Entscheidungsstichwort (Thema)
Streitwert. Mehrwert eines Vergleichs im Kündigungsrechtsstreit
Leitsatz (amtlich)
1) Der (Mehr-)wert eines Vergleichs ergibt sich aus dem Wert der erledigten streitigen Ansprüche, nicht aus dem Wert dessen, was sich die Parteien im Vergleich versprechen.
2) Bei der Bemessung eines Vergleichswertes in einem Kündigungsrechtsstreit ist die sozialpolitische Ausrichtung des § 42 Abs. 4 GKG zu berücksichtigen.
3) Daher ist in einem solchen Vergleich – sofern über die einzelnen Ansprüche nicht unabhängig von dem Bestandsstreit um das Arbeitsverhältnis Streit bestand – kein Mehrwert anzusetzen für
- die Vereinbarung der Option für den Arbeitnehmer, vorzeitig gegen entsprechende Erhöhung der Abfindung auszuscheiden;
- eine Fiktion des befristeten Fortbestandes des Arbeitsverhältnisses für Betriebsrentenansprüche;
- eine Rückgabepflicht des Firmenwagens;
- eine Freistellung des Arbeitnehmers während der Kündigungsfrist unter (teilweiser) Anrechnung auf Urlaubsansprüche;
- die Zulässigkeit einer Nebentätigkeit während der Freistellung.
Normenkette
ZPO § 3; GKG § 42 Abs. 4; RVG §§ 23, 33
Verfahrensgang
ArbG Aachen (Beschluss vom 12.09.2008) |
ArbG Köln (Aktenzeichen 6 Ca 946/08) |
Tenor
Die Beschwerde der Prozessbevollmächtigten des Klägers gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Aachen vom 12.09.2008 wird zurückgewiesen.
Tatbestand
I.
Das Beschwerdeverfahren betrifft die Wertbemessung für einen zwischen den Parteien in einem Kündigungsrechtsstreit abgeschlossenen Vergleich.
Dieser hat folgenden Inhalt:
- Die Parteien sind sich einig, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis aufgrund arbeitgeberseitiger, ordentlicher, betriebsbedingter und fristgerechter Kündigung vom 03.03.2008 zum 31.03.2009 sein Ende finden wird.
- Auf Wunsch der Beklagten wird der Kläger bis zum Beendigungszeitpunkt widerruflich von der Arbeitsleistung unter Anrechnung auf Urlaubsansprüche freigestellt. Die Freistellung erfolgt unter Fortzahlung der Vergütung (bisheriges Fixum i. H. v. 6.150,00 EUR brutto zuzüglich 100 % Zielvereinbarung i. H. v. 18.000,00 EUR brutto für das Jahr 2007, i. H. v. ebenfalls 18.000,00 EUR brutto für 2008 und i. H. v. 4.500,00 EUR brutto für das Jahr 2009).
- Für den Verlust des Arbeitsplatzes zahlt die Beklagte an den Kläger eine Abfindung gemäß den §§ 9, 10 KSchG i. H. v. 64.000,00 EUR (i. W. vierundsechzigtausend Euro, Cent wie nebenstehend) brutto. Die Abfindung ist sofort entstanden, vererblich und fällig zum 31.03.2009.
- Die Beklagte verpflichtet sich, den Kläger hinsichtlich der O -Betriebsrente so zu stellen, als hätte das Arbeitsverhältnis bis einschließlich September 2010 unbeendet fortbestanden und als ob bis zu diesem Zeitpunkt entsprechende Einzahlungen – auf der Basis der unter Ziffer 2) genannten Vergütung – erfolgt seien.
- Der Kläger wird den ihn überlassenen Firmenwagen bis zum 31.03.2008 zurückgeben.
- Das Arbeitsverhältnis kann seitens des Arbeitnehmers vorzeitig durch schriftliche Erklärung mit einer Frist von zwei Wochen zum Ende eines jeden Kalendermonats beendet werden. Hierbei besteht Einigkeit, dass die vorzeitige Beendigung vor allem im Interesse des Arbeitgebers liegt. Bei vorzeitiger Beendigung erhält Herr W. eine zusätzliche Abfindung von jeweils 7.650,00 EUR brutto für jeden Monat des vorzeitigen Ausscheidens. Diese Abfindung entsteht mit Zugang der Erklärung bei dem Arbeitgeber, ist vererblich und wird fällig mit der letzten Lohnabrechnung.
- Eine Nebentätigkeit des Klägers – außer einer Konkurrenztätigkeit – bedarf keiner Zustimmung des Arbeitgebers.
- Die Beklagte verpflichtet sich, dem Kläger ein hervorragendes, qualifiziertes Arbeitszeugnis zu erteilen. Dieses enthält einen Dank für die besonderen Verdienste für das Unternehmen, es beinhaltet das große Bedauern über das Ausscheiden und es schließt mit den besten Wünschen für den weiteren Berufs- und Lebensweg. Textvorschläge des Klägers werden übernommen.
Es besteht Einigkeit, dass mit sofortiger Wirkung sämtliche finanziellen Ansprüche der Firma O. GmbH – gleich aus welchem Rechtsgrund, gleich ob bekannt oder unbekannt – erledigt sind. Diese Ausgleichklausel bezieht sich auf alle finanziellen Ansprüche, die auf Vorgängen oder sonstigen Handlungen der Vergangenheit bis einschließlich zum heutigen Tage beruhen oder damit zusammenhängen. Die Firma O. GmbH wird Herrn W. gegenüber sämtlichen, etwaigen Ansprüchen anderer Unternehmen der O. Gruppe – national wie international – freistellen. Die Freistellung bezieht sich auch auf etwaige Ansprüche anderer Personen gegenüber Herrn W, die mit seiner Tätigkeit bei der O. Gruppe in Zusammenhang stehen, insbesondere auch auf von Unternehmen der O. Gruppe abgetretene oder künftig noch abzutretende Ansprüche.
Das dem Arbeitnehmer gewährte Arbeitgeberdarlehen wird ab dem 01.03.2008 zins- und tilgungsfrei gestellt. Auf eine Rückzahlung wird zum Stichtag 31.03.2009 verzichtet, so dass dann auch diese Ansprüche erloschen sind.
- Damit ist der Rechtsstreit vor dem Arbeitsgericht Aachen 6 Ca 946/0...