Entscheidungsstichwort (Thema)
Einigungsstelle. Wahl des Betriebsrats nach Zugang der Kündigung
Leitsatz (amtlich)
Auch dann, wenn ein Betriebsrat erstmalig gewählt wird, nachdem die Betriebsänderung bereits begonnen hat, ist eine Einigungsstelle zur Errichtung eines Sozialplans nicht offensichtlich unzuständig. Kritik an der Rechtsprechung des BAG vom 22.10.1991 – 1 ABR 17/91.
Normenkette
ArbGG § 98; BetrVG §§ 111-112, 112a
Verfahrensgang
ArbG Köln (Beschluss vom 12.01.2007; Aktenzeichen 14 BV 1/07) |
Tenor
Auf die Beschwerde des Antragsteller wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Köln vom 12.01.2007 – 14 BV 1/07 – abgeändert:
Zum Vorsitzenden der Einigungsstelle über den Abschluss eines Sozialplans wegen der Schließung des K Betriebs der Antragsgegnerin wird Herr F T Bungertstrasse 71, 53639 Königswinter bestellt. Die Zahl der Beisitzer wird für jede Seite auf 2 Personen festgesetzt.
Tatbestand
I. Die Beteiligten streiten in der Beschwerdeinstanz nur noch über die Einsetzung einer Einigungsstelle zur Erstellung eines Sozialplans wegen der Betriebsschließung des K Betriebs der Antragsgegnerin. Hinsichtlich des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes wird auf den angefochtenen Beschluss Bezug genommen. Bis zur mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht Köln ist zwischenzeitlich eine erneute Betriebsratswahl durchgeführt worden. Der neu gewählte Betriebsrat hat beschlossen, das Verfahren hinsichtlich der Einsetzung einer Einigungsstelle fortzusetzen. Das vor dem Arbeitsgericht Köln anhängige Verfahren zur Frage der Anfechtung der Betriebsratswahl vom 27.11.2006 ist aufgrund übereinstimmender Erledigungserklärungen eingestellt worden.
Mit der Beschwerde beantragt der Antragsteller,
den Beschluss des Arbeitsgerichts Köln vom 12.01.2007 – 14 BV 1/07 – abzuändern und
- zum Vorsitzenden der Einigungsstelle über den Abschluss eines Sozialplans wegen Betriebsschließung zum 30.06.2007 Herrn Dr. F J, Direktor des Arbeitsgerichts B, zu bestellen.
- Die Zahl der Beisitzer für jede Seite auf 2 Personen festzusetzen.
Die Arbeitgeberin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen. Hilfsweise zum Vorsitzenden Herrn G, Landesarbeitsgerichts D, zu bestimmen.
Entscheidungsgründe
II. Die zulässige und fristgerechte Beschwerde ist begründet. Nach § 98 ArbGG war ein Vorsitzender für eine Einigungsstelle mit dem Ziel, eine Einigung über einen Sozialplan zu erreichen, zu bestellen. In diesem Verfahren ist dabei auch dann zu entscheiden, wenn die Arbeitgeberseite die Auffassung vertritt, eine Einigungsstelle sei überhaupt nicht zu errichten. Dabei kann wegen fehlender Zuständigkeit der Einigungsstelle der Antrag nur dann zurückgewiesen werden, wenn die Einigungsstelle offensichtlich unzuständig ist. Es muss auf den ersten Blick erkennbar sein, dass die Zuständigkeit nicht gegeben ist. Hängt die Zuständigkeit von der Beantwortung einer Rechtsfrage ab, so ist die Einigungsstelle nur dann unzuständig, wenn die Beantwortung der Rechtsfrage zu dem eindeutigen Ergebnis der Unzuständigkeit der Einigungsstelle gelangt. Sprechen jedoch erhebliche Bedenken gegen die Beibehaltung einer bisherigen Rechtsprechung und ist diese beachtlicher Kritik ausgesetzt, kann nicht mehr davon ausgegangen werden, dass die Einigungsstelle, deren Einrichtung von der Beantwortung der streitigen Rechtsfrage abhängt, offensichtlich unzuständig ist (vgl. LAG Saarland vom 14.05.2003 – 2 TaBV 7/03 – NZA RR 2003, Seite 639).
Im vorliegenden Verfahren kann es deshalb zunächst dahinstehen, ob der am 27.11.2006 gewählte Betriebsrat lediglich aufgrund anfechtbarer Wahl zustande gekommen ist oder ob die einzelnen im erstinstanzlichen Beschluss zutreffend aufgeführten Fehler des Wahlverfahrens auch unter Berücksichtigung der neuen, die Nichtigkeit einer Wahl einschränkenden Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts vom 19.11.2003 – 7 ABR 24/03 – gleichwohl nichtig ist.
Käme man lediglich zur Anfechtbarkeit der Betriebsratswahl, weil ausschließlich einzelne formelle Wahlvorschriften insbesondere im Fristenbereich missachtet wurden, die nach der oben zitierten BAG Rechtsprechung nicht kumulativ, sondern einzeln zu beurteilen sind, so wäre ein Betriebsrat jedenfalls vor Zugang der Kündigungen und damit vor Durchführung der beabsichtigten Betriebsschließung im Amt gewesen. Da dem anfechtbar gewählten Betriebsrat jedenfalls bis zur Rechtskraft des hierüber zu führenden Beschlussverfahrens die vollen Rechte eines Betriebsrats zukommen, wäre eine Einigungsstelle zumindest zur Aufstellung eines Sozialplanes nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts vom 22.10.1991 – 1 ABR 17/91 – ohne weiteres zuständig.
Dies kann jedoch dahinstehen, da nach Ansicht der erkennenden Kammer auch der erst am 26.02.2007 neu gewählte Betriebsrat Verhandlungen über einen Sozialplan wegen der Betriebsschließung und dementsprechend die Einsetzung einer Einigungsstelle zur Errichtung des Sozialplans verlangen kann. Die Voraussetzungen der §§ 111, 112 und 112 a BetrVG hinsichtlich der Sozialplanpflichtigkeit der Be...