Entscheidungsstichwort (Thema)

Maßgeblicher Zeitpunkt für die Ermittlung der zur Sozialplanpflichtigkeit einer Betriebsänderung erforderlichen Mitarbeiterzahl

 

Leitsatz (amtlich)

1. Für die Frage, ob in einem Betrieb genügend Arbeitnehmer beschäftigt sind, um die Sozialplanpflichtigkeit einer Betriebsänderung zu begründen, kommt es auf den Zeitpunkt an, in dem der Arbeitgeber den Entschluss fasst, die Betriebsänderung vorzunehmen.

2. Auch aus einem Betrieb bereits ausgeschiedene Mitarbeiter können von einem Sozialplan erfasst werden.

 

Normenkette

ArbGG § 98; BetrVG §§ 112, 111

 

Verfahrensgang

ArbG Köln (Entscheidung vom 24.03.2014; Aktenzeichen 1 BV 43/14)

 

Tenor

Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Köln vom 24.03.2014 in Sachen 1 BV 43/14 wird zurückgewiesen.

 

Gründe

I. Die Beteiligten streiten in einem Verfahren nach § 98 ArbGG über die Errichtung einer Einigungsstelle zum Thema "Aufstellung eines Sozialplans anlässlich der Betriebsstilllegung und des Personalaufbaus".

Wegen des Sach- und Streitstandes erster Instanz, wegen der erstinstanzlich zur Entscheidung gestellten Sachanträge und wegen der Gründe, die die 1. Kammer des Arbeitsgerichts Köln dazu bewogen haben, den Anträgen des Antragstellers in vollem Umfang stattzugeben, wird auf den angegriffenen Beschluss des Arbeitsgerichts Köln vom 24.03.2014 Bezug genommen.

Der arbeitsgerichtliche Beschluss wurde der Antragsgegnerin am 10.04.2014 zugestellt. Sie hat hiergegen am 24.04.2014 Beschwerde eingelegt.

Die Antragsgegnerin und Beschwerdeführerin meint weiterhin, eine Einigungsstelle zu dem streitgegenständlichen Thema sei offensichtlich unzuständig und daher von vorneherein nicht einzurichten. Für das zwingende Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats zur Aufstellung eines Sozialplanes gemäß § 112 Abs. 4 BetrVG fehle es daran, dass das Unternehmen nicht in der Regel über mehr als 20 wahlberechtigte Arbeitnehmer verfügt habe. Bereits zum Zeitpunkt der Schließung des Betriebes am 31.01.2014 habe sie, die Beschwerdeführerin, nicht über mehr als 20 wahlberechtigte Arbeitnehmer verfügt. Zwischenzeitlich seien nahezu sämtliche Arbeitsverhältnisse beendet worden. Derzeit stünde lediglich noch der Fortbestand von vier Arbeitsverhältnissen zur Diskussion, derentwegen beim Arbeitsgericht Köln noch Kündigungsschutzprozesse anhängig seien.

Die Arbeitgeberin als Beschwerdeführerin beantragt,

unter Aufhebung des Beschlusses des Arbeitsgerichts Köln vom 24.03.2014, 1 BV 43/14, die Anträge kostenpflichtig zurückzuweisen.

Der Betriebsrat als Antragsteller und Beschwerdegegner beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Der Beschwerdegegner macht geltend, dass es für die Beurteilung der Sozialplanvoraussetzung 'Beschäftigtenzahl' nicht auf den Zeitpunkt der Betriebsschließung ankomme, sondern auf den Zeitpunkt, in welchem der Stilllegungsbeschluss gefasst worden sei. Der Beschwerdegegner weist darauf hin, dass bei der Betriebsratswahl vom 10.06.2013 unbeanstandet 88 Arbeitnehmer auf der Wählerliste gestanden hätten. Weder sei die Arbeitnehmerzahl kurz vorher sprunghaft angestiegen, noch sei sie nach der Wahl sprunghaft reduziert worden und auf unter 20 abgesunken. Noch am 27.01.2014 habe in der Lokalität "A W " eine Großveranstaltung mit ca. 1000 Gästen stattgefunden, deren Durchführung bereits eine Beschäftigung von weitaus mehr als 20 Arbeitnehmern erfordert habe.

Im Anhörungstermin vor dem Beschwerdegericht hat die Beschwerdeführerin klarstellen lassen, dass sie zwar von der offensichtlichen Unzuständigkeit einer Einigungsstelle ausgehe, aber keine Einwände gegen die Person des vorgeschlagenen Einigungsstellenvorsitzenden erhebe.

II. Die zulässige, insbesondere statthafte und rechtzeitig erhobene Beschwerde der Arbeitgeberin gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Köln vom 24.03.2014 ist unbegründet.

Das Arbeitsgericht Köln hat die vom Betriebsrat beantragte Einigungsstelle zu Recht eingesetzt und seine Entscheidung zutreffend begründet. Die Arbeitgeberin hat ihren Betrieb, die Gast- und Veranstaltungsstätte "A W " in K , unstreitig zum 31.01.2014 stillgelegt. Aus diesem Grund hat die Arbeitgeberin Maßnahmen ergriffen, um das bei ihr beschäftigte Personal auf Null zu reduzieren. Sie hat hierzu Kündigungen ausgesprochen und Aufhebungsverträge abgeschlossen. Auch Eigenkündigungen soll es gegeben haben.

Die Stilllegung des ganzen Betriebes stellt eine Betriebsänderung im Sinne von § 111 Satz 3 BetrVG dar. Sie löst die in §§ 111, 112 BetrVG beschriebenen Mitbestimmungstatbestände aus, darunter die Pflicht, mit dem Betriebsrat über den Ausgleich oder die Milderung der wirtschaftlichen Nachteile zu verhandeln, die den Arbeitnehmern infolge der geplanten Betriebsänderung entstehen (Sozialplan), § 112 Abs. 1 Satz 2 BetrVG. Kommt es im Rahmen solcher Verhandlungen nicht zu einer Einigung über den Abschluss des Sozialplanes, so hat gemäß § 113 Abs. 3 BetrVG die Einigungsstelle zu entscheiden.

Die Mitbestimmungsrechte nach §§ 111, 112 BetrVG setzen allerdings voraus, ...

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