Entscheidungsstichwort (Thema)

Betriebsbegriff. Betriebsratswahlen nach Kündigung eines Tarifvertrages gem. § 1 Abs. 1 Nr. 1 und 3 BetrVG

 

Leitsatz (amtlich)

Für die regelmäßigen Betriebsratswahlen ist die Betriebsstruktur des Betriebsverfassungsgesetzes zugrunde zu legen, wenn ein Tarifvertrag nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 und 3 BetrVG zu einem Zeitpunkt innerhalb des gesetzlichen Wahlzeitraums gekündigt worden ist und dieser Tarifvertrag keine Nachwirkung hat. Dies folgt aus den gesetzlichen Regelungen des Betriebsverfassungsgesetzes, denen die Regelungen des einschlägigen Tarifvertrages nicht entgegenstanden.

 

Normenkette

BetrVG §§ 3, 13

 

Verfahrensgang

ArbG München (Beschluss vom 20.12.2010; Aktenzeichen 40 BV 142/10)

 

Tenor

Der Beschluss des Arbeitsgerichts München vom 20.12.2010 – Gz. 40 BV 142/10 – wird unter Zurückweisung der Beschwerde im Übrigen abgeändert:

Die am 23. März 2010 durchgeführte Betriebsratswahl wird für unwirksam erklärt.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

 

Tatbestand

I.

Die Arbeitgeberin und Beteiligte zu 1 begehrt die Feststellung der Nichtigkeit der im März 2010 in ihrem Betrieb in M. stattgefundenen Wahl des Betriebsrats und Beteiligten zu 2, hilfsweise diese Betriebsratswahl für unwirksam zu erklären und hilfshilfsweise die Feststellung, dass der Betriebsrat mit Ablauf des Tarifvertrages nach § 3 BetrVG ein sechsmonatiges Übergangsmandat innehatte.

Die Arbeitgeberin, deren Hauptsitz in K. ist, bietet spezialisierte Unternehmensdienstleistungen im Bereich des Reise-, Event- und Meeting-Managements an und unterhält bundesweit Betriebe, in denen sie ca. 790 Arbeitnehmer beschäftigt. Im Jahr 2002 führten die Rechtsvorgängerin der Arbeitgeberin und die mit ihr verbundenen Unternehmen ihre bundesweiten Betriebe durch sog. Regionalleitungen für die Regionen Süd, Mitte/West und Nord/Ost. Um die betriebsverfassungsrechtlichen Gremien auf Regionalebene zu installieren, schlossen die Rechtsvorgängerin der Arbeitgeberin, die mit ihr verbundenen Unternehmen und die Gewerkschaft v. am 11.04.2002 einen Tarifvertrag zur Bildung einheitlicher Betriebsrats- und Gesamtbetriebsratsstrukturen. Im Frühjahr 2002 fand die Betriebsratswahl auf der Grundlage dieses Tarifvertrages statt.

Im April 2004 gab die Arbeitgeberin ihre Regionalstruktur auf und schaffte die Regionalleitungen ab. Seitdem trägt die Leitung „Operations” mit Sitz in K. die bundesweite Verantwortung für den operativen Bereich im Bundesgebiet. Die sog. Business-Travel-Center vor Ort werden von sog. BTC-Managern geführt, die nach Angaben der Arbeitgeberin „in zunehmendem Maße” die Steuerung des Mitarbeiter- und Betriebsmitteleinsatzes vornehmen. Daneben bestehen sog. Implants, d. h. Mitarbeiter, die in den Geschäftsräumen des jeweiligen Kunden tätig sind. Am 25.10.2004 schlossen die Tarifvertragsparteien mit Ausnahme eines ausgeschiedenen Unternehmens erneut nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 b und Nr. 3 BetrVG einen Tarifvertrag zur Bildung einheitlicher Betriebsrats- und Gesamtbetriebsratsstrukturen (im Folgenden: TV „einheitliche Betriebsratsstrukturen”). Danach werden die einzelnen Betriebsstätten in Wahlregionen zusammengefasst, wobei das Bundesgebiet in neun Wahlregionen unterteilt ist: Mitte, Nord, Ost, Süd 1, Süd 2, Süd-West 1, Süd-West 2, West 1 und West 2. Nach § 3 Abs. 2 des Tarifvertrages werden neu hinzukommende Betriebsstätten, in denen ein Betriebsrat errichtet ist, den jeweiligen Regionen bei der nächsten regelmäßigen Betriebsratswahl zugeordnet. Neu hinzukommende Betriebsstätten, in denen kein Betriebsrat errichtet ist, werden sofort den jeweiligen Regionen zugeordnet. Die sog. Wahlregionen gelten als Betriebe i. S. des Betriebsverfassungsgesetzes, § 2 Abs. 2 des Tarifvertrages. Der von den Arbeitnehmern innerhalb der Wahlregion gewählte sog. Regionalbetriebsrat entsendet Mitglieder in einen Gesamtbetriebsrat, der alle Mitarbeiter der vom Geltungsbereich des Tarifvertrages „einheitliche Betriebsratsstrukturen” erfassten Betriebe und Unternehmen vertritt. Der Tarifvertrag „einheitliche Betriebsratsstrukturen” vom 25.10.2004 trat mit Unterzeichnung in Kraft und war mit einer Frist von sechs Monaten zum Quartalsende, erstmals zum 31.03.2006, ordentlich kündbar, § 7 Abs. 3 des Tarifvertrages. Ein außerordentliches Kündigungsrecht war u. a. für den Fall vorgesehen, dass die vereinbarte Betriebsratsstruktur nicht mehr der sachgerechten Wahrnehmung der Arbeitnehmerinteressen dienlich sei. Für den Fall einer Kündigung schlossen die Tarifvertragsparteien eine Nachwirkung aus, § 7 des Tarifvertrages a. E.

Im Jahr 2006 wurden in den vorstehend genannten Wahlregionen Regionalbetriebsräte neu gewählt, wobei die Wahl des Regionalbetriebsrats Süd 2 am 03.05.2006 stattfand. Die konstituierende Sitzung dieses Betriebsrats erfolgte Mitte Mai 2006. Die Region Süd 2 umfasste die Betriebsstätten in M., B.-Straße und Ha.-Straße, Ec., G. und L.

Im Wege der Verschmelzung gingen die Betriebsstätten A., Ob., Es. und Of. im Jahr 2007 auf die Arbeitgeberin über. Für sie war ein ge...

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