (Thema)
Höhe der zu erstattenden Kosten eines durch den agv comunity e.V. vertretenen Unternehmens
Leitsatz (amtlich)
1. Bei dem agv comunity e.V. handelt es sich um einen Arbeitgeberverband, dessen Leistungen im Rechtsservice, insbesondere die Prozessführung in arbeitsgerichtlichen Verfahren, satzungsgemäß nicht bereits durch den allgemeinen Mitgliedsbeitrag abgedeckt sind, sondern den Mitgliedsunternehmen auf Zeitstundenbasis gesondert in Rechnung gestellt werden.
2. Der Kostenerstattungsanspruch eines durch den agv comunity e.V. vertretenen Unternehmens gegen den Prozessgegner ist der Höhe nach auf den Betrag der Gebühren begrenzt, den ein an Stelle des agv tätiger Rechtsanwalt als Prozessbevollmächtigter nach den Regeln des RVG beanspruchen könnte.
3. Der prozessuale Kostenerstattungsanspruch eines durch den agv comunity e.V. vertretenen Unternehmens ist einer Kostenfestsetzung nach §§ 103 f. ZPO zugänglich.
4. Soweit die zur Festsetzung angemeldeten Zeitstundenvergütungen des agv comunity in ihrer Gesamtheit die RVG-Gebühren eines fiktiv an Stelle des agv tätigen Anwalts nicht übersteigen, besteht eine tatsächliche Vermutung dafür, dass sie in dieser Höhe angemessen und notwendig waren.
5. Der/die Rechtspfleger/-in kann sich im Kostenfestsetzungsverfahren bei der Prüfung, ob eine bestimmte Maßnahme zur Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war, auf eine typisierende Plausibilitätskontrolle beschränken (OVG NRW vom 18.06.2019, 1 E 685/18).
Normenkette
ZPO §§ 91, § 103 f.; ArbGG §§ 11, 12 a
Verfahrensgang
ArbG Bonn (Aktenzeichen 3 Ca 1837/16) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde der Beklagten hin wird der Kostenfestsetzungsbeschluss des Arbeitsgerichts Bonn für die Berufungsinstanz in der Fassung des Abhilfebeschlusses vom 29.03.2019 abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die aufgrund des rechtskräftigen Beschlusses nach § 91a ZPO des Landesarbeitsgerichts Köln vom 01.02.2018 (7 Sa 122/17) vom Kläger an die Beklagte zu erstattenden Kosten werden auf 1.711,67 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB seit dem 22.02.2019 festgesetzt.
Die Kosten des Feststellungsverfahrens trägt der Kläger.
Gründe
1. Die zulässige sofortige Beschwerde der Beklagten vom 15.04.2019 gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Arbeitsgerichts Bonn für die Berufungsinstanz vom 29.03.2019 ist weitestgehend begründet. Festzusetzen waren danach grundsätzlich die von der Beklagten angemeldeten Kosten, die ihr durch die Beauftragung des Arbeitgeberverbandes a Prozessbevollmächtigten für die zweite Instanz entstanden sind. Zur genauen Berechnung wird auf Ziffer 7 dieses Beschlusses Bezug genommen.
2. Unstreitig wäre die Beklagte nicht befugt gewesen, für die Tätigkeit des a als Prozessbevollmächtigten Anwaltsgebühren nach Maßgabe des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes anzusetzen. Dies ist aber auch nicht geschehen. Die Beklagte hat in ihrem Kostenfestsetzungsantrag lediglich vorgerechnet, Kosten in welcher Höhe nach dem RVG angefallen wären, wenn sie statt des a einen Rechtsanwalt mit ihrer Vertretung beauftragt gehabt hätte. Da nach der Berechnung der Beklagten im vorliegenden Einzelfall die Höhe der Anwaltskosten niedriger ausgefallen wäre als die Höhe ihrer Eigenrechnungen, hat sie letztere sodann auf die Höhe der Anwaltskosten gedeckelt. Zur zutreffenden Berechnung s.u. unter 7.
3. Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts besteht keinerlei rechtliche Handhabe, solche Kosten, die einer Partei aufgrund der Prozessvertretung durch einen Arbeitgeberverband wie der a entstehen, von vornherein von einer Kostenfestsetzung nach § 103 f. ZPO auszuschließen.
a. Gemäß § 11 Abs. 4 ArbGG schreibt das Gesetz für das arbeitsgerichtliche Verfahren zweiter und dritter Instanz grundsätzlich Anwaltszwang vor. Schon deswegen kann kein Zweifel daran bestehen, dass die Vertretung durch einen Rechtsanwalt als "zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig" im Sinne von § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO anzusehen ist.
b. § 11 Abs. 4 S. 2 ArbGG stellt nun aber eine Vertretung durch Gewerkschaften oder Arbeitgeberverbände im Sinne von § 11 Abs. 1 Nr. 4 ArbGG einer Vertretung durch Rechtsanwälte gleich. Die Parteien müssen sich somit von Gesetzes wegen im arbeitsgerichtlichen Verfahren zweiter und dritter Instanz durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen. Kann es sich dabei aber außer um einen Rechtsanwalt auch um einen Verbandsvertreter im Sinne von § 11 Abs. 1 Nr. 4 ArbGG handeln, so kann kein Zweifel daran bestehen, dass die Beauftragung eines nach § 11 Abs. 1 Nr. 4 ArbGG zugelassenen Verbandsvertreters ebenfalls eine "zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendige" Maßnahme im Sinne von § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO darstellt. Warum in Anbetracht der Gleichwertigkeit der Vertretung durch Rechtsanwälte oder Verbandsvertreter die Partei im Falle des Obsiegens bei der Wahl der Vertretung durch einen Rechtsanwalt ihre Kosten geltend machen können soll, im Fal...