Entscheidungsstichwort (Thema)
Rechtsfolgen des Ausscheidens eines freigestellten Betriebsratsmitglieds aus der Freistellung. Gültigkeit der Wahl eines freigestellten Betriebsratsmitglieds
Leitsatz (redaktionell)
1. Die Mindestzahl von frei zu stellenden Betriebsratsmitgliedern ist nicht nur für die erstmalige Freistellungswahl, sondern für die gesamte Amtszeit des Betriebsrats maßgeblich. Die durch Ausscheiden eines Betriebsratsmitglieds aus der Freistellung eintretende Unterschreitung der Mindestzahl von frei zu stellenden Betriebsratsmitgliedern bedarf daher eines Ausgleichs (BAG - 7 ABR 26/00 - 25.4.2001).
2. Sind die freigestellten Betriebsratsmitglieder nach den Grundsätzen der Verhältniswahl gewählt worden, so sind in entsprechender Anwendung des § 25 Abs. 2 Satz 1 BetrVG die neu freizustellenden Betriebsratsmitglieder der Reihe nach der Vorschlagsliste zu entnehmen, denen das aus der Freistellung ausgeschiedene Betriebsratsmitglied angehört hatte.
3. Im Falle der Erschöpfung der Liste kann das ersatzweise freizustellende Betriebsratsmitglied im Wege der Mehrheitswahl gewählt werden.
4. Der Rechtsgedanke des § 15 Abs. 3 WO BetTr VG, wonach die überschüssigen Mitgliedersitze bei Erschöpfung einer Vorschlagsliste auf die folgenden Höchstzahlen der anderen Vorschlagslisten übergehen, ist auf die Freistellungsproblematik nicht übertragbar.
5. Die Durchführung der Mehrheitswahl setzt keinen einstimmigen Betriebsratsbeschluss und auch keine Dreiviertelmehrheit voraus.
Normenkette
BetrVG § 19 Abs. 1, § 25 Abs. 2 S. 1, § 27 Abs. 3 S. 5, § 38 Abs. 2 Sätze 3, 8
Verfahrensgang
ArbG Köln (Entscheidung vom 29.10.2015; Aktenzeichen 5 BV 91/15) |
Nachgehend
Tenor
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten über die Anfechtung der Wahl eines freigestellten Betriebsratsmitglieds.
Bei der Arbeitgeberin, der Beteiligten zu 3, ist ein elfköpfiger Betriebsrat, der Beteiligte zu 2, gebildet. In der konstituierenden Sitzung am 27.05. 2014 erfolgte die Wahl der freigestellten Mitglieder nach den Grundsätzen der Verhältniswahl mit zwei Listen. Beide Listen erhielten enthielten jeweils zwei Kandidaten. Der Antragsteller befand sich als erster Kandidat auf der Liste 2. Die Liste 1 erhielt sieben Stimmen, die Liste 2 konnte drei Stimmen auf sich vereinigen. Daraufhin ergingen die beiden Freistellungen an die Liste 1. Der zweite Kandidat der Liste 1 schied zum 28.02.2015 aus dem Betriebsrat aus.
Nach ordnungsgemäßer Ladung fand am 03.03.2015 eine Betriebsratssitzung statt, in der die Wahl der Ersatzfreistellung erfolgte. Die Wahl erfolgte nach den Grundsätzen der Mehrheitswahl. Der einzige Wahlvorschlag betraf die Beteiligte zu 4, Frau B , die sechs Stimmen erhielt. Drei Betriebsratsmitglieder stimmten gegen die Beteiligte B . Die Beteiligte B nahm die Wahl an.
Mit seinem am 16.03.2015 bei dem Arbeitsgericht Köln eingereichten Antrag ficht der Antragsteller die Wahl an. Er hat die Auffassung vertreten, dass die Wahl der Ersatzfreistellung unzulässig gewesen sei, da er aufgrund der in der Verhältniswahl am 25.04.2014 durchgeführten Abstimmung nunmehr automatisch freigestellt sei. Denn die Ersatzfreistellungen seien der Reihe nach aus den nicht gewählten Betriebsratsmitgliedern derjenigen Vorschlagsliste zu entnehmen, denen sie angehört hätten. Sei die Vorschlagsliste, wie im vorliegenden Fall die Liste 1 erschöpft, sei der Nachrücker aus der Vorschlagsliste zu entnehmen, auf der bei Verteilung der Freistellungen die nächste Höchstzahl entfallen sei. Jedenfalls hätte die Neuwahl einer Ersatzfreistellung einen einstimmigen Beschluss des Betriebsrats voraus gesetzt. Im Übrigen hätte die Ersatzfreistellung nur auf der Basis einer Dreiviertel-Stimmenmehrheit erfolgen dürfen.
Der Antragsteller hat beantragt,
- feststellen, dass der Beschluss des Betriebsrats in der Betriebsratssitzung vom 03.03.2015, mit dem die Beteiligte Brettschneider in die Freistellung gewählt worden ist, rechtsunwirksam ist;
- festzustellen, dass er mit Wirkung vom 01.03.2015 als freizustellendes Betriebsratsmitglied gewählt ist;
- den Beteiligten zu 2 zu verpflichten, der Arbeitgeberin seinen Namen als Freizustellenden bekannt zu geben.
Der Betriebsrat und die Beteiligte Brettschneider haben beantragt,
die Anträge zurückzuweisen.
Das Arbeitsgericht hat die Anträge mit Beschluss vom 29.10. 2015 zurückgewiesen und dies im Wesentlichen damit begründet, dass eine Mehrheitswahlen der Ersatzfreistellung zu erfolgen habe, wenn die Vorschlagsliste, der das ausgeschiedene Betriebsratsmitglied angehört habe, erschöpft sei.
Der Beschluss ist dem Antragsteller am 14.12.2015 zugestellt worden. Seine dagegen gerichtete Beschwerde ist am 11.01.2016 bei dem Landesarbeitsgericht eingegangen und nach Verlängerung der Beschwerdebegründungsfrist bis zum 15.03.2016 mit einem am 14.03.2...