Entscheidungsstichwort (Thema)

Betriebsratswahl. Folgen der Durchführung unter Verkennung des Betriebsbegriffs

 

Leitsatz (amtlich)

Zur Anfechtbarkeit einer Betriebsratswahl, die nach ordentlicher Kündigung eines Tarifvertrages über vom Gesetz abweichende Betriebsratsstrukturen (§ 3 BetrVG), aber vor Auslaufen der Kündigungsfrist, stattgefunden hat.

 

Leitsatz (redaktionell)

2. Eine Betriebsratswahl, die unter Verkennung des Betriebsbegriffs durchgeführt wurde, führt nicht zu deren Nichtigkeit; ihr Unwirksamkeit wegen Verstoßes gegen das Wahlverfahren ist jedoch mittels einer Anfechtung zu erreichen.

 

Normenkette

BetrVG §§ 3, 19 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Köln (Entscheidung vom 06.07.2010; Aktenzeichen 13 BV 54/10)

 

Tenor

1. Der Beschluss des Arbeitsgerichts Köln vom 06.07.2010

- 13 BV 54/10 - wird unter Zurückweisung der Beschwerde im Übrigen wie folgt abgeändert:

a. Die am 03.03.2010 durchgeführte Betriebsratswahl wird für unwirksam erklärt.

b. Der Antrag auf Feststellung der Nichtigkeit der Wahl vom 03.03.2010 wird zurückgewiesen.

2. Die Rechtsbeschwerde gegen diesen Beschluss wird zugelassen.

 

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten über die Wirksamkeit einer am 3. März 2010 stattgefundenen Betriebsratswahl.

Die Antragstellerin zu 1) ist die deutsche Tochtergesellschaft der H Group. Sie bietet Kunden eine Vielzahl von spezialisierten Unternehmensdienstleistungen wie Geschäftsreisen-Management, Reisekosten-Management sowie Event- und Meetings-Management an. Der Hauptsitz der Antragstellerin zu 1) liegt in K . Daneben unterhält die Antragstellerin zu 1) bundesweit Betriebe, um flächendeckend bei ihren Kunden vor Ort zu sein. Dabei handelt es sich um sog. Business-Travel-Center (BTC) sowie Implants in den Geschäftsräumen der jeweiligen Kunden. Bundesweit beschäftigt die Antragstellerin zu 1) etwa 790 Arbeitnehmer.

Die Antragstellerin zu 2) war zum Zeitpunkt der Wahl eine Tochtergesellschaft der Antragstellerin zu 1) mit Sitz in B , die ihren Kunden Geschäftsreisen-Management anbietet. An drei Betriebsstätten in B sind insgesamt 18 Mitarbeiter tätig.

Antragsgegner ist der für die Region West 2 der beiden Antragstellerinnen gewählte Regionalbetriebsrat.

Die Rechtsvorgängerin der Antragstellerin zu 1) und die Antragstellerin zu 2) haben mit weiteren verbundenen Unternehmen zuletzt am 25. Oktober 2004 einen Tarifvertrag zur Bildung einheitlicher Betriebsrats- und Gesamtbetriebsratsstrukturen (im Folgenden: TV einheitliche Betriebsratsstrukturen) mit der Gewerkschaft ver.di abgeschlossen. Gemäß diesem Tarifvertrag wird das Bundesgebiet in Wahlregionen aufgeteilt. In den Betriebsstätten innerhalb der Regionen wird ein unternehmensübergreifender Regionalbetriebsrat gewählt. Neu hinzukommende Betriebsstätten, in denen ein Betriebsrat errichtet ist, werden den jeweiligen Regionen bei der nächsten regelmäßigen Betriebsratswahl zugeordnet. Aus den Regionalbetriebsräten werden Mitglieder in einen Gesamtbetriebsrat entsandt.

Das Bundesgebiet ist in 9 Wahlregionen unterteilt: Nord, Mitte, Ost, West 1, West 2, Südwest 1, Südwest 2, Süd 1 und Süd 2. Im Jahr 2006 wurden 9 Regionalbetriebsräte gewählt.

Für vier Betriebsstätten in A , O , E und O , die erst im Jahr 2007 durch eine Verschmelzung der E GmbH (K ) auf die Antragstellerin zu 1) übergingen, ist ein gesonderter gemeinsamer Betriebsrat gewählt worden.

Der Tarifvertrag ist nach § 7 mit einer Frist von 6 Monaten zum Quartalsende erstmals zum 31. März 2006 ordentlich kündbar. Beiden Tarifvertragsparteien steht ein Recht zur außerordentlichen Kündigung mit einer Frist von zwei Monaten zum Monatsende u. a. zu, wenn die vereinbarte Betriebsratsstruktur nicht mehr der sachgerechten Wahrnehmung der Arbeitnehmerinteressen dienlich ist. Soweit Änderungen der tatsächlichen Verhältnisse oder die Änderung oder Beendigung des Tarifvertrages ein gesetzliches Übergangsmandat gemäß § 21 a BetrVG begründen, bleibt dieses von dem Tarifvertrag unberührt. Im Falle einer Kündigung wirkt der Tarifvertrag nicht nach.

Mit Schreiben vom 17. September 2009 kündigten die Antragstellerinnen und die weiteren mit ihnen verbundenen Unternehmen den TV einheitliche Betriebsratsstrukturen ordentlich zum 31. März 2010. Die Gewerkschaft ver.di bestätigte mit Schreiben vom 13. Oktober 2009 den Eingang der Kündigung.

Am 22. Dezember 2009 bestellte der Regionalbetriebsrat für die Region West 2, der zuletzt außerhalb der regelmäßigen Amtszeit wegen Unterschreitens der vorgeschriebenen Zahl der Betriebsratsmitglieder nach § 13 Abs. 2 Ziff. 2 BetrVG am 28. März 2008 gewählt worden war und sich am 8. April 2008 konstituiert hatte, einen Wahlvorstand für die Neuwahl eines Regionalbetriebsrats in dieser Region. Der Wahlvorstand bestand aus drei bei der Antragstellerin zu 1) beschäftigten Arbeitnehmern, wovon zwei in der Betriebsstätte in M und einer in der Betriebsstätte in W arbeiteten. Der Wahlvorstand fasste die Betriebsstätten der Antragstellerin zu 1) in K , L , W , M , D , E und O und die Betriebsstätten der Antragstellerin zu 2) in B ...

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