Entscheidungsstichwort (Thema)

Erfolgsaussichten einer Kündigungsschutzklage

 

Leitsatz (redaktionell)

Die Klagefrist des § 4 S. 1 KSchG kann gewahrt sein, wenn eine unterschriebene Klage zusammen mit einem vollständigen Prozesskostenhilfegesuch bei Gericht eingereicht und in ein Hilfsverhältnis gestellt wird. Denn die Stellung eines Prozesskostenhilfeantrags wahrt rückwirkend die Frist des § 4 KSchG, sofern die Klage unverzüglich nach positiver oder negativer rechtskräftiger Entscheidung über das Prozesskostenhilfegesuch zugestellt wird.

 

Normenkette

ZPO § 114 Abs. 1 S. 1; KSchG § 4 S. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Köln (Entscheidung vom 14.10.2016; Aktenzeichen 6 Ca 5204/16)

 

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin wird der die Bewilligung von Prozesskostenhilfe teilweise ablehnende Beschluss des Arbeitsgerichts Köln vom 14.10.2016 abgeändert.

Der Klägerin wird für den ersten Rechtszug auch bezüglich der Kündigungsschutzklage und der Zeugnisanträge derzeit ratenfreie Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt R zu den Bedingungen eines im Bezirk des Arbeitsgerichts K niedergelassenen Rechtsanwalts mit Wirkung ab dem 18.07.2016 bewilligt.

 

Gründe

Die Beschwerde der Klägerin ist begründet. Zu Unrecht hat das Arbeitsgericht die Bewilligung von Prozesskostenhilfe wegen fehlender Erfolgsaussicht i.S.d. § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO bezüglich des Kündigungsschutzantrags und des geltend gemachten Zwischenzeugnisses abgelehnt, weil die Klägerin nicht rechtzeitig eine unbedingte Kündigungsschutzklage erhoben, sondern zunächst nur einen Prozesskostenhilfeantrag gestellt hat.

1.) Die (beabsichtigte) Kündigungsschutzklage der Klägerin hat hinreichende Aussicht auf Erfolg. Denn ihr Arbeitsverhältnis bei der Beklagten unterliegt nach dem Vortrag der Klägerin dem Kündigungsschutzgesetz; die Beklagte hat dies nicht bestritten.

a) Zwar gilt eine Kündigung gemäß § 7 KSchG als von Anfang an wirksam, wenn ihre Rechtsunwirksamkeit nicht rechtzeitig innerhalb der Dreiwochenfrist des § 4 Satz 1 KSchG geltend gemacht wurde. Ob das hier der Fall ist, steht jedoch noch nicht fest und ist auch nicht abschließend im Prozesskostenhilfeverfahren zu klären. Denn das Prozesskostenhilfeverfahren will den Rechtsschutz nicht selbst bieten, sondern zugänglich machen. Die Prüfung der Erfolgsaussicht darf nicht dazu dienen, die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung selbst in das Nebenverfahren der Prozesskostenhilfe vorzuverlagern und dieses an die Stelle des Hauptsacheverfahrens treten zu lassen (etwa BVerfG, Kammerbeschluss vom 04. August 2016 - 1 BvR 380/16 -, Rn. 12, [...]).

b) Es sprechen zunächst zumindest vertretbare Argumente dafür, dass die Klägerin rechtzeitig eine unbedingte Kündigungsschutzklage erhoben hat, weil sie sich gegen die am 30.06.2016 zugegangene Kündigung mit einem am 18.07.2016 - also an sich fristgerecht - bei dem Arbeitsgericht Köln eingereichten und ausdrücklich als "Klage" - und nicht als "Prozesskostenhilfegesuch" - bezeichneten Schriftsatz, der in jeder Hinsicht den Anforderungen des § 253 ZPO an eine Klageschrift entspricht, wehrt. Zwar beantragt die Klägerin in diesem Schriftsatz, ihr "für dieses Verfahren vorab Prozesskostenhilfe zu bewilligen". Ferner kündigt sie Sachanträge "im Rahmen der bewilligten Prozesskostenhilfe" an. Auch ist im Schriftsatz von der "beabsichtigten Klage" die Rede. Zugleich bittet sie aber - unbedingt - um Anberaumung eines Gütetermins. Es bestanden daher bei Eingang des Schriftsatzes sowohl Anhaltspunkte für das Vorliegen einer unbedingten Klage mit der Bitte, zeitlich zunächst über die Prozesskostenhilfe zu entscheiden, als auch Anhaltspunkte für eine von der Bewilligung von Prozesskostenhilfe abhängige Klage. Prozessuale Willenserklärungen sind in einem solchen Fall so auszulegen, dass das gewollt ist, was aus Sicht der Prozesspartei nach den Maßstäben der Rechtsordnung vernünftig ist und der wohlverstandenen Interessenlage entspricht. Zudem sind die schutzwürdigen Belange des Erklärungsadressaten zu berücksichtigen (BAG, Beschluss vom 22. Dezember 2009 - 3 AZN 753/09 -, BAGE 133, 28-33, Rn. 12; BAG, Beschluss vom 05. Juli 2016 - 8 AZB 1/16 -, Rn. 9, [...]). Im Zweifelsfalle ist davon auszugehen, dass eine Klage anhängig wird (OLG Köln, Beschluss vom 12. April 2005 - 17 W 69/05 -, Rn. 25, [...]). Dies gilt umso mehr bei einer Kündigungsschutzklage, bei der die Klägerin eher das Risiko einer gegebenenfalls erfolglosen Kündigungsschutzklage auf sich nehmen will, als zu riskieren, dass ihre Klage schon wegen der Versäumung der Frist des § 4 Satz 1 KSchG abgewiesen wird (Landesarbeitsgericht Hamm (Westfalen), Beschluss vom 23. November 2009 - 14 Ta 357/09 -, Rn. 26, [...]). Schutzwürdige Belange der Beklagten wären bei einem solchen Verständnis im vorliegenden Fall nicht tangiert, da die Beklagte aufgrund des Schriftsatzes der Klägerin vom 18.07.2016 wusste, dass sie sich gegen die Kündigung wehren will, und sich demgemäß darauf einstellen konnte. Auch das Arbeitsgericht selbst ist nach Eingan...

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